Lörrach Der kalte Hauch von Hitchcock im Burghof

Jürgen Scharf
Bild und Ton passten bestens zusammen in der Live-Filmmusik zu Hitchcocks Thriller „Blackmail“. Foto: Jürgen Scharf

Die Sinfonietta Basel spielte Moritz Eggerts musikdramatischen Soundtrack zu „Blackmail“ (1929), dem letztem Stummfilm des Regisseurs. Mit eindrucksvollen Effekten.

Die Basel Sinfonietta hat Erfahrung mit Filmmusik. Das merkte man wieder am Sonntag im Burghof, wo sie einen neuen „Soundtrack“ zu dem frühen Hitchcock-Stummfilm „Blackmail“ (Erpressung) aufführte. Geschrieben hat diese musikalische Filmspur Moritz Eggert, der sich erklärtermaßen stark an der Ästhetik der alten Hitchcock-Filmmusik von Bernard Herrmann orientiert. Der hat die Partituren zu Horrorklassikern wie „Die Vögel“ und „Psycho“ geschrieben.

Die Vertiefung des Films

Eggerts „Blackmail“-Vertonung will auch eine Hommage an diesen kongenialen Filmkomponisten sein. Und das ist ihm mit seiner Musik gelungen. Sicher ist jede Livemusik zu einem Film der Klangkonserve vorzuziehen, aber Eggerts akustische Realisierung vertieft ganz besonders den szenischen und filmischen Eindruck der Handlung, bei der es sich nach Ansicht des Komponisten um eine „waschechte #Metoo-Geschichte“ handelt.

Musik folgt Kamera

„Blackmail“ ist schon typischer Hitchcock mit einigem „Suspense“, raffinierten Kameraperspektiven, Schnitttechniken und expressionistischen Nahaufnahmen von Gesichtern. Und dazu passt die detailgenaue Filmmusik von Eggert, die spannungsgeladen den Film „illustrativ“ begleitet, mit ganz besonderen auskomponierten Höhepunkten.

Die Musik Eggerts folgt minutiös den Kamerawinkeln, verweilt bei den ruhigeren Einstellungen, um dann mit viel Effekt den rasanten Filmkonstellationen zu folgen. Groß orchestriert und interessant instrumentiert schafft Eggert das tönende Geschehen zur filmischen Visualisierung. Also nicht nur der Bildregisseur, der große Hitchcock, verdient Lob für seine „musikalischen Schnitte“, auch der „Bad Boy of New Music“ Eggert für seine exakte, psychologisch ausgeformte und genau abgezirkelte Filmmusik mit ihrer starken Dramatik und ihren instrumentalen Überraschungen.

Mit Gespür für Steigerungen

Hat Herrmann in den „Vögeln“ das Trautonium eingesetzt, so nutzt Eggert öfter ein Cymbalon an bestimmten einprägsamen Stellen, wo man meint, die Uhr tickt. Hohe Piccolos verbreiten einen scharfen, fahlen Klang, der gut zur unheimlichen Atmosphäre passt. In den spannenden Momenten gelingt Eggert eine von Hitchcockwinden umwehte Musik, bei den Verfolgungen mit den alten Automobilen kurze Staccato-Motive - also eine raffinierte Klangkulisse für diesen Kriminalfall, in dem es um einen Erpresser geht, um das Vertuschen der Tat, ein verkapptes Mordgeständnis und ein Ende mit offenem Ausgang.

Wie ging nun die Sinfonietta mit dieser gestischen Musik um, die den Hitchcock-Film als emotionales Psychodrama versteht? Titus Engel, seit dieser Saison neuer Chefdirigent, verantwortete die Uraufführung mit großem Klangsinn und Gespür für spannungsreich ausgeformte Steigerungen. Eggerts Komposition und Engels Interpretation wurden allen Erwartungen der Filmfreunde gerecht.

Das war schon teilweise Gänsehaut-Musik, wenn sie sich in der Mordszene hinter dem Vorhang dramatisch zuspitzt, und es war faszinierend zu hören und zu sehen, wie passgenau die Komposition auf die Szenen eingeht.

Energie des Rhythmischen

Bis zum Schluss hielt die Intensität des Orchesterspiels mit einer starken Energie des Rhythmischen und ungewöhnlichen Klangfarben den Zuschauer in Bann. Leider war die Filmkopie etwas arg mausgrau (im Netz kursieren kontrastreichere Versionen), aber das tat der Spannung keinen Abbruch.

Da war der Hitchcock-Fan also zugleich im Filmmuseum als auch auf der Neuen-Musik-Bühne. Und der Burghof hat sich als Filmtheater mit Live-Musik bewährt.

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