Lörrach Der klassische Stoff aufs Wesentliche reduziert

Jürgen Scharf
Szene aus „La Traviata“ im Burghof mit Britta Glaser (Mitte) in der Titelrolle Foto: Jürgen Scharf

Als intimes Kammerspiel kommt die Verdi-Oper „La Traviata“ auf die Burghofbühne.

Farbige Leuchtstangen, Hocker, ein Tresen mit Gläsern und Flaschen, eine Spiegelwand – vom Bühnenbild her erinnert das Ganze an ein Vergnügungsetablissement, eine Bar oder einen Nachtclub.

Man könnte aber auch etwas Sakrales, Altarähnliches mit Gefäßen darin entdecken, eine Parallele vom mondänen leichten Leben einer Kurtisane hin zum berührenden Abschied und Tod.

Die Aufführung von Giuseppe Verdis „La Traviata“ durch die Compagnia Nuova im Burghof vor überschaubaren Besucherreihen lebt ganz von den Bildern und konzentriert sich auf die Figuren. Es ist Oper ohne Orchester, eine Reduktion auf Stimmen und Klavier, was erst irritiert, weil doch die Nuancen des Orchesters fehlen.

Regisseurin Silvia Aurea De Stefano hat eine gemäßigt-moderne Sicht auf dieses Stück, inszeniert es mit kleiner Besetzung und viel Theaternebel, etwas künstlich in der Wirkung. Das Theatralische muss von den Figuren kommen, und es kommt vor allem von der Hauptdarstellerin der Violetta, der Sopranistin Britta Glaser, die zum Ende des Stücks ihr goldblaues Glitzerkleid fallen lässt und im weißen Unterhemd da steht – das genaue Gegenteil ihrer gesellschaftlichen Stellung als Lebedame: Es ist die Offenbarung ihres wirklichen Lebens.

Berührende Stimme

Das Schlussbild wirft Strahlen ins Publikum, was ein Weggehen in eine andere Welt, einen Abgang aus dem irdischen Leben suggerierte.

Auch vom Stimmlichen her ist Britta Glaser attraktiv, ihre Violetta glaubwürdig, bietet Bravour mit Herz, lässt einen nicht kalt. Ihr Charakterporträt berührt bis ins tragische Finale. Unglaublich, wie man selbst im Liegen so bewegend singen kann. In der Arie „Sempre libera“ glänzen ihre Koloraturen und Spitzentöne mit ihrem Paillettenkleid um die Wette.

Eine reife Dame der Halbwelt ist sie aber nur bedingt, obwohl sie einmal ihren schwarzen Strumpf lasziv auszieht und ihren Liebhaber Alfredo damit umgarnt. Ihre wahre Seele zeigt die Begegnung mit dem Vater ihres Geliebten, der sie zum Verzicht auffordert. Sie empfängt ihn in einem grauen Hausanzug. Wie sie die Musik, die Szenen, die Konflikte erlebt, macht die Figur der Violetta plastisch: die souveräne Studie einer Frau zwischen Liebe und Entsagung.

Kurzfristiger Ersatz

Der kurzfristige Einspringer Kwonsoo Jeon – die Erst- und Zweitbesetzung des Alfredo fielen beide wegen Krankheit aus – konnte sich auch hören lassen. Jeon passt sich der Inszenierung und der Diva an und hat bis auf wenige intonationsmäßige Schwankungen die stimmlichen Qualitäten für die tenorale Attacke. Timon Führ bringt für den sittenstrengen Vater Germont die autoritäre Baritonstimme mit.

Der Klavierauszug lag in Händen von Andrés Juncos, der die musikalische Leitung hat. Sein Klavierspiel ist erstaunlich präsent, teils hart im Anschlag und dramatisch; allerdings wirkt der Klavierklang relativ nüchtern und sachlich, eher wie auf einer Probenbühne mit dem Korrepetitor.

Da die Regisseurin ein Musikdrama auch ohne Orchester formt – im Trinklied „Brindisi“ mit einem Schülerchor im Parkett –, gelingt ihr ein intimes, psychologisch und analytisch durchleuchtetes Kammerspiel mit Gesang. Szenenapplaus nach den bekannten Arien.

Ob auch Puccinis „Tosca“ in diesem reduzierten Rahmen funktioniert, wird man im März kommenden Jahres sehen, wenn die Berliner Compagnia zu ihrem zweiten Gastspiel in den Burghof kommt.

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