Lörrach Die Familie ist der Star

Nina Ricca

„So ein Zirkus“: Blick hinter die Kulissen des Lörracher Weihnachtscircus.

Lörrach - „So ein Zirkus“, denken sich sicherlich einige Familien an Weihnachten ohnehin. Da steht der Begriff Zirkus für Chaos und Durcheinander. Davon ist allerdings hinter den Kulissen des Lörracher Weihnachtscircus nichts zu spüren. Zwei Tage vor dem Galaabend „Salto Sociale“ zu Gunsten unserer Aktion „Leser helfen notleidenden Menschen“ ist Familie Frank bereits mitten in den Vorbereitungen für einen detailliert durchgeplanten Abend.

„Wir sind seit acht Generationen eine Zirkusfamilie“, erzählt Sandra Frank. „Vor 42 Jahren haben meine Schwiegereltern in Emmendingen den Zirkus Montana gegründet, und seit 20 Jahren machen wir zusätzlich den Weihnachtscircus.“

Ebenso wie ihr Mann Manuel Frank kommt sie selbst aus einer Zirkusfamilie im Osten Deutschlands, und bis zum Alter von 35 Jahren schwebte sie am Trapez durch die Lüfte. Inzwischen treten ihre Töchter Shannon und Charline mit Hochseilakt und Tuchakrobatik auf, jeweils mit Showeinlagen, die sie samt Musik und Kostüm selbst entworfen haben, angelernt von ihrer Mutter.

Wöchentlich Kontrollen des Veterinäramts

Jedes Jahr wird ein neues Programm aufgestellt, dabei dauert es zwei bis drei Jahre, bis eine Darbietung auftrittsreif ist. Allein für den Weihnachtscircus, der am Samstag, 22. Dezember, Premiere feiert, sind zwölf Nummern geplant, davon zwei von Familie Frank selbst, die anderen zehn wurden mit sorgfältiger Planung dazugebucht.

„Unsere Familie allein besteht aus etwa 25 Personen, und wir haben einen sehr guten Familienzusammenhalt“, erklärt Frank. Der Zirkus Montana hat keine Tiere, sondern bucht für den Weihnachtszirkus Artisten zu seinen eigenen Auftritten dazu. So kommt Familie Berusek, eine tschechische Zirkusfamilie mit ihren Tigern dazu, und eine weitere Gruppe Artisten bringt Pferde, Kamele und Esel mit.

„Kein Unternehmen mit Tierhaltung wird so gründlich geprüft wie ein Zirkus“, meint Frank zu der Frage nach artgerechter Tierhaltung. „Wir haben wöchentlich Kontrollen des Veterinäramts für Auslauf, Futter, Pflege, sobald die Tiere angereist sind, und das ist völlig in Ordnung.“ Von einem lokalen Landwirt wird ein Rollballen Heu pro Tag geholt, und der Mist darf dort auch wieder abgeliefert werden.

„Wir fühlen uns hier im Badischen sehr wohl“, sagt Manuel Frank lächelnd. In der Welt der Schausteller gibt es nicht wirklich einen festen Wohnort. Jedes der Familienmitglieder ist in einer anderen Stadt geboren, der Winterstandort ist in Wehr, und die Familie zieht mit 16 Plan- und Wohnwägen 365 Tage im Jahr durch Deutschland.

„Aber wir freuen uns jedes Jahr auf Lörrach, wir haben Freunde hier, die Bereichslehrerin unseres Sohnes Gerhard ist hier, die seinen Lernstand kontrolliert. Es ist schon ganz besonders hierher zu kommen.“

Familie Frank kennt nicht nur ganz Deutschland sehr gut, über das Schaustellernetzwerk wissen sie auch genau, wen sie Jahr für Jahr einladen, mit ihnen aufzutreten. Mit Familie Berusek sind sie außerdem über ein paar Ecken verwandt. Das Netzwerk ist über die Generationen entstanden. Ob bei Zirkustreffen oder dem Zirkusfestival in Monte Carlo, viele der Familien kennen sich untereinander.

Zirkus eine Berufung - nicht nur ein Beruf

Das ist wichtig für die Betreiber des Weihnachtscircus, die jedes Jahr neue Darbietungen im Programm haben und sehr viel Wert auf gute Qualität legen. „Für uns ist Zirkus kein Beruf, eher eine Berufung oder eine Herzenshaltung. Es ist unsere Welt, und gute Qualität ist Ehrensache“, fasst Manuel Frank seinen Alltag zusammen.

Alles gehört dazu, Aufbau, sorgfältige Dekoration, stundenlanges Proben und gründlicher Abbau. Jeder packt mit an und ist für alles zuständig. Im Vorfeld werden alle Kostüme selbst entworfen, handgenäht und mit unzähligen Pailletten bestückt. Für dieses Jahr sind es insgesamt 14 Stück. „Bei uns näht eigentlich jeder sein Kostüm selbst“, erklärt Mutter Frank mit Blick auf ihre Tochter Charline, die gerade noch geduldig an den letzten Nähten sitzt. „Nur für die Ballettshow habe ich mit Hand angelegt.“

Es ist spürbar, dass in dieser Familie alle diese Zeitabläufe und Handgriffe schon unzählige Male abgelaufen sind. Egal, ob die zehn Helfer, die drei Tage lang das Hauptzelt aufbauen, und dann weitere zwei Tage am Foyerzelt werken, oder die wochenlange Suche nach dem richtigen Musikstück für eine neue Darbietung.

Alles hat seinen Platz und in der aufgeräumten Wohnküche ihres warmen, behaglichen Wohnwagens sieht es nicht nach einem Zirkus aus, sondern einfach nach einem Zuhause. „Wir lieben unser Leben. Natürlich gibt es Nachteile, im Winter frieren die Wasserleitungen ein, im Sommer ist es richtig heiß im Zelt. Aber ich möchte nicht in einem Haus schlafen, in dem ich nicht den Regen aufs Dach trommeln höre“, sagt Sandra Frank bestimmt.

Die Familie feiert allerdings erst Heiligabend, wenn die Vorführung vorbei und aufgeräumt ist. Denn bei der Zirkusfamilie ist Weihnachten ein großes Familienfest. „Wir verbringen das ganze Jahr zusammen, und wir feiern gerne Weihnachten zusammen. Aber es ist völlig ungezwungen, wer nicht will, kann auch in seinem Wohnwagen im engen Kreis feiern.“ Fast wie in unserer Welt. Aber eben nur fast.

  • Lörracher Weihnachtscircus: 22. Dezember bis 7. Januar auf dem Festplatz bei der Messe Haagen. Vorverkauf: Tel. 0163/4550424, an der Circus-Kasse täglich von 11 bis 12 Uhr sowie eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Tickets auch in den Geschäftsstellen unserer Zeitung und unter www.reservix.de.

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