^ Lörrach: Zukunftsweisende Erfolge und Ziele - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach Zukunftsweisende Erfolge und Ziele

Hubert Bernnat

Lörracher OberbürgermeisterSerie –  Teil 6:  1995: Gudrun Heute-Bluhm – eine Frau setzt sich durch  

Von Hubert Bernnat

Lörrach - Nach dem überraschenden Rücktritt von Rainer Offergeld mitten in seiner zweiten Amtsperiode musste im Frühjahr 1995 ein neues Stadtoberhaupt gewählt werden. Wie 1983 war die Lage völlig offen.- Denn die Popularität Offergelds war nicht auf seine Partei, die SPD, zu übertragen.

Bei allen drei Gemeinderatswahlen in der Amtszeit Offergelds hatte die SPD kontinuierlich an Stimmen verloren und war von 1980 noch 30,2 Prozent auf 1994 nur noch 26,4 Prozent abgesunken. Auch die Bundestagswahl im Oktober 1994 hatte der SPD trotz leichter Gewinne keinen wirklichen Rückenwind verleihen können.

Die CDU war zwar stärkste Partei in Lörrach, musste allerdings bei den beiden Wahlen 1994 leichte Verluste hinnehmen und verfügte mit 14 von 43 Mandaten im Lörracher Gemeinderat als größte Fraktion nur über ein knappes Drittel.

Zwei aussichtsreiche Kandidaten

40 Prozent der Sitze im Lörracher Gemeinderat wurden von den Freien Wählern (8), den Grünen (6), der FDP (2) und der zum ersten Mal kandidierenden Neuen Perspektive (1) gestellt. Das Potenzial dieser Stimme war also für eine Mehrheit ausschlaggebend, da keine der beiden großen Parteien von sich aus über diese verfügte.

Die SPD schickte den 44-jährigen finanzpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Dr. Dieter Puchta ins Rennen. Zwar in Sulzburg geboren, hatte er dennoch bisher keinen direkten Bezug zu Lörrach, sondern lebte in Jestetten, wo er auch Gemeinderat war. Seit 1992 war er zudem Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung.

Der CDU gelang es, mit der 38-jährigen Juristin Gudrun Heute-Bluhm zum ersten Mal in der Lörracher Geschichte eine Frau für die Kandidatur zu gewinnen. Sie war zwar in Herne geboren, lebte aber seit 1981 in Freiburg und war zuletzt Stellvertreterin des Landrats beim Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, wo sie die Dezernate Bau und Umwelt leitete.

Die Grünen waren mit jeweils über zehn Prozent der Stimmen die eigentlichen Gewinner der beiden Wahlen 1994. Dermaßen gestärkt stellten sie mit Dieter Salomon einen eigenen Kandidaten auf. Seit der Gründung der Partei 1980 gehörte der 34-Jährige ihr an, seit 1992 saß er für sie im Landtag. Er war damit der jüngste der drei aussichtsreichen Bewerber. Und es passte in die Zeit, dass der dritte Bewerber nicht von der FDP, sondern von den Grünen gestellt wurde.

Ein Zeichen der Zeit war es auch, dass sich insgesamt 14 Personen auf den Stimmzettel hatten setzen lassen, darunter zwei weitere Frauen und der unvermeidliche 64-jährige Helmut Palmer. Er hatte bei fast 300 Bürgermeisterwahlen kandidiert, doch die Lörracher Kandidatur sollte seine letzte sein. Insgesamt verlief der Wahlkampf zwischen den drei Hauptkandidaten fair.

Knappste Entscheidung aller OB-Wahlen

Die Freien Wähler hatten in Anbetracht der „Qualität beider Spitzenkandidaten“ keine Wahlempfehlung ausgesprochen. Doch der erste Wahlgang am 19. März 1995 brachte keine Entscheidung. Heute-Bluhm führte mit 42,7 Prozent vor Puchta mit 39,4 Prozent und Salomon mit 12,0 Prozent.

Die übrigen elf Kandidaten erhielten zusammen nur 5,9 Prozent der Stimmen und hatten somit keinerlei Einfluss auf das Ergebnis. Bemerkenswert ist, dass im Jahrbuch der Stadt von einer Wahlbeteiligung von „nur“ 53 Prozent bei allerdings „trostlosem Regenwetter“ geschrieben wird. Nur drei Tage danach kündigte Salomon seinen Verzicht auf den zweiten Wahlgang an, obwohl er mit zwölf Prozent ein respektables Ergebnis erzielt hatte.

Anders als 1983 für Offergeld gaben Salomon und die Grünen keine Wahlempfehlung für den zweiten Wahlgang ab. Somit blieb es spannend, und tatsächlich brachte er die knappste Entscheidung bei einer Lörracher Oberbürgermeisterwahl. Mit nur 129 Stimmen und 0,7 Prozent Vorsprung gelang es Gudrun Heute-Bluhm, Dieter Puchta zu schlagen. Bei besserem Wetter war die Beteiligung immerhin auf 56,3 Prozent gestiegen.

Puchta konnte nicht in dem Maße, wie von der SPD erhofft, vom Verzicht des Grünen-Kandidaten Dieter Salomon nach dem ersten Wahlgang profitieren. Er ärgerte sich über die ausgebliebene Unterstützung durch die Grünen. Doch offensichtlich hatten viele Salomon-Wähler, aber auch andere, es an der Zeit gefunden, einer Frau dieses wichtige Amt anzuvertrauen, zumal einer Frau, die offen, kompetent und modern aufgetreten war. Gudrun Heute-Bluhm war damit die erste Frau auf dem Lörracher Chefsessel und in Baden-Württemberg überhaupt erst die zweite Oberbürgermeisterin.

Zwei Wiederwahlen im Jahr 2003 sowie 2011

2003 musste sie sich der Wiederwahl stellen. Innerhalb der SPD war es sehr umstrittenen gewesen, keine Gegenkandidatur aufzubieten. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass Heute-Bluhm 2002 in Freiburg kandidiert hatte, süffisanter Weise ausgerechnet gegen Dieter Salomon. Sie unterlag ihm dort klar, aber alleine die Kandidatur galt vielen als „Verrat an Lörrach“.

Auch Grüne und FDP hatten auf eine Gegenkandidatur verzichtet. Gudrun Heute-Bluhm wurde zwar mit 60,3 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, doch nur noch 34,1 Prozent hatten an der Wahl teilgenommen. Als Gegenkandidat war unter anderem der Paradiesvogel der PDS, der Partei des Demokratischen Sozialismus, Dieter Dehm, angetreten. Er hatte früher der SPD angehört, mit der er vergeblich den Schulterschluss suchte. Sein Wahlkampf war äußerst aktiv. Auf ihn fielen 17,6 Prozent der Stimmen, auf den Lörracher Architekten Karlheinz Messmer 14,9 Prozent.

Mit 32,5 Prozent sprachen beide zusammen durchaus ein Protestpotenzial an, das sich weniger aus Heute-Bluhms Arbeit in Lörrach als aus ihrem „Wahlausflug“ nach Freiburg speiste.

Die Wiederwahl 2011, unterstützt von einer Wählerinitiative, der neben CDU, Freien Wählern auch Mitglieder der SPD wie der Autor dieser Serie angehörten, war klar und hat allenfalls statistischen Wert. Aufgrund der gleichzeitigen Landtagswahl war die Wahlbeteiligung für eine OB-Wiederwahl mit 53,3 Prozent recht hoch.

Für die Amtsinhaberin stimmten 73,5 Prozent, die beiden Mitbewerber Klaus Nack mit 18,7 Prozent und Klaus Springer mit 7,4 Prozent konnten ein Wählerpotenzial aktivieren, das unzufrieden damit war, dass vor allem SPD und Grüne keinen Gegenkandidaten aufgestellt hatten. Andererseits hatten beide Fraktionen im Gemeinderat in vielen Bereichen mit Gudrun Heute-Bluhm konstruktiv zusammengearbeitet.

Die Bilanz ihrer Arbeit

Gudrun Heute-Bluhm hat zukunftsweisende Erfolge und Ziele in den Bereichen Kultur, Bildung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufzuweisen. Es gelang der weitere Ausbau der Innenstadt mit markanten Plätzen; Burghof, Stimmen-Festival und Dreiländermuseum erlangten überregionale Ausstrahlung. Kinderbetreuung, Schulentwicklung und Klimaschutz erhielten einen hohen Stellenwert.

Die zwei Gymnasien und die Realschule wurden zum Campus Rosenfels verbunden, die Neumattschule erhielt als erste einen ganztägigen Betrieb.

Mit dem Jugendzentrum Altes Wasserwerk, dem Umbau des Alten Rathauses für die Volkshochschule, dem Innocel im alten Handdruckgebäude der KBC und dem Schülerforschungszentrum Phaenovum entstanden wegweisende Projekte. Demografischer Wandel und Leben im Dreiländereck wurden wichtige Themen. Auch wenn wichtige Gewerbebetriebe wie Schöpflin und Gaba verloren gingen und KBC sich verkleinerte, stieg die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor.

Vor allem die Entwicklung des nördlichen Teils des KBC-Areals zum Innovations-Quartier und des Geländes der ehemaligen Maschinenfabrik Kern zum Meeraner Markt waren wichtige Meilensteine der Stadtentwicklung. Für die wieder steigende Bevölkerungszahl wurden Stetten-Süd erweitert und der Niederfeldplatz bebaut.

Die Reihe der Partnerstädte wurde um Chester ergänzt. Durch eine Verwaltungsreform setzte sie Akzente und bildete viele Jahre mit Marion Dammann als Bürgermeisterin eine „Frauen-Doppelspitze“. Im Gemeinderat hatte sie oft die Unterstützung aller Fraktionen. 2014 übernahm sie mitten in der dritten Amtszeit die Geschäftsführung des Städtetags Baden-Württemberg und wurde als Ehrenbürgerin verabschiedet.

Ihr Porträt für die Bürgermeistergalerie ist von dem in Berlin lebenden Maler Constantin Schroeder geschaffen worden. Das Bild zeigt sie bewusst mit der in ihrer Amtszeit 2007 neu kreierten Amtskette mit den Wappen Lörrachs und der früher selbstständigen Ortsteile.

Als wegen ihres Ausscheidens 2014 neu gewählt werden musste, gingen trotz dreier aussichtsreicher Kandidaten aus unterschiedlichen politischen Lagern mit Jörg Lutz (SPD), Uli Lusche (CDU) und Michael Wilke (Grüne) nur gerade ein Drittel der Berechtigten wählen. Das sollte sich am 3. Juli dieses Jahres, wenn wieder Oberbürgermeisterwahlen sind, deutlich ändern, hoffen auch die politischen Akteure.

Die Teile unserer Serie

  • Teil 1: Die Stellung des Stadtoberhaupts in der Gemeindeordnung
  • Teil 2: 1957: Arend Braye als
  • erster direkt gewählter Oberbürgermeister
  • Teil 3: 1960: Egon Hugenschmidt als klarer Sieger
  • Teil 4: 1975: Knappe Entscheidung nach den Eingemeindungen
  • Teil 5: 1983: Rainer Offergeld – vom Minister zum Stadtoberhaupt
  • Teil 6: 1995: Gudrun Heute-Bluhm – eine Frau setzt

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