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Lörrach Die Kraft der Frauen feiern

Gabriele Hauger
Steffi Lais-Maier Foto: zVg

Steffi Lais-Maier ist Sängerin und arbeitet bei der Frauenberatungsstelle. Wir unterhielten uns mit ihr.

Am 8. März ist Weltfrauentag. Bundesweit finden Aktionen statt – auch in Lörrach. Welche Bedeutung so ein Gedenktag hat, wollten wir von Steffi Lais-Maier wissen.

Weltfrauentag: noch so ein Gedenktag, könnte man meinen. Warum ist dieser Tag für Sie und alle Frauen dennoch wichtig?

Beim Weltfrauentag handelt es sich nicht um einen Gedenktag wie beispielsweise dem Holocaust-Gedenktag. Es ist ein feministischer Kampftag, an dem es genau darum geht, Rechte, die Frauen ganz natürlich und selbstverständlich zustehen sollten, einzufordern, denn die Realität sieht auch in Deutschland anders aus. Für mich ist der Tag ein besonderes Datum im Kalender, weil Frauenrechte Menschenrechte sind und sie nach wie vor noch immer nicht in der Art und Weise geachtet werden, wie es wünschenswert wäre.

Wie stark ist der Tag hier vor Ort im Bewusstsein verankert?

Ich würde vermuten, dass das sehr stark variiert und verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Erfahrungsgemäß hängt das auch stark davon ab, wie darüber berichtet wird, welche Aktionen es lokal vor Ort gibt und wie diese beworben werden. Deshalb freut es mich besonders, dass sich in diesem Jahr verschiedenste Institutionen im Landkreis Lörrach mit Aktionen zum Weltfrauentag beteiligen und damit ein gemeinsames Bewusstsein zum Ausdruck bringen.

In Lörrach finden einige Aktionen statt. Unter anderem gibt es am 10. März ein Benefizkonzert von Ihnen und Ihrer Band in der Alten Halle Haagen. Haben Sie sich dafür ein spezielles Programm zusammengestellt?

Das hätte ich gerne getan. Leider waren wir alle im vergangenen Vierteljahr stark von grippalen Infekten gebeutelt, so dass ich froh bin, überhaupt auftreten zu können. Auch so wäre ein komplettes Programm ambitioniert gewesen. Allerdings erfolgt die Songauswahl bei den Benefizkonzerten zum Weltfrauentag (noch) bewusster als ohnehin schon. Zudem haben wir als speziellen Programmpunkt die Catcalls of Lörrach eingeladen, eine Gruppe junger engagierter Menschen, die sich aktiv gegen sexuelle Belästigung einsetzen. Wir hoffen, damit am 10. März auch jüngeres Publikum anzusprechen.

Was würden Sie sich an Aktionen oder Angeboten in Stadt und Landkreis über den Weltfrauentag hinaus wünschen?

Ich würde mir grundsätzlich mehr Veranstaltungen zu feministischen Themen wünschen, wie es beispielsweise mit dem Feministischen Salon in Basel gemacht wird. Und dass es solche Aktionen nicht nur zum Weltfrauentag gibt, sondern ganzjährig. Ich denke, das würde nachhaltiger zur Verankerung eines feministischen Bewusstseins und eines Gleichberechtigungsgedanken beitragen. Bedeutsam ist auch, solche Aktionstage immer zu öffnen für Menschen jeden Geschlechts, da Postfeminismus nicht ohne alle anderen Geschlechter zu denken ist.

Sie arbeiten in der Frauenberatungsstelle Lörrach, lernen Nöte und Probleme von Frauen kennen. Was macht das mit Ihnen?

Ich bin als Präventionsfachkraft nicht so hautnah konfrontiert wie meine Kolleginnen in der Beratung. Aber wo Fachberaterinnen tagtäglich mit diesen belastenden Gewalt-Themen in Berührung kommen, sind sowohl eine gute kollegiale Beratung als auch regelmäßige fachliche Supervision unverzichtbar. Es ist sicher sehr viel schwerer, am Ende eines Arbeitstages abzuschalten als in anderen Berufsfeldern. Mich macht es mitunter wütend, dass in unserer Gesellschaft geschlechtsspezifische Gewalt noch immer verharmlosend dargestellt und Betroffenen eine Mitschuld an erlittenen Übergriffen zugeschrieben wird, auch bekannt unter dem Begriff Victim Blaming.

Können Sie etwas bewirken?

Ich erlebe es als sehr erfüllend, dass ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zum Kinderschutz, zur Stärkung von Mädchen und Frauen und zur Reflexion von toxischen Rollenbildern beitragen kann. Dass ich in verschiedenen Kontexten ermutigen, aufklären und für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren kann. Die Rückmeldungen von Kindern, Bezugs- und Fachpersonen nach Präventionsprojekten und Fortbildungen zeigen, dass wir etwas bewirken. Es erfüllt mich außerdem, Teil eines Teams zu sein, in dem von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen ein Stück auf ihrem – häufig schwierigen – Weg zu einem selbstbestimmten, gewaltfreien Leben unterstützt und begleitet werden. Aber auch auf sozial- und kommunalpolitischer Ebene können wir etwas bewirken, unter anderem durch die Vernetzung mit anderen Beratungsstellen und die aktive Beteiligung in Verbänden und Arbeitsgemeinschaften.

Wie sehr haben sich nach Ihrer Erfahrung die Probleme von Mädchen und Frauen gewandelt? Oder sind es doch immer die gleichen Nöte?

Die modernen Technologien wie Smartphones und Smart-Home-Geräte haben Nöte durchaus verschärft. Mädchen und Frauen erleben Beurteilung und Abwertung mittels digitaler Medien. Darüber hinaus bergen die neuen Technologien Gefahren wie Cybergrooming, Erpressung mit Nacktbildern oder Stalking. Die Themen in der Beratung sind nicht zwingend anders, aber es gibt neben der analogen Ebene noch eine digitale Ebene, auf der Gewalt ausgeübt werden kann. Eine Umfrage von Plan International aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass in Deutschland 70 Prozent der befragten Mädchen und jungen Frauen Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierungen in den sozialen Medien erlebten. Diese Zahl ist erschreckend und führt dazu, dass Mädchen und Frauen aus den sozialen Medien verdrängt werden.

Was glauben Sie: Werden Frauen hierzulande immer für Ihre Rechte kämpfen müssen?

Das hoffe ich nicht. Ich möchte gerne zuversichtlich bleiben, dass sich mehr Geschlechtergerechtigkeit hierzulande etablieren wird. Wenn wir auf die Geschichte der Frauenrechte zurückschauen, hat sich ja bisher auch schon einiges getan, auch wenn es weiterhin viel zu tun gibt. Ich denke was nicht aufhören wird, auch wenn Frauen nicht mehr für ihre Rechte kämpfen müssen, ist eine Sensibilität dafür. Die sollte immer bestehen bleiben.

Und was ist mit den Männern?

Definitiv braucht es für Geschlechtergerechtigkeit immer alle Geschlechter, die sich für dasselbe Ziel engagieren. Es braucht mutige Menschen, die alternative Wege einschlagen zu denen, die bereits sehr verankert sind. So ist das auch bei der Aufteilung von Care-Arbeit und Erziehungszeiten. Ich bin der Meinung, dass es heute mehr junge Familienväter gibt, die ein anderes Bewusstsein haben als vielleicht noch einige Generationen zuvor. Aber auch diesen jungen Männern wird es nicht einfach gemacht seitens des Systems. Es ist immer noch untypisch, dass Väter die gesamte Elternzeit nehmen und nicht nur die üblichen zwei Monate, sondern dass stattdessen Frauen nach der Geburt eines Kindes ihre beruflichen Karrieren erst einmal pausieren und gegebenenfalls ihre Positionen gefährden. Väter könnten dem mehr entgegenwirken, indem sie beispielsweise die gesamte Elternzeit übernehmen.

Fühlen Sie sich selbst gleichberechtigt?

Ja und nein. In vielen Lebenslagen fühle ich mich gleichberechtigt, aber nicht überall. Ich würde mich eher als privilegierte Frau bezeichnen und war oder bin dennoch von geschlechtsspezifischen Benachteiligungen betroffen. Die Mehrzahl der Frauen und Mädchen weltweit ist nicht privilegiert, sondern von Mehrfachbenachteiligungen oder verschiedenen Formen der Unterdrückung betroffen. Deshalb brauchen wir einen intersektionalen Feminismus, egal ob ich mich persönlich gleichberechtigt fühle oder nicht.

Ist der 8. März ein guter Tag?

Er ist beides. Ich möchte am 8. März ganz ausdrücklich die Kraft von Frauen und Mädchen weltweit feiern und wertschätzen. Gleichzeitig gehört für mich zum Weltfrauentag, das Thema Geschlechterungerechtigkeit ins Bewusstsein zu rücken, Forderungen zu benennen und Systemkritik zu äußern.

 

Das Gespräch führte Gabriele Hauger

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