Lörrach Die Revolution wird unterschiedlich gefeiert

Regine Ounas-Kräusel
Beim Museumsgespräch diskutierten (von links) der Lörracher Historiker Markus Moehring, der Basler Kulturwissenschaftler Dominik Wunderlin und Museumsleiter Jan Merk über die Revolution 1848/49 aus trinationaler Sicht. Foto: Regine Ounas-Kräusel

Geschichtsinteressierte aus dem Dreiländereck sind zum ersten Museumsgespräch ins Lörracher Museum gekommen. Das Thema war die Revolution 1848/49 aus trinationaler Sicht“.

Die Revolution 1848/49 aus trinationaler Sicht wurde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Mit dem Format will das Dreiländermuseum die Inhalte der aktuellen Ausstellung „Ruf nach Freiheit“ über das Revolutionsgeschehen 1848/49 in Frankreich, Deutschland und der Schweiz vertiefen und den Gedankenaustausch fördern. Nach Impulsvortrag und Expertenpodium ist daher auch Zeit für eine Publikumsdiskussion.

Bei der 1848er-Revolution handele es sich um die einzige europaweite Revolutionsbewegung, sagte Museumsleiter Jan Merk. Daher sei sie auch für das moderne Europa und seine Werte wichtig. Die 1848er-Revolution ist laut Merk der letzte Abschied vom Mittelalter mit seinen Adelsprivilegien und der Eintritt in eine Welt mit allgemeinen Rechten gewesen. Leider sei diese Entwicklung nur durch Aufstände und Kriege möglich geworden.

Der Historiker und frühere Museumsleiter Markus Moehring stellte dar, wie unterschiedlich Frankreich, Schweiz und Deutschland das 175-jährige Revolutionsjubiläum feierten. Frankreich habe nicht die Märzaufstände gefeiert, denen Hungeraufstände vorausgegangen seien, und in deren Folge die II. Republik ausgerufen wurde. Vielmehr habe Präsident Macron, der sich um ein besseres Verhältnis zu den früheren Kolonien bemühe, Toussaint Louverture gefeiert. Der Haitianer habe mit einem Aufstand die Abschaffung der Sklaverei bewirkt und sich dabei auf die Ideale der französischen Revolution von 1789 berufen, die Frankreich bis heute am 14. Juli feiert.

Die Eidgenossen

In der Schweiz wurde 2023 am Dachgiebel des Bundeshauses, des Parlamentssitzes, ein Mosaik mit 246 Teilen eingeweiht, das die 246 Vertreter von Einwohnern und Kantonen in National- und Ständerat repräsentiert. Das Jahr 1848 und nicht der Rütlischwur, den die Schweiz am 1. August feiert, sei die Geburtsstunde der modernen Schweiz gewesen. 1848 habe sich der damalige Staatenbund der Kantone eine gemeinsame Verfassung gegeben, allerdings erst nach dem Sonderbundkrieg zwischen konservativen und liberalen Kantonen.

In der Bundesrepublik

Deutschland feierte im Mai 2023 die Nationalversammlung in der Pauskirche. In Deutschland seien die Revolutionäre zunächst den gesetzlichen Weg gegangen, erklärte Moehring. Ihren Forderung nach Wahlen gaben die Fürsten und Könige nach, weil sie blutige Aufstände wie in Frankreich fürchteten. Die Nationalversammlung arbeitete eine Verfassung aus. Gustav Struve rief in Lörrach die Republik aus. Doch Struve und Hecker führten auch Aufstände an. In Deutschland wurde die Revolution im Jahr 1848 bekanntlich niedergeschlagen.

Punkte diskutiert

In die Diskussion mit Moehring, Merk und dem Basler Kulturwissenschaftler Dominik Wunderlin mischten sich auch Zuhörer kritisch ein. Dabei ging es auch um eine sinnvolle Erinnerungskultur. Struve und Hecker hätten sich aus dem parlamentarischen Prozess in der Paulskirche ausgeklinkt und Aufstände angeführt, sagte ein Zuhörer. Wolle man das etwa als Vorbild nehmen und den Sturm auf das Kapitol in Washington oder womöglich auf den Bundestag befürworten? Ein Schweizer Historiker aus dem Publikum sagte, beim Schweizer Gründungsmythos, dem Rütlischwur, sei es gegen die Vorherrschaft der Habsburger gegangen. Aber die Maxime von damals, sich keinem fremden Recht mehr zu unterwerfen, würden heute rechte Kräfte als Argument gegen die EU nutzen. Dominik Wunderlin bestätigte, dass die Unterzeichnung der Schweizer Bundesverfassung am 12. September durchaus mehr gefeiert werden könnte.

Auf Jan Merks Frage, wie man die Demokratie gegen rechte Kräfte in ganz Europa stärken könne, meinte Lars Frick, Fachbereichsleiter Kultur im Rathaus: „Indem man die Demokratie feiert.“

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