Lörrach „Die Roten Listen werden länger“

Markus Greiß
Das an der Wiese direkt an der Landesgrenze gelegene Hochhaus der Wohnbau Lörrach gilt als ein gutes Beispiel für eine gelungene Innenentwicklung. Foto: Markus Greiß

Interview:
Mehrere Umweltschutz- und Landwirtschaftsverbände haben den Volksantrag „Ländle leben lassen – Flächenfraß stoppen“ ins Leben gerufen.

Diese Ziele haben die baden-württembergischen Grünen und die CDU im Jahr 2021 in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Dabei geht es primär darum, den Flächenverbrauch auf zunächst 2,5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto-Null zu begrenzen. Unsere Zeitung sprach darüber mit Kai Hitzfeld und Manfred Schemmelmann von den Umweltverbänden BUND und Nabu, die den Volksantrag mitinitiiert haben.

Welche Fortschritte gibt es seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrags vor zwei Jahren?

Hitzfeld: Von Seiten der Landesregierung wurde nicht viel umgesetzt, da hatten wir uns viel mehr erhofft. Aber auf juristischem Weg haben wir einen wichtigen Erfolg errungen, hat doch das Bundesverwaltungsgericht der Klage des BUND gegen den Paragrafen 13 b Baugesetzbuch stattgegeben. Der Paragraf hatte die Ausweisung von Baugebieten ohne Umweltprüfung und ohne ökologische Ausgleichsflächen in einem beschleunigten Verfahren ermöglicht. Die auf dieser Grundlage erteilten Projektgenehmigungen sind nun gekippt, wenn sie nicht älter als ein Jahr sind.

Wieso ist der Flächenverbrauch überhaupt ein Problem?

Hitzfeld: Wir Umweltschützer der ersten Stunde haben schon vor Jahrzehnten erkannt, wo die Probleme liegen und wie gegengesteuert werden kann. Trotzdem passiert nichts, die Biodiversität nimmt ab und die Roten Listen der bedrohten Tier- und Pflanzenarten werden immer länger.

Schemmelmann: Im Landkreis lässt sich beobachten, wie Gemeinden um Gewerbeansiedlungen konkurrieren. Dagegen wenden sich unter anderem die Landwirte, weil fruchtbare Böden zur Lebensmittelerzeugung verschwinden. Trotzdem werden immer wieder neue Flächen ausgewiesen, was einfach ist. Zielführender, aber viel schwieriger ist es, bereits bebaute Flächen zu nutzen.

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, weshalb die Bundesregierung den Wohnungsbau massiv vorantreiben möchte. Wie kann gleichzeitig der Flächenfraß in Bund und Land eingeschränkt werden?

Schemmelmann: Indem stärker auf die sogenannte Innenentwicklung gesetzt wird, also die Nutzung von Grundstücken in bebauten Gebieten und eine Nachverdichtung auf vorhandenen Grundstücken.

Hitzfeld: Außerdem stellt sich die Frage, wie viel Zuwachs wir tatsächlich brauchen. Es bestehen Zweifel an den Prognosen. Denn es gibt viele ältere Einzelpersonen oder Paare, die in Häusern oder großen Wohnungen leben. Die Immobilien werden in nicht allzu ferner Zukunft frei und erhöhen das Angebot. Dieser Umstand ist in den Vorhersagen nicht erfasst.

Und wie sieht die Situation auf kommunaler Ebene in Lörrach aus?

Hitzfeld: Auch in Lörrach wurden große Flächen für neue Baugebiete ausgewiesen, etwa auf dem Bühl oder dem Salzert. Doch es gibt auch gute Ansätze – so etwa das sehr positive Verdichtungsprojekt „Neue Mitte Nordstadt“ …

Schemmelmann: … oder die Nachverdichtung am Hünerberg sowie das grenznahe Wohnbau-Hochhaus an der Dammstraße.

Und welche Beispiele fallen Ihnen im Landkreis ein?

Hitzfeld: Hier lässt sich eine Fehlentwicklung an einem Beispiel aufzeigen. In Maulburg war es möglich, Gewerbeflächen auszuweisen und zur Kompensation Bannwälder in Todtnau als Ausgleichsflächen anzugeben. Den betroffenen Arten ist damit nicht gedient. Wenn ein solches Vorgehen funktioniert, braucht man sich über immer länger werdende Rote Listen nicht zu wundern.

Die Gesprächspartner

Manfred Schemmelmann: Der Biologe ist beim Nabu Kreis Lörrach für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Kai Hitzfeld: Der auf Hydrologie spezialisierte Geograf ist Vorstandsmitglied des BUND-Regionalverbands und Sprecher des AK Lörrach im Landesnaturschutzverband.

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