Lörrach Die Zeichen der Zeit

Beatrice Ehrlich
 Foto: Beatrice Ehrlich

Kabarett: Mit „Neustart“ trifft Florian Schroeder den Ton im Burghof Lörrach

Lörrach - Ein Land im Krisenmodus? Kein Problem für einen Profi auf der Kabarettbühne wie Florian Schroeder. Gemäß der Devise: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, zieht der Kabarettist mit Wurzeln in Lörrach sein neues Programm jetzt in abgespeckter Form durch, notfalls auch zweimal hintereinander wie am Donnerstag im Burghof Lörrach.

Ein Land im Krisenmodus bringt jede Menge Anschauungsmaterial mit für einen Gesellschaftskritiker von Beruf. Keck und sprachgewandt wie eh und je stellt Schroeder entlarvende Verbindungen her zwischen viel zitierten Schlüsselbegriffen: So etwa der Infektion mit dem Corona-Virus auf der einen, der drohenden „Infektion“ mit Meinungen auf der anderen Seite, und, eine Stufe böser noch, von Blockwartmentalität als der unguten Kehrseite von Achtsamkeit. Ein herrliches Bild: Den gebotenen Abstand erkämpft sich Schroeder mit einem mit Reißzwecken besetzten, 1,50 Meter langen Stock.

Von den lebensbedrohlichen geht es nahtlos über zu den, na ja, eher gefühlten Leiden seiner von Arbeit und Familie gebeutelten Zeitgenossen: Lustvoll redet sich der Kabarettist in Rage beim Gedanken an die Zahl der Menschen um ihn herum, die sich neuerdings mit psychischen Diagnosen schmücken. Ein bisschen Burnout hier, ein bisschen Borderline da – was soll´s, wenn damit der Freibrief einhergeht zur Optimierung des Ichs unter den Augen eines qualifizierten Therapeuten?

Neustart für Staat und Ego

Wie ein Neustart nicht nur für das Ego, sondern für den ganzen, gern so viel geschmähten Staat aussehen kann, führt der Kabarettist in einem späteren Programmstück vor Augen, einem eindrucksvollen Lehrstück in Sachen Demokratie. Sein imaginierter Durchmarsch als Kanzlerkandidat mit dem Slogan „Neue Demokratie wagen“, die Machtergreifung auf legalem Wege ist in ihrer bewusst ausgespielten Zweideutigkeit meisterlich: Zuerst erntet er auch beim Kabarett-Publikum wohlmeinenden – wenn auch hier und da eher zögerlichen – Beifall für seine dem Zeitgeist gemäßen Ziele: eine höhere Besteuerung der Reichen, Reduzierung der Abgeordneten, Grundeinkommen und Solarplatten aufs Dach für alle, weniger Fleisch. Wer wollte da etwas dagegen haben? Mit viel Rückenwind zieht seine Partei mit Namen Neustart in den Bundestag ein. Mit absoluter Mehrheit verändert sie erst das Verfassungsgericht, und setzt dann das Grundgesetz außer Kraft.

Nach und nach wird deutlich, wohin die Reise dieses politischen Irrlichts mit kabarettistischem Hintergrund geht: zur (Selbst-)ernennung als Volkskanzler auf Lebenszeit und der Wiedereinführung der Todesstrafe. Erschreckend deutlich führt Schroeder – sich auf eine Idee des Autoren Maximilian Steinbeis berufend – die Verletzlichkeit der Demokratie auch hier und heute vor Augen. In seiner Rolle als Fürsprecher der Freiheit und Mahner vor verlockend einfachen Antworten macht Schroeder – staatstragend in Anzug und Krawatte – eine blendende Figur. Aus seiner Haltung spricht aber auch großer Respekt gegenüber dem echten politischen Personal, auch wenn er dieses in seiner Rolle als Kabarettist zum großen Vergnügen der Anwesenden mit so mancher Schmähung überzieht.

Für langes Applaudieren bleibt angesichts der vorgeschriebenen Zeitbegrenzung keine Zeit, dafür aber für eine äußerst unterhaltsame Zugabe. Auf Zuruf aus dem Publikum parodiert Schroeder Persönlichkeiten, die man bisher noch nicht von ihm kennt, von Donald Trump bis Sahra Wagenknecht – herrlich!

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading