Lörrach Ukraine-Krieg: Dramatische Situation in Lörrach meistern

Marco Fraune
Die Stadt ist angesichts der Vielzahl der Flüchtlinge zum Handeln gezwungen. Foto: Marco Fraune

Hunderte Flüchtlinge kommen laut Prognose in Lörrach pro Monat an / Wohnraum zuerst

Von Marco Fraune

Lörrach. Als eine seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht erlebte Situation hat OB Jörg Lutz im Gemeinderat die Folgen für die Stadt Lörrach hinsichtlich der Aufnahme von Flüchtlingen beschrieben. „2015 ist nur ein laues Lüftchen in Anbetracht des Sturmes, der auf uns zukommt.“ Aktuell geht es erst einmal um Wohnraum für die geflüchteten Ukrainer, weitere große Herausforderungen folgen.

Die Zahl der im Lörracher „Welcome Center“ vorsprechenden ukrainischen Flüchtlinge hat sich innerhalb von gut drei Wochen rasant nach oben entwickelt. Mehr als 200 sind es bereits, aktuell wird angesichts der landesweiten Zahlen für Lörrach mit 480 Flüchtlingen pro Monat gerechnet. „Die Lage ist eine, die wir bisher nicht gesehen haben“, sagte der OB. Auch im Jahr 2015 nicht: „Wir haben ganz andere Dimensionen, die zu bewältigen sind.“ Noch erfolge die Unterbringung teils privat, Geflüchtete schlafen dort auf dem Sofa oder im Gästezimmer. Dies sei laut OB für zwei Wochen oder womöglich sogar zwei Monate möglich. „Es geht aber nicht auf Dauer.“

100 Wohnungen gemeldet

Etwa 100 Wohnungen sind der Stadt bereits gemeldet worden. Das Verfahren: registrieren, anschauen, Prüfung offener Fragen und Entscheidung über die Anmietung des Objekts sowie bei passendem Angebot auch Vertragsunterzeichung. Die Übernahme erster Objekte ist im Laufe der Woche erfolgt. Zirka 20 Personen konnten vermittelt werden, weitere sollen zeitnah folgen. Grundsätzliches Ziel ist ein direkter Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter.

Angesichts von 480 Flüchtlingen monatlich bedürfe es aber weiteren Wohnraums. Zu befürchten ist laut OB auch, dass es beispielsweise durch die steigenden Weizenpreise in Afrika zu verstärkten Fluchtbewegungen komme. „Da kommen große Aufgaben auf uns zu.“

Die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge sei eine Bürgerpflicht, unterstrich das Stadtoberhaupt. Teilweise kämen diese nur mit Koffern. „Es ist das Mindeste, dass wir sie aufnehmen.“

Dreistufiges Verfahren

Hier gibt es im optimalen Fall ein dreistufiges Aufnahmesystem. Zuerst geht es zur Landeserstaufnahmestelle, dann in die vorläufige Unterbringung und zu den Kommunen. Der Erstkontakt in Lörrach erfolgt über die Vorsprache beim Welcome-Center, das eng verzahnt arbeitet mit dem Team Wohnen und Unterbringung. Gleizeitig erfolgt die Meldung an die Ausländerbehörde und auch ans Landratsamt. „Es ist eine gigantische Belastung, die auf uns zukommt“, prognostiziert der OB. Sobald zum Abschluss des Prozederes nach der Einreise die Anmeldung im Bürgerbüro Insel steht, können die Geflüchteten auch eine Anstellung annehmen – im Gegensatz zu syrischen Flüchtlingen.

Neues Personal

Als Folge komme es in den betroffenen Bereichen zu vermehrten Wartezeiten und zu längeren Verfahren. Daher werde in Zusammenarbeit mit den freien Trägern im Welcome-Center das Personal um eine 75-Prozentstelle aufgestockt und der Raum ausgeweitet. Eine Aufstockung der Ausländerbehörde und des Teams Wohnen und Unterbringung ist laut OB in Prüfung. Teils wurde personell umgeschichtet. Ein interner Stab zur strategischen Planung und Begleitung ist gegründet. Lutz: „Wir sind insgesamt gut unterwegs.“

Situation in Wyschhorod

In der mit Lörrach befreundeten ukrainischen Stadt Wyschhorod habe es laut der Städtepartnerschaftsbeauftragten Sonja Raupp bisher keine größeren Zerstörungen oder Luftangriffe gegeben. Doch die Front verlaufe nicht weit entfernt. Die Kommune versuche, Wasser, Müllabfuhr oder auch Elektrizität am Laufen zu halten. Lutz: „Wyschhorod ist im Auge des Orkans.“ Erste Hilfslieferungen aus Lörrach seien dort aber angekommen. Bisher wurden schon zirka 40 000 Euro in Lörrach gespendet. Ein Krankenwagen für das Rote Kreuz konnte als Geschenk der Stadt zudem übergeben werden.

Zu Beginn der Sitzung hat der Gemeinderat eine Schweigeminute angesichts von Putins Angriff auf die Ukraine eingelegt. „Es ist schreiendes Unrecht, dass ganze Städte in Schutt und Asche gelegt werden und tausende Unschuldige sterben müssen“, erklärte OB Jörg Lutz. Zwar sei man ein Stück weit ohnmächtig, doch wolle zugleich ein Zeichen setzen.

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