Lörrach Ein Akkordeon als Universalinstrument

Veronika Zettler
Yegor Zabelov holt aus seinem Akkordeon alles heraus. Foto: Veronika Zettler

Yegor Zabelov begeisterte mit seiner unkonventionellen Spielweise im Burghof.

Schon des Öfteren konnte man virtuose Akkordeonisten im Burghof erleben, zum Beispiel bei den Akkordeonale-Festivals von Servais Haanen.

Mit Yegor Zabelov kam am Freitagabend erneut ein Meister des Schifferklaviers nach Lörrach. Sein fünfreihiges Knopfakkordeon verwandelte sich unter seinen Fingern geradezu in einen Wunderkasten. „Schräg und cool war’s“, freute sich eine Besucherin nach dem eineinhalbstündigen Konzert: „Unglaublich, was der da für Töne rausgeholt hat.“

Yegor Zabelov stammt ursprünglich aus Belarus und lebt heute in Polen, wobei die Anreise nach Lörrach wegen des Bahnstreiks reichlich „tricky“ gewesen sei, wie er den rund 70 Besuchern im Burghof-Foyer berichtete. Das war es dann auch fast schon mit den Ansagen. Denn statt zu plaudern, konzentriert sich Zabelov lieber auf sein Akkordeon, Marke „Royal Standard“: einst königlich-sächsisch, später berühmtes DDR-Produkt, heute deutsch-italienisch hergestellt von der Firma Herold. Mit seinem Instrument scheint Yegor Zabelov geradezu zu verschmelzen und Raum und Zeit sowie nicht zuletzt das Publikum zu vergessen.

Nachdem er früher mit seinem Duo Gurzuf und in Trio-Besetzung durch Europa tourte, beweist Zabelov jetzt als Solist, dass er auch alleine wie ein halbes Orchester spielen kann.

Alle Bauteile unter Einsatz teils abenteuerlicher Tricks und Techniken nutzend, verleiht der Musiker und (Film-)Komponist seinem Akkordeon die Fähigkeiten eines Synthesizers. Alphorn, Didgeridoo und Dudelsack tönen da ebenso aus dem Balg wie Schiffshorn, Kontrabass und Obertongesang. Entsprechend vielseitig sind die Landschaften, die das mäuschenstill lauschende Publikum an der Seite des wie entrückt wirkenden Künstlers durchstreift. Er hoffe, dass die Zuhörer bei seiner Musik so tief in sich kehren können wie er selbst, sagte er einmal in einem Interview.

Für die Trancemomente in den minimalistisch-folkloristischen Melodiebögen sorgen die repetitiven rhythmischen Muster, die an das Sounddesign des Techno in ihrer stetigen Verdichtung und Steigerung aber auch an Art-Rock erinnern. Kein Wunder: Seine Kompositionsweise sei am ehesten mit dem Aufbau elektronischer Musik vergleichbar, erklärte er einmal. Er beginne quasi bei null, beim Potenzial eines Anfangstons.

Im Repertoire hat er aber auch eine Neuinterpretation des Titels „Centrala“. Die polnische Punkrock-Band „Brygada Kryzys“ schuf damit Anfang der 1980er-Jahre eine kommunismuskritische Jugendhymne und damit einen Song, der ihm viel bedeute, so Zabelov.

Mit Äußerungen zur aktuellen Weltlage hält er sich allerdings zurück. Viel „Shit“ passiere gerade auf der Welt, meint er zum Schluss. Dagegen hilft aus seiner Sicht nur eines: „Lasst uns einander treffen. Lasst uns miteinander sprechen.“

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