Lörrach Ein Jahrhundertleben

Guido Neidinger
Gerhard Moehring bei der Verleihung der Lisa-Rees-Medaille im Januar 2020 im Burghof Foto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Jubilar: Gerhard Moehring wird am Sonntag 100 Jahre alt

Lörrach -  Gerhard Moehring feiert am morgigen Sonntag, 28. März, seinen 100. Geburtstag. Anlässlich der Verleihung der Lisa- Rees-Medaille während des Neujahrsempfangs der Stadt Lörrach im Januar 2020 wurde Moehring mit folgenden Worten für sein beeindruckendes Lebenswerk geehrt.

„Ich habe viel Glück gehabt“, sagte Gerhard Moehring einmal in einem längeren Gespräch zu mir. Wie bitte? Glück gehabt? Derjenige, der diesen Satz sagte, wurde siebenmal im Zweiten Weltkrieg verwundet. Der Nazi-Wahn kostete ihn mehrmals an der Ostfront fast das Leben. Er beraubte ihn seines beruflichen Lebenstraums, brachte ihm zehneinhalb Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft und die willkürliche Verurteilung als Kriegsverbrecher ein.

Trotz dieser Schicksalsschläge habe ich Gerhard Moehring nie als verbitterten Menschen erlebt. Im Gegenteil: Ich kenne ihn eher als zutiefst dankbar. Sein Leben verlief nämlich nicht nur auf der Schattenseite. Ganz im Gegenteil: Seine Frau Margarete schenkte ihm vier Kinder. Als Lehrer fand er nach der Heimkehr aus der langjährigen Gefangenschaft seinen beruflichen Platz im Leben. Und als ehrenamtlicher Leiter des Lörracher Heimatmuseums – heute das Dreiländermuseum – und als anerkannter Heimatkundler hat Gerhard Moehring sich bleibende Verdienste um seine Heimatstadt erworben.

Geboren wurde Moehring am 28. März 1921. Der begnadete Turner legte 1939 sein Abitur am Hebelgymnasium ab. Das Lebensglück schien ihm treu zu bleiben, als er sein Studium der Forstwirtschaft aufnehmen konnte. Doch der Schein trog. Bereits 1940 wurde Moehring als 19-Jähriger von der Kriegsmaschinerie geschluckt. Erst 15 Jahre später sollte dieser grausame Lebensabschnitt enden.

Im Russlandfeldzug wurde er siebenmal verletzt, einmal zerfetzte ihm eine Kugel die Backe. Einen Tag, bevor die Russen zum Angriff bliesen, bat er darum, zu seiner Einheit zurückkehren zu dürfen. Nur wenige Stunden später war kaum noch etwas von dem Lazarett, in dem er gelegen hatte, übrig. Wieder einmal Glück gehabt.

Moehring kehrte als letzter Lörracher Kriegsgefangener heim

1945 geriet Moehring in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Der aufkommende Kalte Krieg machte seine Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Heimat zunichte. Stalin ließ 20 000 Soldaten zu Kriegsverbrechern verurteilen, um sie als Faustpfand behalten zu können. Einer von ihnen: Gerhard Moehring. Die Hoffnungslosigkeit war so groß, dass viele seiner Kameraden sich das Leben nahmen. Erst Adenauers Intervention im Oktober 1955 brachte ihm die Freiheit. Moehring kehrte als letzter Lörracher Kriegsgefangener heim.

Glück hatte Moehring nicht nur, dass er überhaupt heimkehren konnte, sondern auch, dass ihm in der Heimat sofort helfende Mitmenschen zur Seite standen. Professor Hieber, Lehrer am Hans-Thoma-Gymnasium, bewog ihn, in den Schuldienst einzutreten. Nach dem Studium an der Pädagogischen Hochschule wurde er zunächst Lehrer an der Fridolinschule, wo er auch „Ottmar Hitzfeld das Fußballspielen lehrte“, wie er einmal schmunzelnd bemerkte. Von 1967 bis zu seiner Pensionierung 1983 unterrichtete Moehring auf der Tüllinger Höhe.

Kommen wir zu Moehrings vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten: 1961 beschloss der Gemeinderat, die Leitung des Heimatmuseums Professor Philipp Hieber und dessen Schwiegersohn Gerhard Moehring zu übertragen. Hier konnte Moehring sein ganzes Können und seine Leistungsfreude für den Erhalt der heimatlichen Kulturgüter einbringen. Als sich Hieber altersbedingt aus der Museumsarbeit verabschiedete, blieb Gerhard Moehring alleiniger ehrenamtlicher Leiter des Museums.

Als das alte Museumsgebäude dem Verkehr weichen musste, war es Moehring, der mit einer nie erlahmenden Tatkraft den Umzug in das heutige Museumsgebäude vorbereitete. 1978 konnte das neue „Museum am Burghof“ wie es damals hieß, eingeweiht werden. Seit dessen Eröffnung ist es Moehring zu verdanken, dass sich in der Bevölkerung ein anhaltend starkes Interesse für Heimatgeschichte entwickelte. Moehring legte die Basis dafür, dass das Museum zu einer wichtigen Kulturstätte in der Region werden konnte. Sein Credo lautet, und ich zitiere ihn: „Museum muss eine wichtige Stätte der Kultur sein, die die Geschichte der Region konserviert, aber auch für künftige Generationen fortschreibt.“ 1981 war das Museum am Burghof einer von fünf deutschen Kandidaten des Europarates für „Das interessanteste Museum“.

Bemerkt sei an dieser Stelle, dass Gerhard Moehrings Sohn Markus diese Arbeit als hauptamtlicher Leiter des heutigen Dreiländermuseums erfolgreich fortführt und das Museum mit seinem Team zu einer weit über die Grenzen der Stadt hinaus geachteten Kultureinrichtung gemacht hat.

Gerhard Moehrings ehrenamtliches Engagement erschöpfte sich nicht nur in der Museumsarbeit, die er noch viele Jahre im Ruhestand täglich fortgeführt hat. Er war lange Zeit Schriftleiter der Arbeitsgemeinschaft Markgräflerland für Geschichte und Landeskunde und zweiter Vorsitzender des Museumsverbandes Baden-Württemberg.

Gemeinsam mit Walter Jung gab Moehring 25 Jahre lang – bis 1995 – die Jahrbücher „Unser Lörrach“ heraus. Die Ortschronik seines Heimatortes Hauingen, die im Jahr 2002 zum 900-jährigen Bestehen erschien, und die Dokumentation „1250 Jahre Kirche Rötteln“ sind weitere Meilensteine der heimatgeschichtlichen Arbeit von Gerhard Moehring.

Mehrere Ehrungen wurden ihm für seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten bereits zuteil: Dazu gehört der Hebeldank, die Medaille für Verdienste um die Heimat und schließlich das Bundesverdienstkreuz 1993. Nun ist es an der Zeit, dass auch die Stadt Lörrach Gerhard Moehring für die bleibenden Verdienste um seine Heimatstadt mit der Lisa-Rees-Medaille auszeichnet. Lieber Gerhard Moehring: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben diese Ehrung wahrlich verdient.  Die Redaktion schließt sich den sicher zahlreichen Gratulanten gerne an!

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