Lörrach Ein Journalist als scharfer Richter

Die Oberbadische
Henric L. Wuermeling, Nachkomme der Röttler Scharfrichter-Familie Heidenreich, bei seinem Vortrag Foto: Jürgen Scharf Foto: Die Oberbadische

Vortrag: Henric L. Wuermeling sprach

Von Jürgen Scharf

Lörrach. „Nachrichter war mein Geschäft“, sagt Henric L. Wuermeling, „ich arbeitete im Nachrichtendienst.“ Und, so schlug der Nachkomme der Röttler Scharfrichterfamilie am Dienstagabend den Bogen zu seinem Vortragsthema im Lörracher Museumsverein: „Ein Journalist soll auch ein scharfer Richter sein.“

Museumsleiter Markus Moehring stellte den Münchner Fernsehjournalisten und Autor historischer Schriften und zeitgeschichtlicher Dokumentarfilme vor, der im Vortragsprogramm der mit über 10 000 Besuchern gut gelaufenen Rötteln-Ausstellung sprach, in der auch das Richtschwert zu sehen ist.

Im vollbesetzten Hebelsaal des Dreiländermuseums freute sich Wuermeling, wieder einmal in seiner alten Schule, dem Hebelgymnasium, wo er neun Jahre lang die Schulbank drückte, und in seiner Heimat Lörrach zu sein. Mütterlicherseits ist er mit der Familie des Röttler Scharfrichters verwandt: „Ich stehe zu der Familie des Scharfrichters Heidenreich“, sagte der Vortragende auf Zeitreise und holte aus einem „Instrumentenköfferchen mit den Utensilien des Scharfrichters“ dicke historische, in Schweinsleder gebundene Wälzer hervor.

Familiengeschichte sei auch Kulturgeschichte, so Wuermeling. Daher wollte er nicht nur etwas über seine Vorfahren aus dem 17. Jahrhundert erzählen, sondern weit in die Kulturgeschichte ausholen. Man erfuhr viel über den grenzwertigen Stand des Henkers, der regional unterschiedlich auch andere Namen hatte wie Nachrichter, Angstmann, Knochenhauer, Abkürzer, Freimann, der als ehrlos galt und verachtet wurde. Das seien zwar eher „Geschichten für Halloween“, meinte Wuermeling nicht ohne Humor, „gruselige, aber doch wahre Geschichten aus dem Badischen“.

Ein Scharfrichter namens Heidenreich: Um den „mannhaften“ Georg Adolf Heidenreich (1609-1680) und seine Frau Anna Maria ging es hauptsächlich. Er war der Henker von Haagen, und auch seine Söhne wurden Scharfrichter bis zur vierten Generation. In einer Gedenktafel für seine verstorbene Frau setzte sich der „alte Meister von Haagen“ selber ein Denkmal (bis heute zu sehen in der Röttler Kirche: ein „frühes Selfie in Sandstein“, so Wuermeling).

Der letzte der Heidenreich-Dynastie wollte nicht mehr Scharfrichter sein, sondern hatte eine andere Geschäftsidee: einen besseren Job mit Posthalterei.

Aus Sicht der Enkelgenerationen gab Wuermeling einen längeren geschichtlichen Abriss über jene Zeit des Schreckens in der Vogtei Rötteln und las aus den Protokollen der Stadt Straßburg, wo Heidenreich auch vier Jahre dieses Amt ausübte. Erstaunlich, wie viel an geschichtlichen Dokumenten – etwa Eingaben des Scharfrichters an die Obrigkeit – heute noch erhalten ist!

Es war also nicht nur eine Familienchronik, sondern ein kulturhistorischer Rundumschlag mit besonderem Blick auf die grausamen Praktiken bei den Leibesstrafen, von der Streckbank in der Tortur, dem Vierteilen und Rädern, bis zur Kunst, mit einem Hieb das Haupt vom Rumpf zu trennen. Zugleich eine Geschichtsstunde über die gewerbsmäßigen Diener der Justiz, die in ihrem Amt die Menschen vom Leben zum Tod beförderten: gefürchtet von den Bösen, gemieden von den Gerechten. „Ein eindrucksvoller Blick in finstere Zeiten“, nannte die Vorsitzende des Museumsvereins, Inge Gula, dieses Referat und fand es indes sehr beruhigend, dass die Nachkommen Heidenreichs friedliche Tätigkeiten ausüben.

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