Lörrach Ein zunftiges Musical

Guido Neidinger (Text)     und Kristoff Meller (Fotos)

Gefeierte Zunftabend-Premiere in Haagen / Besucher sind schier aus dem Häuschen

Lörrach-Haagen - Sehenswert: Dieses Prädikat hat der Zunftabend 2020 ohne Einschränkung verdient. Die Narrenzunft serviert in der Alten Halle in Haagen kurzweilige Unterhaltung voller Humor und mit närrischer Würze.

„Niveau des Vorjahres gehalten – das hätte ich vorher sofort unterschrieben“, äußert sich Oberzunftmeister Andreas Glattacker nach der Premiere am Mittwoch sichtlich zufrieden. Dazu haben die Zunftmeister auch allen Grund.

Erster Zunftabend ohne den "Champion" Gempp

So recht wussten nämlich auch sie vorher nicht: Wie wird das ohne Hansi Gempp? Immerhin war Gempp eine ihrer tragenden Säulen. Nun ist er nach Jahrzehnten nicht mehr dabei. Das ist ein harter Schnitt. Denn: Den „Champion“ zu verlieren, wie ihn die Narrenzunft im Programmheft selbst bezeichnet, ist keine Kleinigkeit.

Gerade jetzt aber zahlen sich die geschickten personellen Verstärkungen der vergangenen Jahre aus. Im Fußball würde man sagen: Alle Neuzugänge haben sich als Volltreffer auf dem Spielfeld entpuppt. Wieder andere haben ihre schauspielerischen Qualitäten deutlich verbessert. So konnte der unbestreitbare Gempp-Verlust gut kompensiert werden.

Neuzugänge entpuppen sich als Volltreffer ...

Apropos Neue: So ganz neu sind Thomas Wagner, Andreas Kuck und der vor zwei Jahren zurückgekehrte Philipp Buser nicht. Aber sie haben sich vom Start weg in die erste Reihe gespielt Wagner bestätigt sein komödiantisches Naturtalent. Ob als Schweizer Zöllner am Schlagbaum der Bagatellgrenze oder als Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic, er spielt stets überzeugend. Andreas Kuck ist sogar nahe dran am Bühnenprofi. Köstlich spielt er SPD-Stadträtin Christiane Cyperrek hoch über der Baustelle „LÖ“ auf einem Stahlträger sitzend oder Brexit-Boris im britischen Unterhaus und viele mehr. Philipp Buser ist der quirlige Tausendsassa der Zunft. Er hat sich prächtig entwickelt. Ohne Abstriche ersetzt er Märtwiib „Emmeli“ (bisher Hansi Gempp), die jetzt „d’ Sieglind vo Huttige“ ist. Experiment bestens geglückt, kann man da nur sagen.

Kommen wir zu den alten Hasen: Karl-Heinz Sterzel, der älteste der alten Hasen, führt nicht nur Regie. Der Senior-Zunftmeister überzeugt auch schauspielerisch wie immer. Authentisch interpretiert er die Grünen-Stadträtin Margarete Kurfeß („Margarete macht einen auf grünen Star“) oder die wiederauferstandene eiserne Lady Maggie Thatcher im „Affetheater“ – also im britischen Parlament.

.... und alte Hasen liefern in bewährter Manier

Ebenso wie Sterzel bringt auch Andreas Glattacker seine langjährige Erfahrung gekonnt auf die Bühne. Der Ozume sorgt mit seiner kraftvollen Präsenz gleich zu Beginn in der Nummer „Mit Gen zum Spitzehübli“ gemeinsam mit Andreas „Kucksi“ Kuck und Karlheinz Sterzel dafür, dass das ohnehin dünne Eis im begeisterungswilligen Premierenpublikum schnell gebrochen ist. Sehr gelungen: Glattackers Verwandlung in die elsässische Trachtentante Geraldine. Ein wahrer Kracher ist sein Auftritt als Speaker des britischen Parlaments in Person des Tumringer Ex-Stadtrats Hanspeter Pichlhöfer („In Lörrach habe ich sie alle geschafft.“) .

Ein Schwergewicht auf der Bühne – und das im wahrsten Wortsinn – ist Klaus Ciprian-Beha. Einst als Gastspieler eingestiegen, gehört er längst zum unverzichtbaren Stammpersonal. Ob als sächsischer Zöllner an der deutsch-schweizerischen Bagatellgrenze oder als durch das Lörracher „Kummerland“ reisender Lokomotivführer – Ciprian-Beha macht immer eine ausgezeichnete Figur. Haften bleiben wird er als britische Queen – genial.

Wenn es überhaupt eine zweite Reihe bei der Narrenzunft gibt, dann ist dies das Trio Ralf Buser, Peter Quercher und Nico Vogt. Letzterer wird mit kleineren Rollen behutsam an das Bühnenspiel herangeführt und machte seine Sache gut. Ralf Buser ist schon lange dabei und wird von Jahr zu Jahr routinierter. Und dann noch Peter Quercher!

Buser und Quercher treten mehrfach als die beiden alten Zausel aus der TV-Serie „Muppet Show“ auf. In dieser kritisierten „Statner“ und „Waldorf“ alles und jeden auf höchst amüsante und sarkastische Art – ähnlich wie Quercher und Buser in ihrer Loge. Ein genialer Einfall, der zum Dauerbrenner für künftige Shows taugt und viel Potenzial besitzt. Mit etwas mehr Textsicherheit kommen auch die Pointen noch punktgenauer.

Lust, Ausgewogenheit, Teamgeist.

Das Erfolgsgeheimnis der Zunft könnte man auf drei Nenner bringen: Lust, Ausgewogenheit, Teamgeist. Lust auf ausgelassenes Spiel, Ausgewogenheit bei den schauspielerischen Leistungen und unbedingter Zusammenhalt. Andreas Glattacker hat eine Truppe beisammen, in der die Mannschaft der Star ist. Niemand will sich auf Kosten anderer profilieren. Das wiederum fördert den Zusammenhalt und kitzelt die für den Erfolg notwendigen letzten Prozente heraus.

In dieses Qualitätsprodukt Zunftabend reihen sich auch die Zundelgirls nahtlos ein. Chefin Claudia Stiegeler wird mit ihren Girls immer besser. Ihre rockig- lebendigen Nummern sind eine Augenweide. Für den guten närrisch-musikalischen Ton sorgen seit nunmehr 24 Jahren Rolf Hausers „Nightshadows“. Auch sie sind Garanten für Schwung und gute Laune im Publikum sowie beste Begleitung zum Geschehen auf der Bühne.

Ein großes Plus der Zunftmeister war und ist der Gesang. Mit umgetexteten und bestens bekannten Ohrwürmern setzen sie viele musikalische Akzente. So wird der Zunftabend zum zunftigen Musical.

Besucher schier aus dem Häuschen

Der Saal steht rhythmisch klatschend, als sich um 23.39 Uhr der letzte Vorhang schließt. Die Besucher sind schier aus dem Häuschen. Dass vor Mitternacht Schluss ist, daran hat auch Protektor Matthias Zeller seinen Anteil. Der Radio-Mann von SWR4 begrüßte die Narrenschar rundfunkgerecht mit einem knackigen 60-Sekunden-Statement – Bravo!

Und bevor sich hier der letzte Vorhang schließt, seien auch die wichtigen Helfer im Hintergrund erwähnt: Kulissen: Hans-Werner Schuldt und Andi Kühn, Kulissenbau: Fabian Weis (besonders gelungen, die Kummerland-Lokomotive und der Stahlträger), Kulissenmalerei: Wolfgang Krell (modern im Street-Art-Format), Maske: Lilo Benz und Mary Fazis, Soufleusen: Ellen Quercher (war an der Premiere noch nicht arbeitslos) und Andrea Rümmele, Tickets: Susanne Grussenmeyer und Peter Quercher, Licht und Ton: Lukas Grussenmeyer und Nico Vogt (bis auf ein paar Rückkopplungen bestens), Bar: Bärbel Jung (immer einen Besuch wert), Catering: Ralf Buser.   Auf die Premiere folgen acht weitere Zunftabende. Alle sind ausverkauft. Den Abschluss bildet die Rotssuppe am Montag, 24. Februar, 11.11 Uhr im Lasser-Saal.

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