Von Silvia Waßmer Lörrach. Es geschah vor aller Augen und doch griff niemand in die Geschehnisse ein: 52 Lörracher Juden wurden am Morgen des 22. Oktober 1940 auf dem Marktplatz zusammengetrieben und ins Lager nach Gurs deportiert. Diesem dunklen Kapitel in der Stadtgeschichte gedachte gestern der Gemeinderat im Beisein von Landesrabbiner Moshe Flomenmann. „Die damaligen Ereignisse haben sich tief in das Bewusstsein der Betroffenen eingebrannt. Doch die Zahl derer, die sich noch erinnern können und die davon erzählen können wird immer kleiner. Deshalb ist es wichtiger denn je, die Erinnerung wach zu halten“, sagte Oberbürgermeister Jörg Lutz in seiner Ansprache und gab ein Bild der damaligen Ereignisse: So seien die Lörracher Juden vor 75 Jahren innerhalb kürzester Zeit von der Gestapo aufgefordert worden, maximal 50 Kilogramm Gepäck pro Person zusammenzupacken, maximal 100 Reichsmark mitzunehmen und sich auf dem heutigen Neuen Marktplatz zur Abfahrt einzufinden. „Der Transportbefehl traf die in Lörrach verbliebenen Juden völlig unvorbereitet“, blickte Lutz zurück. Auch das Ziel des Transports sei bis zuletzt unbekannt geblieben. Allerdings sei der Abtransport von vielen Menschen beobachtet und verfolgt worden, doch „niemand schritt ein, niemand protestierte, niemand kam den Juden zur Hilfe“. Insgesamt wurden aus Baden und der Saarpfalz 6550 jüdische Frauen, Männer, Greise und Kinder nach Gurs deportiert. 1751 von ihnen starben dort, 2653 wurden in Vernichtungslager gebracht, das Schicksal von 600 Menschen ist bis heute ungeklärt, 1518 Juden konnten entkommen. „Die Deportation im Herbst 1940 stellt den Höhepunkt der Ausgrenzung, Schikane und Kriminalisierung gegenüber Juden dar, die seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten angeordnet wurden“, erklärte Lutz. „Die Fehler der Vergangenheit müssen verstanden werden, damit sie nicht wieder möglich werden“, sagte Rabbiner Moshe Flomenmann und beleuchtete die Ursachen der damaligen Ereignisse. „Ganz Europa hat zugeschaut“, betonte  er und verurteilte die damalige Untätigkeit. Gleichzeitig nahm er Bezug auf heutige politische Entwicklungen, vor allem im nahen Osten. „76 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist es kaum vorstellbar, dass das Thema Antisemitismus wieder so im Mittelpunkt steht“. Doch es sei leider so.