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Lörrach „Es ist nie zu spät, ein Instrument zu lernen“

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Joachim Sendelbach in den Räumen seiner Musikschule im ehemaligen Stettener Bahnhof: „Mein Eindruck ist, dass gerade nach Corona der Wunsch nach gemeinsamem Musizieren stärker wurde.“ Foto: Bernhard Konrad

Joachim Sendelbach betreibt seit fast 20 Jahren seine TYTH-Musikschule in Stetten.

Herr Sendelbach, die Anfänge Ihrer Musikschule in der Schönaustraße waren bescheiden – wie hat sich die Schule entwickelt?

Angefangen habe ich mit 20 Schülern. Ich habe mir dann gleich Unterstützung gesucht, das war wie ein Schneeball. 2008 haben wir dann den Standort in Brombach eröffnet und 2010 konnte ich den Stettener Bahnhof erwerben, wo die Schule seither ihren Hauptsitz hat. Derzeit unterrichten ca. 30 Lehrkräfte rund 600 Schüler. Von Klassik bis Pop, Rock und Jazz sind alle Instrumentengruppen und Genres vertreten.

Welche Ausbildung haben Sie als Musiker und Lehrer?

Ich habe als Kind ganz klassisch mit Blockflöte angefangen, dann lange Klavier gespielt, später Gitarre und schließlich E-Bass. In Köln habe ich Jazz studiert mit dem Hauptfach E-Bass, abgeschlossen habe ich mit zwei Diplomen, eines davon in Instrumentalpädagogik. Gleichzeitig habe ich in vielen Bands gespielt und mich mit pädagogischen Ansätzen und interaktiven Lehr- und Lernkonzepten beschäftigt. Mein interaktives Konzept „Take Your Teacher Home“ habe ich dann auf meine Schule übertragen.

Welchen musikalischen Hintergrund haben Ihre Dozenten?

Wir sind eine vom Bundesverband der freien Musikschulen zertifizierte Schule. Das heißt: Alle unsere Lehrkräfte haben einen anerkannten Abschluss. Unsere Dozenten sind Profimusiker, die entweder studiert oder zusätzliche pädagogische Zertifikate erworben haben. Wir haben Dozenten mit Master- und Konzertexamen. Viele spielen in tollen Orchestern und Bands.

Die Nähe zu Basel und Institutionen wie der Musik-Akademie, dem Jazzcampus oder der Schola Cantorum Basiliensis kommt uns in der Auswahl unserer Lehrkräfte zugute. Einige haben ihre Ausbildung zum Profimusiker aber auch an den Jazz & Rock Schulen in Freiburg gemacht.

Sie haben außergewöhnlich viele Bands in Ihrer Musikschule: Wie kam es dazu?

Musik ist ein zutiefst soziales Moment, alles Musikalische gründet im gemeinsamen Musizieren. Um einen musikalischen Ausdruck für sich zu finden, braucht es ein Gegenüber. Die Pflege von Ensembles und Bands gehörte von Beginn an zur Idee der Schule, gemeinsames Spielen ist quasi das Ziel eines jeden Unterrichts. Es gibt natürlich viele Instrumente, die für sich alleine sehr schön klingen, aber beim E-Bass zum Beispiel, macht das Musizieren erst richtig Spaß, wenn man das Instrument gemeinsam mit anderen spielt. Neben dem Unterricht bieten wir auch immer Workshops und Möglichkeiten zum Reinschnuppern. Mein Eindruck ist, dass gerade nach Corona der Wunsch nach gemeinsamem Musizieren stärker wurde. Im Moment übersteigt die Nachfrage sogar unser Angebot, neue potenzielle Lehrkräfte sind bereits im Gespräch.

Welche Rolle spielt dabei der Gesang?

Der Gesang ist und bleibt das intimste Instrument. Es braucht viel Fingerspitzengefühl und pädagogische Erfahrung der Lehrkräfte, um die Freude am Singen auch auf der Bühne entfalten zu können. Ich freue mich sehr, dass unser jährlich stattfindendes Rosenfels-Openair zum größten Teil von unseren jungen Stimmen geprägt ist.

Wann sollten Kinder mit einem Instrument beginnen?

Musikalisch fördern kann man Kinder schon sehr früh in Mutter-Kind-Gruppen. Unsere Angebote richten sich bereits auch an Kinder ab drei Jahren. Bei der musikalischen Früherziehung geht es nicht um klassisches Üben, sondern auch um die Schulung von koordinativen und motorischen Fähigkeiten: sehr wertvolle Dinge. Beim Instrumenten-Karussell können etwas ältere Kinder Instrumente ausprobieren. Der Zeitpunkt ist sicher dann gekommen, wenn sich ein Kind von sich aus für ein Instrument entscheidet, das kann im Einzelfall auch schon im Alter von vier oder fünf Jahren passieren. Im Erwachsenenalter sollte man lediglich darauf achten, dass man nicht zu lange zögert…

Warum hören Kinder mitunter plötzlich damit auf, ein Instrument zu spielen?

Das ist so, das kann nicht pauschal erklärt werden. Irgendwann setzen die Kinder einfach auch andere Prioritäten, das ist gut so. Wir erleben es allerdings oft, dass ein Ausstieg aus dem Unterricht lediglich eine Art Pause ist. Einige Jahre später entdecken die Jugendlichen dann ihr Instrument wieder oder wollen gar ein anderes dazu lernen. In jedem Falle ist die Beschäftigung mit einem Instrument ein Zugewinn fürs Leben, Musik kann eine wichtige identitätsstiftende Konstante sein.

Sie unterrichten auch viele Erwachsene.

Es ist grundsätzlich nie zu spät, ein Instrument zu lernen oder es zu vertiefen. Es gibt da ein hartnäckiges Gerücht, dass Musikschulen sich eigentlich nur um Kinder kümmern, das stimmt natürlich nicht. Der Unterricht mit Erwachsenen spielt sich auf einem ganz anderen Reflexionsniveau ab. Es kann durchaus erfrischend sein, sich erst als Erwachsener mit einem Instrument intensiv zu beschäftigen, wenn man sozusagen weiß, was man will, und sich davon überraschen lassen möchte, was alles noch möglich ist.

Wie unterscheidet sich eine freie Musikschule in der Finanzierung von der Städtischen Musikschule?

Grundlegend. Die Städtischen Musikschulen werden von der öffentlichen Hand finanziell unterstützt. Sie finanzieren sich in der Regel etwa zur Hälfte aus den Gebühren. Eine private Musikschule wie die TYTH-Musikschule erhält dagegen keine Subventionen und muss sich zu 100 Prozent über die Schulgebühren finanzieren.

Sie organisieren seit Jahren große Konzerte im Rosenfelspark und haben etwa auch beim Quartierfest in Stetten eine tragende Rolle gespielt. Damit bespielen Sie den öffentlichen Raum in Lörrach. Sind sie als Schule in der Stadtgesellschaft angekommen?

Das Gefühl hatte ich offen gestanden lange Zeit nicht. Wir beteiligen uns an unzähligen Konzerten und müssen damit leben, dass wir meist keine Erwähnung finden, sei es in der Moderation oder in der Berichterstattung der Medien. Dabei sind unsere Schüler und Lehrer Teil des kulturellen Lebens dieser Stadt und ich denke, sie hätten bei Veranstaltungen – die wohlgemerkt kostenlos sind – verdient, dass sie wahrgenommen werden.

Die Arbeit privater Musikschulen wird demnach zu gering geschätzt?

Die Ungleichbehandlung von staatlichen und privaten Musikschulen ist betroffenen Schulen ein bürokratischer Dorn im Auge, das geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. Nach der Pandemie gab es staatlich geschnürte „Aufholpakete“, mit denen zum Beispiel Orchesterprojekte gefördert wurden. Just solch ein Projekt haben wir aufgegleist, es passte genau in die Anforderungen der Förderung: Leider durften wir dann nicht an der Förderung partizipieren, weil wir eine private Musikschule sind.

In Bayern etwa ist eine private Musikschule per se gemeinnützig. Ich denke, es gibt gute Gründe dafür, dass man es auch in Baden-Württemberg den privaten Musikschulen ein bisschen leichter machen könnte.

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