Lörrach „Fasnacht ist gelebte Integration“

Bernhard Konrad

Narren: Gilde lud zum Neujahrsempfang in die Alte Halle Haagen  / Matthias Zeller als Protektor inthronisiert

Lörrach-Haagen - Neues in der Alten Halle: Die Narrengilde hat gestern ihren Neujahrsempfang in Haagen veranstaltet. Matthias Zeller wurde als Protektor inthronisiert.

Obergildenmeister Jörg Roßkopf taufte bei dieser Gelegenheit sogleich Südbadens ersten Sturm des Jahres 2020 auf den Namen „Monika“.

Hochdruckgebiet Matthias

Glücklicherweise handelte es sich um ein sonniges Naturereignis – bei genauer Betrachtung sogar um die scheidende Protektorin Monika Neuhöfer-Avdic, die Zellers leicht gerötete Bäckchen während der herzlichen Übergabe regelrecht zum Hochdruckgebiet knuddelte.

Zuvor hatte sich Neuhöfer-Avdic (die von nun an nur noch Bürgermeisterin ist) mit innigen Worten von den Narren in der sehr gut besuchten Halle – die auch Raum für Sitzplätze bietet – verabschiedet. Der in Tüllingen lebende Haltinger Zeller wandte sich anschließend standesgemäß in alemannischer Reimform an die Fasnächtler und versicherte glaubhaft – Haltingen hin, Weil am Rhein her: „Mi Herz schloht für Güggel, Frösch und Schnägg.“

Offen für den Wandel

Die Fasnacht wurzelt tief – vor 400 Jahren wurde sie erstmals urkundlich in Lörrach erwähnt. Will sie ihre Kraft bewahren, dürfe sie ihren Status quo nicht einfrieren – im Gegenteil: Sie müsse offen bleiben für den Wandel. „Brauchtum muss leben“, sagte der Obergildenmeister in seiner Ansprache, die Tradition und Perspektiven der tollen Tage erörterte.

Integrative Kraft

„Vergässet Truebsal, Müeh un Sorge...“: Diese „mentale Auszeit“ sei früher so wichtig gewesen wie heute – insbesondere in Zeiten der Verunsicherung. Der hiesige Fasnachtsspruch sei noch unter dem Eindruck der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs entstanden – auch damals eine Zeit der Unsicherheit, eine Epoche der Herausforderungen, zu denen auch die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen gehörte.

Seither habe die integrative Kraft der Fasnacht in der Lerchenstadt ihren Beitrag dazu geleistet, „dass aus Neuankömmlingen Lörracher geworden sind“, die heute selbstverständlich in der Stadt lebten.

Verlässliche Finanzierung

Ihre Fähigkeit zum Wandel belegt die Fasnacht der Lerchenstadt seit vielen Jahren. Unterdessen werden die Rahmenbedingungen nicht leichter, denn: Anforderungen und Ansprüche nehmen zu, die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement nimmt ab. Immer häufiger müssten Leistungen eingekauft werden, was die Kosten in die Höhe treibe. Die Summe der Ein- und Ausgaben habe mittlerweile die 400 000 Euro-Marke überschritten, betonte Roßkopf.

Bei gutem Wetter erreiche die hiesige Fasnacht insgesamt rund 100 000 Menschen – die Kontakte über soziale Medien nicht eingerechnet. Wolle die Fasnacht „auf der Höhe der Zeit“ bleiben und ihre überregionale Ausstrahlung nicht verlieren, müsse auch „die langfristige Finanzierbarkeit“ verlässlicher gestaltet werden.

Die Zuschuss-Debatte

Deshalb hätten er und seine Vorstandskollegen es als „Schlag ins Gesicht“ empfunden, dass die Stadträte des Hauptausschusses die von der Gilde beantragte Fördersumme in Höhe von 20 000 Euro im Jahr durch Mehrheitsbeschluss auf 6000 Euro kürzten (unsere Zeitung berichtete). Neben der perspektivischen Sicherung der Fasnacht gehe es ihm persönlich auch darum, „in absehbarer Zeit“ die Voraussetzung für eine gute Nachfolgelösung zu schaffen, sagte er.

„Es wird nicht viele Organisationen geben, die die gewünschte finanzielle Beteiligung Seitens der Stadt selbst verdienen“, sagte Roßkopf mit Blick auf die durch Gilde-Veranstaltungen erzielte Gewerbesteuer. Die nach schlichtenden Gesprächen vereinbarte Zwischenlösung in Höhe von 9000 Euro, betonte Roßkopf, sei erfreulich, aber nicht mehr als das, was ihr Name ausdrücke...

Fasnacht braucht Räume

Unterdessen schrumpft die Anzahl der Räumlichkeiten, in denen die Cliquen und Guggemusiken feiern können. Nach dem Abriss der Brombacher Halle stünden der Gilde nur noch die Schlossberghalle und die Hauinger Festhalle zur Verfügung – auf Dauer zu wenig für die Fasnacht. Mit Blick auf das frei werdende Lauffenmühle-Areal sagte Roßkopf Richtung Oberbürgermeister Jörg Lutz und Monika Neuhöfer-Avdic: „Lörrach braucht einen Raum für Betriebsfeste, Schulabschlussfeiern, Hochzeiten, Konzerte und Fasnachtsbälle“. Er bat die Stadt zu prüfen, ob die Umwidmung einer alten Fabrikhalle eine Option für „einfache Veranstaltungen“ sein könne.

Ein neues Narrenschiff

Eine gute Nachricht zum Schluss: Nach dem Brand des Dröschischopfs, bei dem das Narrenschiff „Ameleddä“ zerstört worden war, konnte die Gilde dank vieler Spenden einen neuen Fasnachtsdampfer in der Pfalz erwerben. Nach dessen Überarbeitung nimmt er schon in diesem Jahr Fahrt auf und wird von Pfarrer Thorsten Becker beim Narrenbaumstellen getauft. Über die Ehrungen berichten wir noch.

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