^ Lörrach: „Fasnacht sollte gelebte Toleranz sein“ - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach „Fasnacht sollte gelebte Toleranz sein“

Bernhard Konrad

Interview: Jörg Roßkopf zum neuen Narrenschiff und seine Skepsis gegenüber Verbands-Überlegungen.

Lörrach - Die Lörracher Narrengilde hat in der Pfalz ein neues Narrenschiff gefunden. Was es mit dem neuen Fasnachts-Frachter auf sich hat und warum sich Jörg Roßkopf kürzlich kritisch zu Überlegungen des Verbands Oberrheinischer Narrenzünfte geäußert hat, erläuterte der Obergildenmeister auf Nachfrage von Bernhard Konrad.

Herr Roßkopf, offenbar hat die Lörracher Narrengilde ein neues Narrenschiff gefunden. Wo sind Sie fündig geworden, und was kostet die Gilde ihr zukünftiger Fasnachts-Dampfer?

Nach dem Brand im Brombacher Dröschischopf, dem auch unser bisheriges Narrenschiff „Ammeledä“ zum Opfer gefallen ist, war uns rasch klar: Wir brauchen ein neues Schiff. Es war uns auch klar, dass wir selbst keines von Grund auf bauen können. Also haben wir uns auf die Suche nach einem Verein gemacht, der ein Schiff verkauft. Und wir hatten Glück. Die Faschingsfreunde Kuhardt in der Pfalz hatten ein Schiff zum Verkauf, und wir haben dieses zwischenzeitlich erworben. Dabei macht der reine Kaufpreis nur einen Teil der Kosten aus, die insgesamt auf uns zukommen. Das Schiff muss nach Lörrach transportiert werden, einige Umbaumaßnahmen werden anfallen, und auch die zerstörte Infrastruktur wie Stromaggregat, Kompressor und Konfettikanone sind zu ersetzen.

Die wahrscheinlich größte Herausforderung die zu lösen ist, dürfte die Frage des Standplatzes für das neue Schiff sein. Auch hier rechnen wir mit erheblichen Mehrkosten. Insgesamt rechnen wir mit rund 9500 Euro, die wir einsetzen müssen, um die verlorenen Dinge wieder ersetzen zu können.

Nach dem Brand des Dröschischopfs hat die Gilde ein Spendenkonto für ein neues Narrenschiff eingerichtet. Wie hoch ist die bislang eingegangene Spendensumme?

Bislang sind rund 7500 Euro eingegangen. Die Spenden kamen von Fasnachtscliquen, befreundeten Zünften, Privatpersonen und Firmen. Wir sind sehr dankbar über die Solidarität, die wir aktuell erleben dürfen, und werden uns bei allen gebührend bedanken.

Wie und wann kann solch ein Schiff nach Lörrach transportiert werden?

Das neue Schiff kann maximal mit einer Geschwindigkeit von 25km/h gefahren werden. Wollte man es per Traktor nach Lörrach ziehen, wäre das eine rund zwölfstündige Reise über Landstraßen.

Ich denke, dass in Kürze ein Schwertransport nach Lörrach fahren wird, wobei hier ein Tieflader zum Einsatz kommen muss. Das neue Schiff hat nämlich eine lichte Höhe von 3,80 Meter.

In der Hauptversammlung der Narrengilde haben Sie sich von Überlegungen des Verbands Oberrheinischer Narrenzünfte distanziert. Worin bestehen die unterschiedlichen Sichtweisen?

Ich hatte an der Hauptversammlung aus einem Bericht des V.O.N.-Narrenspiegels vom Mai 2019 zitiert, in dem die Fasnacht 2019 skizziert wird. Konkret wird in diesem Bericht kritisiert, dass Fasnachtsveranstaltungen immer öfter nur noch in geschützten, abgegrenzten Bereichen mit massiven Sicherheitsmaßnahmen stattfinden könnten. Narrendörfer würden zunehmend als Open-Air-Partys und Ballermann-Happenings wahrgenommen, beschallt von Eventmusik mit atemraubenden Bässen. „Horden alkoholisierter Jugendlicher“ würden die Veranstaltungen stören, die immer mehr den Charakter von Mega-Events annehmen würden. Auch Umzüge müssten groß sein und Unmengen an Zuschauern anziehen, wobei auch dort „Bum-Bum-Wägen“ eine aggressive Grundstimmung verbreiten würden. Als Problemlösung wurde empfohlen, wieder kleine Veranstaltungen zu organisieren, mit einer Kapelle zum Schunkeln und Schorle und Bier statt Cocktails und Shots. Auch der Verzicht auf Werbung in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram wurde angeraten.

Wer mich kennt weiß, dass ich solche Überlegungen nicht nachvollziehen kann. Traditionen entstehen und sie sterben, wenn sie von nachfolgenden Generationen nicht mehr für sinnvoll gehalten werden. Das war immer so und das wird immer so sein. Und das ist gut so. In diesem Sinne muss es die Fasnacht alljährlich neu schaffen, die Menschen in ihren Bann zu ziehen und sie zu begeistern.

Da sich aber die Menschen und die Gesellschaft ändern, müssen sich auch die Ausdrucksformen der Fasnacht ändern. Es geht mir dabei nicht um ein entweder oder. Die Fasnacht als großes Volksfest oder Event muss dergestalt sein, dass alle fasnächtliche Glückseligkeit finden können. Niemand darf ausgeschlossen sein. Dann aber hat traditionelles ebenso eine Berechtigung wie Neues und Modernes. Ich will keine Museumsfasnacht. Ich will eine lebendige, sich stets weiterentwickelnde Tradition für alle. Fasnacht sollte „gelebte Toleranz“ sein.

Demnach vertreten Sie die Auffassung: Falls die Lörracher Fasnacht in 30 Jahren noch exakt die gleiche ist wie heute, haben wir nicht alles richtig, sondern einiges verkehrt gemacht?

Das ist vollkommen richtig. Sollte die Lörracher Fasnacht in 30 Jahren genauso sein wie heute, dann sind wir tatsächlich falsch abgebogen und auf dem Weg zur Bedeutungs- und Belanglosigkeit.

Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.

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