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Lörrach Fast jeder Polizeieinsatz ein Risiko

Bernhard Konrad
Für Polizisten sind Einsätze wegen psychisch auffälligen Personen mit einem hohen Maß an Unwägbarkeiten verbunden. Zudem stellt sich immer auch die Frage nach der angemessenen Intervention der Beamten. Foto: Kristoff Meller

In der Polizeiarbeit hat die Relevanz von Einsätzen wegen psychisch auffälligen Personen deutlich zugenommen. Bei jedem dieser Fälle begeben sich Polizisten auf ein äußert diffiziles Terrain.

In der Polizeiarbeit hat die Relevanz von Einsätzen   wegen psychisch  auffälligen Personen deutlich zugenommen. Bei jedem  dieser Fälle begeben sich Polizisten auf ein äußert diffiziles Terrain.

Revierleiter Andreas Nagy hat Auszüge des Lageberichts vor sich: vier Din A4-Blätter, vier Einsätze – alle in der Nacht zum Mittwoch, Namen und Daten sind anonymisiert. Vier solcher Alarmierungen in einer Nachtschicht sind für die Beamten des Lörracher Polizeireviers nicht der Standard, aber so eine Häufung kommt immer wieder mal vor.

Zwischen 240 und 300 Fälle

2018 hat Nagy damit begonnen, „Einsätze wegen psychisch auffälligen Personen“ in einer eigenen Rubrik der Kriminalstatistik zu erfassen. In den Jahren zuvor hatte er bemerkt, dass diese Fälle kontinuierlich zunehmen. Seither bewegt sich die Zahl zwischen 240 und knapp 300 im Jahr.

Für die Polizisten sind solche Einsätze stets mit einem hohen Maß an Unwägbarkeiten verbunden, zudem stellt sich immer auch die Frage nach der angemessenen Intervention der Beamten. Jeder Fall ist anders, aber viele Fälle haben damit zu tun, dass irgendjemand ein Maß an Aggressivität oder psychischer Auffälligkeit erkennen lässt, das bei anderen Menschen ein Gefühl massiver Verunsicherung oder gar Bedrohung hervorruft.

Durch alle Altersgruppen

„Wir sehen uns mit Jugendlichen ebenso konfrontiert wie mit Menschen mittleren Alters und Senioren“, sagt Nagy. Manchmal reicht ein Gespräch, um die Lage zu deeskalieren, einige Bürger erkennen Polizisten als Respektsperson an, andere macht der Anblick der Uniform noch aggressiver. Lässt sich die Situation nicht beruhigen, hat die Polizei die Möglichkeit, einen Platzverweis zu erteilen. Als nächster Schritt greift die kurzfristige „Gewahrsamnahme“, etwa zum Ausnüchtern, sofern Alkohol im Spiel ist.

Mit ärztlicher Einschätzung

Eine Unterbringung in der Psychiatrie komme erst dann in Frage, wenn „Fremd- oder Eigengefährdung“ vorliege, erläutert Nagy. Eine weitere Grundlage zur Umsetzung dieser Maßnahme ist allerdings die ärztliche Einweisung durch einen Bereitschaftsarzt – was sich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung des medizinischen Fachpersonals häufig ausgesprochen schwierig gestaltet.

Juristisch geregelt wird dies im „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“. Derzeit führe die Polizei Gespräche mit dem Kreiskrankenhaus, um eine angemessene Untersuchung von psychisch auffälligen Menschen in solchen Situationen verlässlicher gewährleisten zu können.

Vielfältige Ursachen

Die Ursachen für psychische Entgleisungen sind vielfältig: Drogen- und Alkoholkonsum spielen regelmäßig eine Rolle, gleichwohl könne das Phänomen nicht darauf reduziert werden, betont Nagy. Immer wieder komme es vor, dass etwa Menschen mit psychischer Grunderkrankung durch eine Trennung oder andere Probleme aus Strukturen herausfallen, die ihnen bislang Halt gegeben haben. Das kann gravierende Folgen haben, auch bei Senioren, die beispielsweise von der Außenwelt unbemerkt eine Demenz entwickeln und durch das Krankheitsbild allmählich zu aggressivem Verhalten neigen. Unter den Flüchtlingen gebe es ebenfalls Menschen, die psychisch belastet zu uns kommen und auffälliges Verhalten zeigen, so Nagy.

Immer im Risiko

Generell sei es gewiss nicht die Regel, dass sich Polizisten bei solchen Einsätzen in Lebensgefahr begeben – aber gänzlich auszuschließen sei dies bei Fällen von psychischer Erkrankungen oftmals nicht. Riskant sind diese Einsätze regelmäßig – auch deshalb binden sie in der Regel erhebliche personelle Ressourcen.

Hohe Hürden

Gleichzeitig betont der Revierleiter, dass die Gewahrsamnahme – der Entzug der persönlichen Freiheit – an hohe gesetzliche Hürden gebunden sei. So sei es etwa nicht ausreichend, wenn jemand den Leuten im öffentlichen Raum mit seinem Verhalten ein bisschen auf den Wecker geht.

Bestimmte Verhaltensweisen, so Nagy, müsse die Gesellschaft tatsächlich schlicht tolerieren.

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