^ Lörrach: Fast wie in einer Wohngemeinschaft - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach Fast wie in einer Wohngemeinschaft

SB-Import-Eidos
Alfred Kirchner , seine Tochter Stefanie Kirchner (3. v. l.) mit der ukrainischen Frau Natalia und Sohn Zhenya. Foto: Ounas-Kräusel

Ukraine: Flüchtlingsfamilie zwei Wochen bei Kirchners untergebracht / „Wir haben herzlich gelacht“

Familie Kirchner aus Haagen hat im März eine ukrainische Familie aufgenommen. Zwei Wochen lang lebten Stadtrat Alfred Kirchner und seine Frau Barbara mit der 38-jährigen Ukrainerin und ihren beiden 15- und achtjährigen Söhnen unter einem Dach.

Lörrach-Haagen (ouk). Man habe fast wie in einer WG zusammen gelebt, sagt Alfred Kirchner: „Es war eine sehr positive Erfahrung.“

„Das Landratsamt hat uns die Familie zugewiesen“, erzählte Kirchner unserer Zeitung zu Hause in seinem Wohnzimmer. Er und seine Frau hätten dem Amt angeboten, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Als Motivation nannte er die Familiengeschichte: Sein Vater habe nach dem Zweiten Weltkrieg aus Breslau fliehen müssen, auch die Schwiegereltern seien als Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen.

Gastfreundschaft

Die ukrainische Familie bezog im Hause Kirchner ein Dachzimmer mit Bad. Die Küche benutzte man gemeinsam. Man frühstückte gemeinsam, spielte zusammen „Mensch ärgere dich nicht“. Einmal backte die 38-Jährige Pizza für alle. Stefanie Kirchner erzählt, die Ukrainer seien fast beschämt von der Gastfreundschaft im Hause Kirchner gewesen und hätten sich bemüht, nur ja nicht zu stören.

Die Gäste übten Deutsch: „Das ist eine Tasse, ein Teller, ein Löffel.“ Ansonsten verständigte man sich mit Händen und Füßen und, so gut es ging, auf Englisch. Da Alfred Kirchner und seine Frau jedoch nicht viel Englisch sprechen, behalfen sich alle mit dem Google-Übersetzer. Da das Programm jedoch nicht immer exakt arbeitet, kam es zu lustigen Verständigungspannen. Zum Beispiel habe das Programm die Frage. „Was ist Borschtsch?“ – gemeint war ein osteuropäischer Eintopf – mit dem im deutschen eher unfeinen „A-Wort“ übersetzt, erzählt Alfred Kirchner schmunzelnd: „Wir haben herzlich gelacht.“ Oft kam auch Stefanie Kirchner, die nur ein paar Häuser weiter wohnt, mit ihrer Familie vorbei. Dann baute der zwölfjährige Sohn souverän auf Englisch Brücken.

Familie Kirchner erfuhr auch von der Flucht und den Sorgen der ukrainischen Familie, die aus einem Dorf bei der Stadt Lwiw stammt. Dort seien bisher zwar keine Bomben gefallen, aber ihr Mann habe die 38-Jährige gedrängt, mit den beiden Söhnen zu fliehen, erzählen die Kirchners. 30 Stunden waren die Drei im Auto unterwegs, standen vor der ukrainischen Grenze in einem 150 Kilometer langen Stau, bevor sie völlig erschöpft in Deutschland ankamen. Helfer verteilten unterwegs Benzin.

Die Söhne hätten verständlicherweise große Sehnsucht nach ihren Schulfreunde. Der Achtjährige habe jeden Tag zwei Stunden den Unterricht seiner ukrainischen Lehrer online verfolgt und sich riesig gefreut, seine Schulfreunde am Handy zu sehen. Die Frau habe sich um ihre Mutter gesorgt, die nicht bereit gewesen sei, aus der Ukraine mit nach Deutschland zu kommen.

Stefanie Kirchner befürchtet außerdem, dass die deutschen Schulen mit der Aufnahme der Kinder der vielen ukrainischen Flüchtlingen überfordert sein werden: Wegen Corona würden viele Lehrer ausfallen und an den weiterführenden Schulen stünden die Abschlussprüfungen an.

Wohnung gefunden

Dass ihre Eltern Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen haben, empfindet Stefanie Kirchner als ganz und gar nicht selbstverständlich. Sie hätten ihre Privatsphäre weit für die fremden Gäste geöffnet, sagt sie. Die Frage, wie sich das Zusammenleben auf Dauer, nach der Begeisterung der ersten Wochen, gestalten würde, hat sich inzwischen erübrigt: Anfang April, nach etwa zwei Wochen, zog die Ukrainerin mit ihren Söhnen in eine eigene kleine Wohnung. Über Kontakte zu Landsleuten hatte sie diese gefunden.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading