Lörrach Flüchtlinge: Wohnbau und Stadt nehmen Stellung

Adrian Steineck , aktualisiert am 22.02.2023 - 18:22 Uhr
Standen Rede und Antwort: Oberbürgermeister Jörg Lutz (Mitte) und Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Städtischen Wohnbaugesellschaft Lörrach. Links Susanne Baldus-Spingler, Fachbereichsleiterin Medien und Kommunikation Foto: Adrian Steineck

Lörrach - Es kommt nicht alle Tage vor, dass ARD und ZDF mit ihren Kamerateams im großen Sitzungssaal des Lörracher Rathauses anzutreffen sind. Auch überregionale Zeitungen haben ihre Vertreter in die Stadt geschickt, die laut OB Lutz „in Deutschland am weitesten von Berlin entfernt“ ist. Auch dass Polizisten im Rathausfoyer stehen, ist kein alltäglicher Anblick. In der Tat haben die städtischen Mitarbeiter und die Mitarbeiter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in den vergangenen drei Tagen etwa 1000 Anrufe, mehrere hundert Droh-Mails und mittlerweile auch Drohbriefe erhalten, sagte Thomas Nostadt, Geschäftsführer der Städtischen Wohnbaugesellschaft Lörrach.

Bitte um sachliche Debatte
OB Lutz warb zunächst denn auch um eine Versachlichung der Debatte. „Dieser Vorgang taugt eigentlich nicht wirklich zum Skandal, und es geht auch darum, wie wir miteinander umgehen“, sagte Lutz. Er ging auch darauf ein, dass seit dem Jahr 2014 rund 1200 Flüchtlinge in Lörrach untergebracht worden seien. Auch hätten die Hälfte der Bewohner in den betroffenen Wohnungen an der Wölblinstraße Migrationshintergrund. „Wir können Integration“, sagte Lutz. Im Jahr 2022 hätten laut der vom Land zugewiesenen Quote 592 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Tatsächlich untergebracht wurden aber 638. Dieses Jahr sind 365 Flüchtlinge in der Lerchenstadt unterzubringen.
 

Zum Hintergrund
Mit einem Schreiben vom 15. Februar hat die Wohnbau Lörrach die Mieter der Wölblinstraße 21 bis 29 darüber informiert, dass die betreffenden Wohnungen geräumt und für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden sollen. „Geplant ist, dass etwa zum Jahresende die gesamte Anlage als Flüchtlingsheim genutzt werden kann“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Für Sie bedeutet das, dass wir in Kürze das mit Ihnen vereinbarte Mietverhältnis kündigen werden. Allerdings werden wir Ihnen alternativen, geeigneten Wohnraum anbieten und Sie beim Umzug unterstützen, auch finanziell.“
Betroffen sind insgesamt 30 Haushalte, wobei der größte Teil (namentlich 22) Ein-Personen-Haushalte sind, wie Thomas Nostadt von der Städtischen Wohnbau Lörrach darlegte. Es handelt sich um Gebäude aus der Nachkriegszeit, die den heutigen Anforderungen etwa an den Schallschutz nicht mehr genügen würden und ohnehin das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hätten. „Es gab nie einen Sanierungsplan für diese Gebäude“, sagte Nostadt. Es sei stets von einem Abriss die Rede gewesen.
Laut Nostadt erhalten die betroffenen Mieter je nach ihrem Einkommen einen Umzugspauschale von 1500 bis 2000 Euro. Ihnen würde aus dem Bestand der Wohnbau eine bezahlbare Wohnung im Quartier ihrer Wahl angeboten. Es handle sich dabei entweder um eine Neubauwohnung mit Erstbezug oder um eine frisch sanierte Wohnung.
 

Müssen alle Mieter raus?
Gleichwohl müssen wohl nicht alle Mieter raus. Nostadt: „Wer partout nicht aus seiner Wohnung heraus will, den werden wir nicht zwingen.“ Allerdings habe sich jüngst beim Bebauungsplanverfahren „Neue Mitte Nordstadt“, als 126 Mieter im Zuge der Stadtentwicklung ihre Wohnungen räumten, gezeigt, dass die Mieter mit ihren neuen Wohnungen zufrieden waren. „Wir haben keinen einzigen Rechtsstreit verursacht“, sagt Nostadt.
 

Was die Politik sagt
Auch von Politikerseite hat es zahlreiche Stellungnahmen zu dem Sachverhalt gegeben. Der Lörracher Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann (SPD) sieht die Empörung über die „nicht ideale Kommunikation“ zur Kündigung von Mietern der Wohnbau Lörrach an der falschen Stelle: „Es kümmert zu wenige, wenn Investoren Menschen kündigen und Wohnungen danach teurer vermieten oder als Spekulationsobjekte leer stehen lassen.“
Von der Grünen-Fraktion heißt es, der Plan zur Unterbringung von Flüchtlingen sei „in der Sache sicher gut gemeint und durchaus sinnvoll“. Zugleich aber habe die Wohnbaugesellschaft in ihrer Kommunikation mit den Mietern nicht „mit der nötigen politischen Sensibilität für die Brisanz des Themas agiert“. Zugleich heize die Debatte in den „sozialen Netzwerken“ mit verzerrten Darstellungen billige Emotionen an, die sich wohlfeil bewirtschaften ließen.
Der AfD-Kreisverband Lörrach schreibt in einer Pressemitteilung, er solidarisiere sich mit den betroffenen Mietern und biete an, diese per Protest „gegen den skandalösen Rausschmiss durch die Stadt Lörrach“ zu unterstützen. Und weiter: „Wir fordern endlich Abschiebungen von Illegalen statt Abschiebung der deutschen Staatsbürger aus ihren Wohnungen.“

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