Lörrach Handwerkskunst und Kreativität

mek
Während Inhaber Oliver Bohn (l.) für die unternehmerischen Entscheidungen und Entwicklungen Verantwortung trägt, ist Günter Amann als Freund und Berater und nach wie vor als herausragendes Vorbild zugegen. Foto: zVg Foto: mek

Interview: Oliver Bohn über die Herausforderungen des Friseurberufs und den Jubiläumsabend im „TonArt“

Das „Ausbildungszentrum für Friseure Amann+Bohn“ feiert am morgigen Samstag sein 50-jähriges Jubiläum – unter anderem mit einem Abend im Zeichen der Frisurenmode. Zum fünften runden Geburtstag hat unsere Zeitung Inhaber Oliver Bohn Fragen zum Friseurhandwerk und der Abendveranstaltung im TonArt unter dem Motto „Die internationale Welt der Haare“ gestellt.
 

Herr Bohn, welche Eigenschaften zeichnen einen guten Friseur aus?
Zunächst braucht es Einfühlungsvermögen, um bei der Beratung herauszufinden, was denn wirklich die Wünsche der Kunden sind. Eine hohe Kompetenz in der Kommunikation ist dabei von großer Bedeutung. Wenn eine Kundin mit dem Ergebnis unglücklich ist, kommt das in der Regel aus Missverständnissen in der Beratung. Dass die handwerkliche Perfektion und das Gefühl für die organische Materie „Haar“ vorhanden und stets weiterentwickelt werden muss, versteht sich dabei von selbst.

Was macht für Sie die Faszination des Berufs aus?
Das sind viele Aspekte! Zunächst einmal ist es die Arbeit mit Menschen, die Gespräche, die Persönlichkeiten. Ich unterhalte mich an einem Tag – neben dem Fachthema Haare – mit dem Ingenieur über die Flexibilität von Flugzeugtragflächen, mit der Mutter über Kindererziehung, mit dem Kommunalpolitiker über die Straßenführung, mit dem Spediteur über Strafzölle, über Kochrezepte, Bürgermeisterwahlen, Mode und Trends. Also alleine schon die „Begleiterscheinung Unterhaltung“ liefert so einen interessanten und vielseitigen Alltag wie kein anderer Beruf. Und dann natürlich das Eigentliche: handwerkliche Kunst, fachliche Perfektion, Kreativität, immer direkt ein erlebbares Ergebnis zu sehen und die Menschen glücklich zu machen, das fasziniert immer wieder aufs Neue.

Wie schwer ist es, Nachwuchs für dieses Handwerk zu finden?
Sehr schwer! Tatsache ist, dass sich deutschlandweit bei den Friseuren die Anzahl der Auszubildenden in den vergangenen 15 Jahren halbiert hat, und der Trend setzt sich fort. Wer Mitarbeiter und Lehrlinge sucht, der muss sich inzwischen einen Namen als guter Ausbilder und Chef erarbeiten. Das Handwerk hat generell Probleme, Nachwuchs zu finden, unsere Branche ist davon leider stark betroffen. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen wie Image und Bezahlung, aber auch mit den die relativ starren gesetzlichen Vorgaben zum Ablauf der Ausbildung. Aus meiner Sicht wird viel zu wenig Rücksicht auf die schulische Vorbildung der jungen Menschen genommen. Im Alter zwischen 16 und 19 Jahren passiert sehr viel in der Entwicklung der jungen Menschen, da lässt unsere duale Ausbildung zu wenig Flexibilität zu.

Hat der Beruf ein Image-Problem bei jungen Leuten?
Wir haben sogar zwei Image-Probleme. Das Eine ist das Problem mit der Bezahlung. Egal ob bei Fernsehreportagen oder Zeitungsberichten, wenn es um Mindestlöhne ging, wurden wir Friseure immer als Beispiel genommen. Wieder und wieder wurde unser Beruf als unterbezahlt dargestellt. Wenn ein Kind den Wunsch äußert, Friseur zu werden, sind die Eltern bereits dagegen und ermahnen, doch etwas „Anständiges“ zu lernen anstelle dieser angeblich kreativen, brotlosen Kunst.
Das zweite Image-Problem ist eben die Kreativität. Viele glauben unser Job bestünde nur aus Kreativität. Ja, diese brauchen wir, aber wenn ich nicht auf Menschen zugehen kann, wenn ich die Bereitschaft zur Kommunikation, zum Umgang mit Menschen nicht mitbringe, dann kann ich Kunden weder verstehen noch begeistern. Wenn mir also ein Bewerber als Motivation nur die Kreativität angibt, habe ich Bedenken.  

Im Friseurhandwerk arbeiten hierzulande in erster Linie Frauen. Weshalb verdienen sie im Vergleich zu anderen Handwerksberufen noch immer eher bescheiden? Liegt es auch daran, dass Frauen im Berufsleben tendenziell immer noch weniger verdienen als Männer?
Nein, der Verdienst einer Friseurin oder eines Friseurs hängt davon ab, wie viel die Kunden bezahlen. Fakt ist doch: Nicht der Chef bezahlt die Mitarbeiter, sondern er nimmt das Geld von den Kunden und verteilt es anschließend an die Produktlieferanten, Vermieter, Finanzamt, Versicherungen, usw., und eben auch als Lohn an die Mitarbeiter, und mit etwas unternehmerischem Geschick bleibt dann auch noch etwas davon im Unternehmen. Im Vergleich zu anderen Handwerken tut sich so mancher Kunde schwer, den gleichen Stundensatz wie üblich auch beim Friseur zu bezahlen. Vergleichen Sie doch selbst einmal, wie lange Ihre Friseurin an Ihnen arbeitet und was Sie dafür bezahlen, und das Vergleichen Sie dann mal mit anderen Gewerken. Da muss an der ganzen Situation gearbeitet werden.

Wie sehr setzt die betont günstige Konkurrenz den etablierten Salons zu?
Immer weniger. Bei sehr niedrigen Preisen können keine Löhne bezahlt werden die deutlich über Tarif liegen. Bei dem Fachkräftemangel, den wir haben, bedeutet das massive Mitarbeiterengpässe. Inzwischen haben wir in ganz Deutschland komplett eingerichtete Friseurfilialen, die geschlossen bleiben, weil keine Mitarbeiter  zu bekommen sind, sogar hier bei uns in dieser strukturstarken Region. Außerdem haben sich diese etablierten Salons durch Qualität und Service etabliert und leben von Kunden, die genau das wollen.

Warum sind in den Salons nur wenige Friseure und Friseurinnen über 50 Jahre zu sehen?
Die durchschnittliche Verweildauer in unserem Beruf liegt bei rund sieben Jahren. Danach verlassen die Mitarbeiter die Branche, weil Kinder kommen oder weil man etwas anderes machen möchte, unter Umständen natürlich auch wieder wegen der Bezahlung, und finden dann nicht mehr zurück. Das ist sehr schade, denn es würde unserer Branche gut tun, auf erfahrene, menschlich gereifte Fachkräfte zurückgreifen zu können!

Wie hat sich das Berufsbild verändert?
Vor 50, 60 Jahren saß die Kundin in einer Reihe von fünf Kundinnen, geschnitten wurde mit dem Messer, so dass die Form passte, es wurde eingelegt und frisiert, alle paar Monate eine Dauerwelle, um die Frisur auch haltbar zu machen. Für die Frisur war der Friseur verantwortlich, die musste halten bis zum nächsten Besuch, denn da wurden die Haare erst wieder gewaschen. Heute haben wir ein komplett anderes Bild. Es zählt der Haarschnitt und die Farbe, der Rest muss für die Kundin selbst zu machen sein. Die Haare werden selbst gewaschen und gestylt, und dafür muss der Haarschnitt gemacht sein. Also genau genommen musste der Friseur früher das Endprodukt liefern, heute machen wir das zwar auch, aber es muss von der Kundin selbst jederzeit reproduzierbar sein! Außerdem sind wir heute viel weiter, was die Haarfarben angeht. Zum einen in der Zusammensetzung der Produkte, was einiges an Fachwissen für die Anwendung erfordert, zum anderen aber auch in der Kombination zwischen Schnitt und Farbe. Hier kommt wieder die Beratungskompetenz ins Spiel.

Welche Trends werden auf Ihrem Kongress erörtert? Was erwartet Gäste bei der Kundenveranstaltung am Samstagabend?
Wie immer bei unseren Modekongressen werden wir  aktuelle  Frisurentrends in Schnitt, Farbe und Styling erarbeiten, so dass die teilnehmenden Friseure diese direkt im Salon umsetzen können. Allerdings holen wir zum 50-Jährigen nicht nur einen Gastakteur, sondern mit internationalen Stars der Branche aus Antwerpen, Zürich, Rom und Minneapolis die ganze Modewelt nach Lörrach!
Bei der Abendveranstaltung für Kunden und Interessierte werden zunächst von unserem Team die vergangenen 50 Jahre in Haaren gezeigt. Anschließend werden auch hier unsere internationalen Gäste ihre Trends auf die Bühne bringen. Das ganze wird mit Sekt und der ein oder anderen Überraschung ein toller Abend voller Leidenschaft für Haare.


 Eintrittskarten für den um 19.30 Uhr beginnenden Abend gibt es im Vorverkauf für zehn Euro in der Friseurschule Amann+Bohn sowie bei Intercoiffure Bohn, Arndtstraße 12 in Lörrach

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