Lörrach Huldigung an einen Kino-Visionär

Die Oberbadische
In der Rolle des Andreij Tarkovskij gab Schauspieler Mathias Noak im Theater im Hof eine brillante Charakterstudie ab. Foto: Bronner Foto: Die Oberbadische

„Hommage à Andrej Tarkovskij“ in aktueller Eigenproduktion im Theater im Hof

Von Walter Bronner

Kandern-Riedlingen. Den gedanklichen Assoziationen des Publikums sind kaum Grenzen gesetzt in der aktuellen Eigenproduktion des Riedlinger Theaters im Hof, mit der Hausherr und Schauspiellehrer Dieter Bitterli dem bedeutenden russischen Filmregisseur Andrej Tarkovskij (1932 – 1986) eine packende Hommage widmet.

Gemeinsam mit dem mehrfach ausgezeichneten und schon öfters in Riedlingen präsenten Schauspieler Mathias Noack entwickelte Bitterli eine dramaturgisch unter die Haut gehende Collage aus Texten, Szenen, Tagebuchnotizen, Filmausschnitten, Schatten- und Geigenspiel. Wesentlichen Anteil daran haben auch Ausstattung und Ambiente: die riesige Kastanie mit ihrer alles überdachenden Blätterkrone, neben ihr ein längliches rechteckiges in Holz gefasstes Gewässer von etwa 30 Quadratmetern, an dessen Stirnseite eine große Leinwand und am Ende ein primitiver Tisch nebst schäbigem Stuhl, an dem der Protagonist sein bewegtes Leben reflektiert.

Noack verkörpert diesen innerlich zerrissenen, vor Kreativität strotzenden und von rebellischem Widerspruchsgeist besessenen großen Visionär des Kinos grandios. Wenn er trotzig auftrumpfend durch das Holzbassin watet, sich über das Wasser beugt, sein langes Haar darin eintaucht und dann schüttelt, wird spontan klar, was Bitterli mit „Wasser brennt“, dem Titel seiner Hommage, im Sinn hatte. Gebannt folgt das zu beiden Seiten des Bassins platzierte Publikum den Monologen, in denen dieser in finanzieller Misere steckende Tarkovskij die Liste seiner Gläubiger und was er ihnen schuldet, seinen Sohn-Vater-Konflikt, Drehbuch-Szenen, Traumbilder, inklusive einer visionären Begegnung mit seiner verstorbenen Mutter oder die 35 Einwände der sowjetische Kulturbürokraten und Zensurbanausen gegen seinen Film „Solaris“ teils subtil rezitiert, teils drastisch austobt.

Neben ihm agiert der elfjährige Lauri Frieden als „der Junge“, der in poetischen Schattenspielen hinter der Leinwand mit dem Vater einen Baum pflanzt und diesem später immer wieder mit Wasser begießt. Wirksam beteiligt ist ferner die Musikerin Rike Kohlhepp, die das Geschehen mit meist enervierend monotonen und mitunter von ihrer Stimme ostinato überlagertem Geigentönen oder mit atonalen Intervallen und gegen Schluss mit zwei Sätzen aus einer Solopartita von Bach flankiert. Optische Zutaten sind zudem kurze Filmsequenzen aus „Solaris“ und die Schlussszene aus „Opfer“ und die stete Leinwandreflexion sich kräuselnder, kringelnder oder heftig wogender Wellen im eingefassten Wasser.

Die physische dramatische Präsenz der Akteure, das Leinwandgeschehen, die poetischen Schattenspielszenen und die musikalischen Formeln kulminieren hier zu einem komplexen Geschehen, das sich zu einer eigenständigen Kunstform verfestigt. Letzte Gelegenheit, das Tarnowskij-Projekt noch einmal mitzuerleben, besteht am heutigen Samstag um 21 Uhr.

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