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Lörrach „Ich brauche diese Zeiten immer öfter“

Die Oberbadische

Mein Wort zu Weihnachten: Pfarrer Tobias Walkling, Lukasgemeinde Inzlingen, über Feste und Rituale

Von Tobias Walkling

Lörrach. „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann …“ – Ja, was ist dann, frage ich die Viertklässler. Und die Klasse singt mir voller Inbrunst im Chor zurück: „Dann steht das Christkind vor der Tür!“ Es wird gefeiert, es gibt Geschenke, gutes Essen, Besuche werden unternommen, manchmal sogar quer durch die ganze Republik, zu Oma und Opa, Onkels und Tanten, Mama oder Papa, je nachdem. Weihnachten ist ein großes Fest. Das ist für Kinder sonnenklar. Kinder lieben Feste und Rituale und vor allem die Bestätigung, die man in ihnen erfahren kann. Das brauchen Kinder zum Heranwachsen wie die Luft zum Leben. Blöd für den, der das verpennt!

„Advent, Advent…“ , singe ich das Lied im Kreise erwachsener Menschen ist der Ausgang nicht so sicher. Das haben zumindest die diesjährigen Konfirmandinnen und Konfirmanden bei einer Umfrage während des Lörracher Weihnachtsmarktes festgestellt.

Klar, da gibt es nach wie vor die Fraktion, die, sobald der letzte Kürbis verschrumpelt ist, außen wie innen auf Weihnachten stylt. Das sieht nicht immer gelungen aus, aber in den meisten Fällen riecht das gut und schmeckt lecker. Aber es gibt eben auch andere, Zwischentöne, die irritieren und verletzen können: „Weihnachten, die große Harmonisierungspampe wider alles, was bis dato nicht gelungen ist“. Kurz: „Alles nur Schein!“

„Advent, Advent…“, ich merke in mir, dass das zauberhafte und wundervolle der Advents- und Weihnachtszeit nicht mehr so selbstverständlich zündet wie in der Kindheit. Gut, ich bin eben älter, was bekannt mit Unschuldsverlust zusammenhängt, aber das ist nur die halbe Antwort. Die andere Hälfte ist ganz offen gesagt, dass ich vieles meiner Gegenwart, deren „Member“ wie „Follower“ ich gerne bin, dass ich vieles eben dieser Gegenwart „nicht mehr auf die Kette“ bringe. Und das ist mir gleich zu Beginn bewusst geworden: Freitag, 29. November, 4. Klimastreik, „Fridays for Future“, Schülerinnen und Schüler bundesweit auf den Straßen. Die Angst um die Zukunft quält sie. Ein Klick weiter. Freitag, 29. November, „Black Friday“, Online-Handel boomt weltweit. Kapitalismus in Ekstase. Kaufen, Kaufen, immer günstig, nach den Kosten fragt keiner.

„Advent, Advent…“, ich weiß, da braucht es mehr als eine oder vier Kerzen oder einen ganzen brennenden Tannenbaum, um gegen diese gedruckten Tatsachen anzuleuchten. Ich weiß auch darum, dass vielleicht vor 2000 Jahren der Himmel auf die Erde gekommen sein mag, die Erde dadurch aber nicht unbedingt zum Himmel wurde. Ich sehe alltäglich das Schmelzen der Pole, das Schmelzen der Freiheit, des Vertrauens, der Beziehungen. Das Wasser steigt und die Angst um die Rettungsboote auch.

Besinnliche und nachdenkliche Zeiten

„Advent, Advent…“, trotzdem brennen auch dieses Jahr Legionen von Lichtern gegen jede empfindbare Dunkelheit. Glaube, Liebe, Hoffnung. Ich glaube, wir Menschen brauchen das wie die Luft zum Atmen. Genauso wie die festen Zeiten, die ihren ganz eigenen Geruch und Schmuck haben. Besinnliche, nachdenkliche Zeiten. Zeiten für Himmel, Erde und mich. Zeiten der Bestätigung. Ich merke jedenfalls, ich brauche diese Zeiten immer öfter.

„Advent, Advent … und wenn die vierte Kerze brennt, dann …“ möge für Sie Weihnachten sein, Ihre Erde der Himmel und der Himmel für Sie wahr. Frohe und gesegnete Weihnachten!

Umfrage

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