Lörrach Ideen für die Innenstadt der Zukunft

Bernhard Konrad
 Foto: Kristoff Meller

Perspektiven: Kommission Wirtschaft und Standortentwicklung erörtert Weichenstellungen für das Stadtzentrum.

Lörrach - Lörrach hat eine attraktive Innenstadt. Damit das so bleibt, muss sie sich wandeln. Wie? Das ist ein Gedankenspiel mit ebenso vielen Chancen wie Unwägbarkeiten. Die zentrale These einer digitalen Sitzung der Kommission „Wirtschaft und Standortentwicklung“ am Dienstagabend lautete: Die dominierende Bedeutung des Handels wird zu Gunsten einer größeren Nutzungsvielfalt zurückgehen.

Kein "weiter wie bisher"

Die Stadt erholt sich allmählich von den coronabedingten Einschränkungen, das Leben kehrt in die Fußgängerzone zurück, die Kundenfrequenz in den Geschäften zieht an – auch wenn viele Bürger noch immer durch permanente Regeländerungen verunsichert sind, wie Einzelhändler Peter Vogl berichtete. Aller Voraussicht nach sind Ende der Woche weitere Lockerungen zu erwarten. Aber: Einfach ein „weiter so“ wie bisher könne es nicht geben, sagten Oberbürgermeister Jörg Lutz und die Geschäftsführerin der Lörracher Wirtschaftsförderung, Marion Ziegler-Jung, unisono.

Denn: Die Corona-Krise hat dem Online-Handel einen kräftigen Schub verliehen – nicht alle Kunden werden den Weg zurück in die Läden finden. Deutlich wurde auch: Eine verlässliche Garantie für einen nie versiegenden Strom Schweizer Kundschaft gibt es ebenfalls nicht. Zudem ist die Innenstadt nicht mehr in jeder Hinsicht „auf der Höhe der Zeit“, sagte Lutz.

Kräftiger Schub für Online-Handel

Mit dem Neubau des LÖ, der Umgestaltung von Bahnhofsplatz und Basler Straße sowie der Aufwertung des Hebelparks wurde an ihren Rändern einiges getan. Hinzu kommen Maßnahmen wie die Einrichtung von Ruhezonen – „Parklets“ – und Ausbesserungen des Bodenbelags. Aber das reiche als Weichenstellung nicht aus.

In Gesprächen mit etlichen lokalen Händlern und Gastronomen wird zunächst der Handlungsbedarf aus Sicht der Interview-Partner ermittelt. Zusätzlich wurden mit Beteiligung der Wirtschaftsförderung bereits einige Ideen als „Sofortmaßnahmen“ umgesetzt oder aufgegleist: unter anderem die Kampagne „Lörrach legt los“, in der sich Vertreter aus Handel, Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen präsentieren – auch in den sozialen Medien.

Angedacht: Sommerfest mit Musik und verkaufsoffenem Sonntag

Wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, ist zudem am 24. und 25. Juli ein Pro Lörrach-Sommerfest mit Musik und verkaufsoffenem Sonntag geplant. Vorgesehen ist darüber hinaus eine Postkarten- und Picknick-Aktion. In die Umsetzung sind stets mehrere Akteure – Handel, Gastronomie, Kultur und Tourist-Info – eingebunden.

Erfolgreiche Zusammenarbeit dürfte ohnehin ein Schlüssel zur Bewältigung mittelfristiger Zukunftsaufgaben sein. Unterdessen lautet allerdings eine – ungelöste – Kernfrage: Wenn der klassische Handel aufgrund des wachsenden Online-Geschäfts zurückgedrängt wird: Was kommt statt dessen?

Den Innenstädten stünde ein Wandel ohne Beispiel bevor. Sie wurden seit Mitte des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr auf den Einzelhandel zugeschnitten. Dass dieser künftig stärker durch das Thema „Wohnen“ sowie soziale und nicht kommerzielle Nutzungsvarianten ergänzt werden soll, wurde als Wunsch mehrfach betont.

Doch bilden etwa die Vermieter in diesen Überlegungen eine wichtige, gleichwohl schwer einzuschätzende Größe. Viele der genannten Alternativnutzungen brächten ihnen deutlich weniger Mieteinnahmen als Handel oder Gastronomie. Die Stadt kann an dieser Stelle kaum Steuerungsfunktionen wahrnehmen.  Lutz hofft, dass die Vermieter den Weg des Wandels mitgehen.

Dennoch, so der OB, bleibe etwa die Frage: Wer bezahlt in der Innenstadt bei vergleichsweise hohen Mieten Angebote, die ohnehin schon bezuschusst werden müssen – zum Beispiel die Einrichtung einer Kita? Und: Bislang jedenfalls seien beim Innenstadthandel kaum längere Leerstände zu verzeichnen.

Gastro-Betriebe in reicher Auswahl

Gastro-Betriebe gebe es übrigens schon jetzt in reicher Auswahl, sagte Ziegler-Jung: vom Imbiss bis zum ambitionierten Restaurant. Dass gerade Läden für die schnelle Mahlzeit auf die Hand schon jetzt mehr und mehr zunähmen, merkte Ulrich Lusche (CDU) kritisch an.

Die generelle Debatte über mittelfristige Ziele sowie Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums führte Vogl zurück ins Konkrete – durch einen Blick auf seinen Alltag als Inhaber eines großen Sportgeschäfts.

"Bis zu 60 Prozent sind Retouren“

Dort sind die Herausforderungen mit der Stärkung des Online-Handels noch gewachsen, denn: Neben dem klassischen Geschäft mit personalintensiven Beratungsleistungen bindet auch das Verpacken, Verschicken und die Rücknahme der Waren personelle Kräfte: „Bis zu 60 Prozent sind Retouren“, sagt Vogl. Manche Pakete seien nicht einmal geöffnet worden. So lange das portofrei möglich sei, werde es wohl bei dieser Praxis bleiben. Hier sei die Politik gefordert – auch mit Blick auf den durch Kurierfahrten verursachten CO2- Ausstoß.

Verwaltung und Gemeinderat werden die Innenstadtentwicklung auch im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) betrachten. Dieses wird „zur Sicherung einer qualitätsvollen Stadtentwicklung erarbeitet. Es soll Planungen und Konzepte zusammentragen und die künftig gewünschte Entwicklung der Stadt Lörrach in Leitthemen und -sätzen festhalten“: So beschreibt es die Verwaltung.

Einzelhändler Matthias Koesler (FDP) bat darum, den Blick für Veränderungen und die Bedürfnisse des Handels konsequenter über die Innenstadt hinaus in die Stadt- und Ortsteile zu weiten.

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