Lörrach „Ideologie des Hasses“ entschieden entgegentreten

Die Oberbadische
Das Foto zeigt das Podium am Bildschirm (v.l.): Moshe Flomenmann, Hans-Joachim Friedemann, Rami Suliman, Leo Großmann und Michael Blume.Foto: Regine Ounas-Kräusel Foto: Die Oberbadische

Wochen gegen Rassismus: Online-Podiumsdiskussion über „Antisemitismus an Schulen“

Lörrach (ouk). Antisemitismus an Schulen ist ein Problem – nicht nur in Lörrach. Wichtig ist, dass die Schulen schon bei scheinbar kleinen Vorfällen wie Judenwitzen oder dummen Sprüchen gegen Juden einschreiten. In diesen Punkten waren sich alle Teilnehmer bei der Podiumsdiskussion über „Antisemitismus an Schulen“ einig, die die Israelitische Kultusgemeinde Lörrach am Dienstag organisiert hatte. Schülerinnen und Schüler waren eingeladen, nach Voranmeldung über einen Chat Fragen zu stellen.

Leo Großmann, Schüler am Hans-Thoma-Gymnasium, hat schon dumme Sprüche und Beleidigungen erlebt. Dies bestätigte er auf Nachfrage von Moderator Lars Frick, Fachbereichsleiter für Medien und Kultur im Rathaus. Großmann hatte mehrere Schulen in den USA und England besucht, bevor er nach Lörrach kam. In seiner jüdischen Gemeinde in den USA habe es viel mehr Jugendliche gegeben als hier.

In den USA habe er viel selbstverständlicher als Jude gelebt als hier, sagte er: „Ich habe nicht zweimal darüber nachgedacht.“ Leo Großmann betonte immer wieder, dass er es nicht zum großen Vorfall aufbauschen wolle, wenn an einer Schule dumme Sprüche gegen Juden fallen. Aber er wünschte sich einen offenen Dialog darüber innerhalb der Schule: Lehrer sollten in Fortbildungen lernen, wie sie reagieren können, fand er. Außerdem glaubte er, dass viele Jugendliche stereotype Bilder von Juden im Kopf haben, geprägt von Medien und vom Geschichtsunterricht: „Und dann treffen sie mich“, sagte er und wünschte sich Offenheit.

„Antisemitismus ist eine Ideologie des Hasses“, sagte Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung. Antisemitismus sei eine Mischung aus Rassismus und Verschwörungstheorien, auch aktuell in der Corona-Pandemie. Er forderte, dass die Justiz gegen Wortführer wie Attila Hildmann vorgeht. Obwohl die meisten Menschen sehr offen und interessiert seien, würden Antisemiten im Echo der digitalen Medien immer lauter. Auch die Zahl der Straftaten gegen Juden nähmen zu. Die Diskutanten erinnerten an das Attentat auf die Synagoge in Halle und sprachen von 1900 antisemitischen Straftaten im vergangenen Jahr.

Auch Blume forderte, antisemitische Vorfälle in Schulen konsequent anzusprechen. Wer einen Jugendlichen auf ein solches Fehlverhalten aufmerksam mache, gebe ihm eine Chance, sich frei und ohne Hass zu entwickeln.

Da die meisten jüdischen Gemeinden in Baden klein seien, gebe es an den Schulen meistens nur ein, zwei oder vielleicht drei jüdische Schüler, berichtete Rami Suliman, der Vorsitzende des Oberrates der israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden. Der Oberrat versuche, sie durch Gemeinschaftserlebnisse zu stärken. Er berichtete von Auftritten beim Songcontest „Jewrovision“, mit bis zu 1500 jüdischen Jugendlichen.

Hans-Joachim Friedemann, Leiter des Schulamtes Lörrach, und Michael Hermann vom Kultusministerium, der online zugeschaltet war, berichteten, wie man mit Lehrerfortbildungen und Schulkonzepten für einen Schulbetrieb sorgen kann, in dem Schüler Vielfalt positiv erleben. Sie wiesen auch auf das Melderegister hin, über das Schulen in Baden-Württemberg seit 2017 antisemitische und diskriminierende Vorfälle melden müssen.

Rabbiner Moshe Flomenmann erinnerte daran, dass in Deutschland seit 1700 Jahren Juden leben. Er lud Schulklassen und alle Interessierten zu Führungen in der Jüdischen Gemeinde Lörrach ein. Im vergangenen Jahr habe man mit rund 100 Polizeibeamten bei Führungen sehr offene Gespräche geführt, sagte Flomenmann, der als Polizeirabbiner auch den Beamten, die für die Sicherheit der jüdischen Synagogen sorgen sollen, das Judentum nahebringen will. „Fragen Sie, stellen Sie uns ihre Fragen“, warb er: Das Judentum sei die Mutter der anderen monotheistischen Religionen Christentum und Islam: „Wir sind Brüder und Schwestern.“

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