Lörrach Jetzt werden Weichen für die Zukunft gestellt

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Oase auf dem Campus Rosenfels: das Kamel-ion Foto: Mirjana Stifter

Jubiläum: Kamel-ion-Leiterin Sibylle Burkart über Anfänge, Entwicklung und Perspektiven des Schülercafés

Frage: Frau Burkart, 25 Jahre Kamel-ion: Was war der Gründungsimpuls für das Schülercafé?

Damals befanden sich Vereinsräume des CVJM in der mittleren Etage des Gebäudes. Oben und im Erdgeschoss waren Wohnungen. Unser CVJM-Mitglied Petra Becker hat als Mutter zweier Töchter am Hans-Thoma-Gymnasium gesehen, dass die Schüler in der Mittagszeit keine Anlaufstelle im Schulquartier hatten. Hieraus entstand der Impuls, ein Schülercafé ins Leben zu rufen: eine offene Tür an den Schultagen.

Wir als Vorstand haben uns von der Idee begeistern lassen und die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Steinen als Vermieterin gebeten, uns das Erdgeschoss zur Verfügung zu stellen, sobald es frei wird.

Das war tatsächlich nicht allzu lange Zeit danach der Fall, so dass wir am 1. Mai 1997 das Café als Teil des CVJM eröffnen konnten.

Frage: Was wurde damals geboten?

Anfangs hat Petra Becker vieles alleine gestemmt, unterstützt von zwei, drei Ehrenamtlichen und vom Vorstand. Der Zuspruch war allerdings von Beginn an so groß, dass bald klar war: Wir brauchen mehr Personal. Schon 1998 kam die Stelle für einen Zivildienstleistenden dazu: Sie wurde von der Stadt finanziert. Im Grunde versuchen wir seither, der großen Nachfrage gerecht zu werden (lacht).

Frage: Wer hat die Miete gezahlt?

Wir selbst. Aus Einnahmen, Spenden und Aktionen wie Sponsorenläufen. Wobei das ehrenamtliche Engagement immer das meiste Geld gespart hat. Man muss auch das gute Miteinander mit der evangelischen Kirchengemeinde hervorheben. Das Haus war zwar nicht in einem Top-Zustand, aber die Miete war dafür auch günstig.

Frage: Wie würden Sie das Kamel-ion als Einrichtung in den Anfangsjahren beschreiben?

Das Kamel-ion war von Beginn an ein offener Begegnungsraum für Schüler. Damals gab es noch kein G8, insbesondere die Oberstufenschüler hatten wesentlich mehr Zeit zur Verfügung, so dass die älteren Schüler in den Anfangsjahren deutlich präsenter waren.

Frage: Wie hat sich das Schülercafé in den Nuller-Jahren entwickelt?

Ich kam im Jahr 2000 in die Leitung, nachdem die Familie von Petra Becker umziehen musste. Damals arbeitete ich mit zwei ehrenamtlich engagierten Frauen zusammen, hinzu kamen die Zivi- und eine FSJ-Stelle (Freiwilliges soziales Jahr, d. Red.). Es war klar, dass wir personell weiter aufstocken müssen. Nach und nach konnten wir die ehrenamtliche Arbeit ausbauen. Bald kam eine halbe Stelle für die Hauswirtschaft hinzu. Anfangs war ich fast rund um die Uhr hier: Ich bin ja Sozialpädagogin und hatte von Gastronomie im Grunde keine Ahnung.

Frage: Mit der Zeit ist das Kamel-ion gewachsen, die Küche wurden modernisiert, das Sortiment über das Mittagessen hinaus erweitert. Wie hat sich die Schülerschaft verändert?

Einige Gruppen haben das Kamel-ion fast durch die gesamte Schulzeit hindurch besucht. G8 hat sicher dazu geführt, dass durch die Unterrichtsverdichtung weniger Oberstufenschüler ins Café kamen. Die strukturelle Veränderung des Schulquartiers und die Öffnung der Realschule zum Campus-Rosenfels und damit auch zum Kamel-ion hin hat nochmal eine Veränderung nach sich gezogen. In der Summe hat das zusätzliches Leben in die Bude gebracht. Sobald aber die fünften und sechsten Klassen das Café dominieren, wird es für die älteren Schüler unattraktiver. Das war ein dynamischer Prozess. Tendenziell wird das Angebot mittlerweile über die Mittagszeit stärker von fünften und sechsten Klassen genutzt. In den Vormittagspausen ist es bunt gemischt.

Frage: Wie wirkt sich in Ihrer Wahrnehmung dieser veränderte, verdichtete Schulalltag auf die Kinder aus?

Dies hat unter anderem dazu geführt, dass auch die Aufgaben der Schulsozialarbeit in der Einzelfallhilfe zugenommen haben – etwa mit Blick auf Interventionen bei Mobbing und anderen Problemen. Corona hat viele Problemlagen der Schüler nochmals verschärft. Wir haben auch den Eindruck, dass eine Menge Schüler nach dem Entfall der Grundschulempfehlung mitunter in der Schule überfordert sind. Das schafft Frust. Wir hatten früher nie Probleme mit der Disziplin der Schüler, mit Vermüllung oder Sachbeschädigung: Wir stellen hier aber seit rund zehn Jahren eine ansteigende Tendenz fest.

Frage: Ein Meilenstein war der Erwerb und die Sanierung des Hauses durch die Lörracher Bürgerstiftung. Wie kam es dazu?

Die evangelisch-lutherische Kirche hatte nicht die finanziellen Möglichkeiten, das Gebäude zu sanieren. Die Stadt wollte das Haus nicht kaufen: Eine Zeit lang waren die Perspektiven völlig unklar. Im Gespräch mit dem ehemaligen HTG-Direktor Hubert Bernnat reifte die Idee, dass dieses Haus für die Bürgerstiftung interessant sein könnte. Und sie hat es letztlich auch erworben und umgebaut.

Frage: Wie hat sich das Miteinander mit der Bürgerstiftung entwickelt?

Wir hatten von Beginn an den Eindruck, dass es für beide Seiten gut passt. Eine win-win-Situation, die uns Planungssicherheit und Stabilität gebracht hat. Frank Hovenbitzer hat sich als stellvertretender Vorsitzender der Stiftung und Architekt sehr für das Projekt engagiert. Wir haben mit dem Umbau einiges an Fläche gewonnen und können heute das gesamte Gebäude nutzen. Am Wochenende werden Räume auch vermietet.

Frage: Wie ist das Kamel-ion über die Corona-Phase hinweggekommen?

Sie war für uns so schwierig wie für so viele andere auch. Zwei Säulen haben uns finanziell geholfen. Zum einen griff bei unseren überschaubaren Lohnkosten die Kurzarbeit, zum anderen wird die Miete durch den städtischen Zuschuss abgedeckt. Eine andere Sache war die Einschränkung unserer pädagogischen Arbeit und die Frage, was wir nach Corona wieder neu entwickeln können. Ich möchte das an dieser Stelle in Erinnerung rufen: Der Kern unserer Arbeit ist nicht, Essen zum Mitnehmen auszugeben, sondern ein offenes Haus zu sein für Schülerinnen und Schüler. Und das ging mit den Corona-Vorgaben überhaupt nicht mehr. Wir waren auf diese Mitnahmeschiene reduziert, offene Jugendarbeit war nicht möglich. Generell werden wir mittlerweile mitunter zu sehr auf „Essen in nettem Ambiente “ reduziert. Wir wollen aber weit mehr sein – aber dieses „weit mehr sein“, ist auch eine Frage von personellen Ressourcen und Finanzen – daran haben wir uns in der Corona-Phase wieder stärker erinnert. Darüber sind wir aktuell auch mit der Stadt im Gespräch.

Frage: Mit welchem Ziel?

Die bisherige Arbeit wird zu großen Teilen von ehrenamtlichem Engagement getragen. Mehr und mehr wird deutlich, dass dieses Konzept schwieriger und mittelfristig nicht mehr in dieser Form möglich sein wird. Perspektivisch benötigen wir pädagogische Stellenanteile, um den wachsenden Anforderungen der Begleitung der Schülerschaft gerecht zu werden und eingesetzte Ehrenamtliche und Bundesfreiwillige adäquat anleiten zu können. Seit Jahrzenten hatten wir das Glück, dass dies ehrenamtlich eingebracht werden konnte – was sich in absehbarer Zeit ändern wird. Auch die Leitung dieser Arbeit wird bisher rein ehrenamtlich geleistet. Hier brauchen wir mittelfristige Perspektiven, die mit der Stadt und auch anderen Partnern derzeit diskutiert werden.

Frage: Wohin soll der Weg des Kamel-ion führen?

Als CVJM haben wir in Lörrach neben dem Schülercafé einen anderen großen Bereich: die Sportarbeit, den Basketball. Wir denken darüber nach, wie wir die Bereiche der Jugendarbeit stärker verzahnen können.

Ich sehe auch die Notwendigkeit zur Bereitstellung personeller Ressourcen nach Schließung des Kamel-ions um 14 Uhr. Nicht als klassisches Nachhilfeangebot, sondern als offener Rahmen zum Verweilen, in dem es gegebenenfalls auch ein bisschen Unterstützung bei den Schularbeiten geben kann.

Wenn wir künftig mehr Priorität auf die Jugendarbeit setzen, müssten wir womöglich unser Engagement für das Essen reduzieren – zumal es ja mittlerweile die Mensa und weitere Angebote gibt. Wollen wir beides in gleichen Umfang bieten, bräuchten wir mehr Mittel.

Wir befinden uns an einer Schnittstelle: Jetzt werden die Weichen für die kommenden fünf bis zehn Jahre gestellt.

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