Lörrach Jörg Roßkopf hat die Lörracher Fasnacht geprägt

Bernhard Konrad
Jörg Roßkopf: „Michael Lindemer wird mit einem Team von 15 guten Leuten zwischen 30 und 45 Jahren für das Amt des Obergildenmeisters und den Vorstand der Narrengilde kandidieren. Das ist für die Lörracher Fasnacht ein echtes Glück.“ Foto: Kristoff Meller

Nach fast 25 Jahren als Obergildenmeister wird sich Jörg Roßkopf heute Abend bei der Hauptversammlung der Narrengilde nicht mehr zur Wahl stellen. Im Abschiedsinterview mit unserer Zeitung zeigt er sich zuversichtlich, dass der Führungswechsel gelingt.

Herr Roßkopf, Sie geben nach 24 Jahren Ihr Amt als Obergildenmeister ab. Was macht die Lörracher Fasnacht im Jahr 2023 aus?

Sie ist groß, bunt, vielfältig und bietet für nahezu jede Fasnächtlerin und jeden Fasnächtler eine Nische. Das war immer mein Ziel.

Was ist die Lörracher Fasnacht nicht?

Sie ist sicher nicht althistorisch und schon gar nicht traditionalistisch.

Wieso hören Sie auf – so kurz vor dem Jubiläum?

Mein eigenes Jubiläum hatte ich nie im Sinn. Seit einigen Jahren schon äußere ich den Wunsch, das von uns gemeinsam Aufgebaute in jüngere Hände zu geben damit es weitergeführt und weiterentwickelt wird. Meine Nachfolger werden das natürlich und hoffentlich auf ihre eigene Weise machen. Der richtige Zeitpunkt zum Aufhören ist jetzt gekommen, weil sich nun eine Lösung für meine Nachfolge und das Leitungsteam der Narrengilde abgezeichnet hat.

Es gibt demnach Kandidaten, die die Lörracher Fasnacht weiterentwickeln möchten?

Michael Lindemer wird mit einem Team von 15 guten Leuten zwischen 30 und 45 Jahren für das Amt des Obergildenmeisters und den Vorstand der Narrengilde kandidieren. Das ist für die Lörracher Fasnacht ein echtes Glück.

Die Gruppe möchte allerdings einen Neustart ohne die bisherigen altgedienten Mitglieder im Vorstand - auch, um potenziell denkbare Konflikte über die Weiterentwicklung unserer Fasnacht mit Mitgliedern der bisherigen Führungsmannschaft zu vermeiden. Diese Nachricht hat beim ein oder anderen natürlich auch zu Verletzungen geführt – vielleicht hätte man es den Betroffenen transparenter und schonender beibringen können; aber das ist ein anderes Thema. Es werden in jedem Fall noch einige aus dem gegenwärtigen Vorstand Teil der nun kandidierenden Crew sein, aber es handelt sich bei diesen ausschließlich um jüngere Vorstandsmitglieder, die erst seit wenigen Jahren dabei sind. Ich persönlich freue mich, dass ich unter diesen Bedingungen aufhören kann. Ich habe versprochen immer da zu sein, falls ich gebraucht werde. Und ich hoffe, dass das für alle meine jetzigen, langjährigen, erfahrenen und äußerst erfolgreichen Vorstandskolleginnen und -kollegen gilt, wenn die erste Enttäuschung verflogen ist. Das ist eine echte Chance für die Narrengilde.

Sie haben vieles verändert und erneuert. Würden Sie es bedauern, wenn sich die Gilde davon lösen würde?

Es kommt drauf an: Wenn sich der Gildenvorstand von Facetten der Fasnacht trennen würde, die großen Anklang finden - beispielsweise den Seniorennachmittag - würde ich das bedauern. Aber wenn Dinge verändert werden, weil sich die Rahmenbedingungen oder das Interesse der Bürger verändert, dann muss das sogar sein. Alles hat seine Zeit. Ich bin überzeugt, dass der anstehende Übergang gut gelingen wird.

Sie haben mit Ihrer Arbeit und dem Willen zur Veränderung das Verständnis des Brauchtumsbegriffs in der südbadischen Fasnachtsszene erweitert. Zur Führungsebene des Verbands Oberrheinischer Narrenzünfte haben Sie ein eher distanziertes Verhältnis. Wird Ihre Leistung von VON-Mitgliedern anerkannt?

Offiziell darf man diesbezüglich keine Signale wahrnehmen oder erwarten können. Natürlich pflege ich aber private und freundschaftliche Kontakte zu Fasnächtlern, die Mitglied einer Zunft im Verband Oberrheinischer Narrenzünfte sind. Ich weiß, deshalb, dass unsere Aktivitäten dort mit Interesse verfolgt werden – mitunter auch mit dem Bedauern, dass manches im VON nicht möglich ist.

Die Fasnacht hat sich zu einem relevanten Wirtschaftsfaktor in Lörrach entwickelt. Wie hat sich in dieser Zeit das Verhältnis zur Stadtverwaltung entwickelt?

Die letzten Jahre waren nicht immer einfach, was die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung angeht. Mitunter hatten wir den Eindruck, dass uns manche Mitarbeiter der Stadt fast schon als Bedrohung – als zu groß, zu mächtig – wahrgenommen haben. Wir haben oft mehr Gegenwind als Rückenwind verspürt. Irritierend war, dass dieser Gegenwind nicht maßgeblich reduziert werden konnte, obwohl wir wissen, dass sowohl Oberbürgermeister Jörg Lutz als auch Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic hinter der Lörracher Fasnacht stehen. Früher hatten wir mehr Rückenwind.

Mag sein, dass das auch an mir selbst liegt. Wir wissen zwischenzeitlich sehr genau, was die Lörracher Fasnacht der Stadt - auch finanziell - bringt und haben deshalb immer wieder auch Forderungen gestellt, die nicht immer gut angekommen sind. Und wir kennen zwischenzeitlich sehr genau den rechtlichen Rahmen für die Fasnacht und fordern dann das ein, was möglich ist und begnügen uns nicht mehr mit dem, was man uns zugestehen will. Das gilt dann als unverschämt, arrogant und undankbar.

Sie gelten als Macher, der auch machtbewusst agiert. Bei der OB-Wahl im Jahr 2014 haben sie als Chef der Narrengilde aus dieser einflussreichen Position heraus offensiv Michael Wilke als Kandidaten unterstützt – und damit auch Stadtpolitik beeinflusst. Im Nachhinein: War das ein Fehler?

Nein. Lokalpolitisches Engagement ist nie ein Fehler. Es war ja nicht die Narrengilde, die Wilke unterstützt hat, sondern ich als Person und drei, vier Kollegen aus dem Vorstand. Es gab im Gildevorstand auch eine Gruppe, die auf Seiten von Jörg Lutz war. Aber am Ende einer demokratischen Wahl gibt es einen Sieger, und so war es nach der Wahl von Jörg Lutz klar, dass er von Beginn an auf meine Unterstützung und konstruktive Zusammenarbeit zählen durfte.

Wenn Sie auf Ihre Zeit als Vorsitzender zurückblicken: Über welche Entwicklung der Fasnacht freuen Sie sich besonders?

Es ist uns gelungen, aus der Fasnacht ein Volksfest zu machen, das nicht einfach aus einzelnen Umzügen besteht. Die Menschen kommen in großer Zahl zusammen, treffen sich, sind fröhlich und feiern friedlich auf den Straßen und Plätzen sowie in den Wirtschaften und Sälen der Stadt. Menschen aus allen Schichten und unterschiedlichster Herkunft bilden eine bunte, offene und tolerante Gemeinschaft. Niemand ist ausgeschlossen. Darüber dürfen wir uns besonders freuen.

Umzüge, Lasser-Gugge-Explosion, Dällerschlägg, Bälle, Empfänge, Narrenbaumstellen, Schnitzelbangg: Wenn Sie als Privatperson die Lörracher Fasnacht besuchen würden und sich für zwei Veranstaltungen entscheiden müssten: Wie würden Sie wählen?

Wenn ich den Fasnachtssonntag mit Narrenmesse und Umzug zusammenfassen darf: Dieser Tag wäre für mich gesetzt. Und dann… schwierig – aber wenn ich tatsächlich nur noch eine Option hätte: die Lasser-Gugge-Explosion. Das sind zwar die beiden größten Veranstaltungstage, aber sie sind so bunt und vielfältig und sie bilden so vieles ab, was die Lörracher Fasnacht ausmacht: einfach schön.

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