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Lörrach "Keenen Sechser in der Tasche"

Regine Ounas-Kräusel
Szene anlässlich der Eröffnung einer Musikschule nach dem Krieg Foto: Regine Ounas-Kräusel Foto: Die Oberbadische

Vokalensemble glänzt mit Konzert „Zeitenwende“ in neuer Musikschule.

Lörrach - Das Vokalensemble der Musikschule spielte am Wochenende im neu bezogenen Musikschulsaal sein Konzert „Zeitenwende“. Mit einer Collage aus Dokumenten aus dem Stadtarchiv und zeitgenössischen Liedern wurde gezeigt, wie sich das politische und kulturelle Leben in Lörrach in den Jahren 1918 bis 1930 entwickelte.

Umwälzung in Deutschland

Als 1918 der erste Weltkrieg endete, begann eine neue Zeit. „Umwälzung in Deutschland – Der Kaiser hat sich entschieden, dem Thron zu entsagen“, lautete die Schlagzeile im Oberbadischen Volksblatt vom 11. November 1918. Deutschland wird Republik. Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Macht – auch in Lörrach.

Auf der Bühne tippt eine junge Frau in hochgeschlossener Bluse die Schlagzeile stilecht in eine Schreibmaschine. Die 18 Sänger und Sängerinnen stimmen das Lied „Das ist nicht mein Krieg“ von Berthold Brecht und Hannes Eisler an.

Die Leiterin des Vokalensembles Susanne Hagen, Musikschullehrerin Ursula Müller-Riether und Theaterpädagoge Tim Krause studierten das Konzert ein. Neben Susanne Haagen am Flügel wirkten auch die Musiker Andreas Wäldele (Violine, Mandoline) und Grischka Brand (Schlagzeug) mit.

Recherchen im Stadtarchiv

Susanne Riether-Müller recherchierte im Stadtarchiv. So erfuhren die Zuhörer von der großen Wohnungsnot in Lörrach nach dem Krieg, von Textilarbeiterstreiks, von Arbeitslosigkeit und der Inflation in den 20er Jahren.

Mit passenden Liedern machte das Vokalensemble diese Zeit erlebbar. Trotzig und rau stimmte eine Sängerin Brechts „Wiegenliede für Arbeitermütter“, in dem die Hoffnung anklingt, dass die Kinder für eine bessere Welt kämpfen werden. Ruhig und beiläufig sang ein Mann das Lied „Keenen Sechser in der Tasche“ über die Hoffnungslosigkeit eines Arbeitslosen. Auch das Erstarken der Nationalsozialisten thematisiert das Ensemble. So erklang das Spottlied „An allem sind die Juden schuld“, in dem Friedrich Hollaender entsprechende Vorurteile ad absurdum führt.

Vor allem aber wollte das Vokalensemble die kulturelle Entwicklung in Lörrach aufzeigen, wozu auch die zunehmende Freiheit für Frauen gehörte. Susanne Müller-Riether entdeckte im Nachlass des damaligen Musikdirektors Albert Hitzig zahlreiche Belege für ein wieder erwachendes Konzertleben.

So sang der Chor einen schönen Chorsatz aus Mendelssohn-Bartholdys Oratorium „Paulus“, weil dieses 1920 in der Stadtkirche aufgeführt wurde. Ein wenig keck sang der Chor eine Arie aus der Operette „Die Fledermaus“, die 1923 im neu eröffneten Theatersaal zur Aufführung kam. Doch auch andere zeitgenössische Lieder erklangen. Da schwofte der Chor zum Beispiel zu Charleston-Rhythmen oder eine Frau becircte einen Mann mit dem Lied „Spiel ich die Unschuld vom Lande“.

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