Lörrach Kein leichtes Los

Die Oberbadische
Foto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Bürgermeisterwahl: Neuhöfer-Avdic siegt durch Losentscheid: eine kommentierende Analyse

Als klare Favoritin angetreten, am Ende nur mit Losglück gegen die starke Gegenkandidatin Susanne Schreiber gewonnen. Monika Neuhöfer-Avdic wird diese Hypothek mit in ihre erste Amtszeit als Bürgermeisterin nehmen. Sie wird alles dafür geben, um diesen Ballast abzuschütteln, um Stadträte wie Bürger davon zu überzeugen, dass sie ein besseres Ergebnis verdient hätte.So ist sie.

Von Bernhard Konrad

Lörrach. An ihrer fachlichen Qualifikation und Arbeit in den vergangenen zwei Jahren kann es nicht liegen, dass sie um ein Haar gescheitert wäre. Obgleich man sich tatsächlich gelegentlich fragt, woher eigentlich dieser Hype um die neue Fachbereichsleiterin kommt. So viel Wirbel wurde um den stillen, aber ebenso beharrlichen und zielorientierten Stadtplanungschef Walther Schwenzer in zwei Jahrzehnten nicht gemacht.

Die erhöhte Aufmerksamkeit mag zum einen an ihrem extrovertierten Auftreten liegen, das wohlgemerkt nicht gespielt, sondern ehrlich ist. Zum anderen hatte sie durch die berufliche Nähe zu Oberbürgermeister Jörg Lutz von Beginn an eine beachtliche Hausmacht im Rathaus, die sie umgehend annahm und ausfüllte. Beides wurde sowohl in der Verwaltung als auch außerhalb sehr aufmerksam wahrgenommen – nicht ohne eine gehörige Portion Skepsis, dies zeigt das Wahlergebnis deutlich. Auch deshalb, weil hier und dort eine allzu starke Dominanz des Duos Lutz/Neuhöfer-Avdic befürchtet wird. Deshalb beinhaltet das Wahlresultat nicht zuletzt auch Kritik am Oberbürgermeister.

Neuhöfer-Avdic macht Karriere im Sprint. Ihr Ziel hatte sie fest im Blick – aber vielleicht hat sie nicht oft genug nach rechts und links geschaut? Sie ist – buchstäblich – zuweilen kaum zu erreichen. Immer schon weiter, immer vorneweg.

Bei allem Respekt vor Grenzach-Wyhlen: Dieser Durchmarsch von der Amtsleitung der Doppelgemeinde an die Spitze der großen Kreisstadt ist eine gewaltige Veränderung. Gemeinsam mit Lutz ist sie nun Chefin von 700 Mitarbeitern. Darüber hinaus zeichnet die Stelle der Bürgermeisterin auch eine zentrale „politische“ Dimension aus: Vor allem in dieser Hinsicht wird eine Menge Arbeit auf Neuhöfer-Avdic zukommen. Das kann funktionieren – sie kann sich dabei aber auch selbst im Wege stehen.

Bei aller Authentizität ihrer Freundlichkeit kann sie sehr dominant auftreten. Nicht in einem aggressiven Sinn; eher, indem sie während einer Debatte gelegentlich einen etwas belehrenden Gesprächsstil entwickelt, der die Adressaten ihrer Erklärungen in ein entsprechendes Licht rücken kann. Das ist nicht ihre Absicht, Neuhöfer-Avdic will vereinen, aber sie muss zur Kenntnis nehmen, dass sie bislang offenbar eher spaltet – den Gemeinderat und die Öffentlichkeit.

Ihr unverstelltes Selbstverständnis ist eine wunderbare Eigenschaft, die sie sich als Bürgermeisterin bewahren sollte. Aber: Auch wenn direkt nach der Wahl nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden darf – ihre unmittelbare Aussage gegenüber unserer Zeitung: „Das Ergebnis der nächsten Bürgermeisterwahl in Lörrach wird deutlicher ausfallen“, sagt einiges aus über ihren Anspruch, ihren Ehrgeiz, über diese Verletzung – und über ihr Selbstbewusstsein.

Neuhöfer-Avdic gab sich sofort kämpferisch – indes hätten diese Minuten auch ein Moment der Selbstkritik und Demut sein können.

Denn das ist eine zentrale Botschaft dieser Wahl.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading