Von Gabriele Hauger Lörrach. Grund zur Freude: Gerade wurden den Kitas im Südwesten Bestnoten verliehen. Andererseits: Mangels Tarifeinigung drohen erneut Streiks. Wie ist die Situation vor Ort, vor allem in der erst im Juni 2014 eröffneten städtischen Tagesstätte im Innocel Quartier, mit 147 Kindern die größte in Lörrach" Das wollten wir von Leitung, Personal und Verwaltung wissen. „Wir sind hier in einer sehr glücklichen Situation“, sagt Gabriele Blum, Leiterin der Tagesstätte. Von Gesprächen mit anderen Erzieherinnen und Eltern weiß sie aber, dass mancherorts im Landkreis nicht alles so rosig aussieht. „Mit dem geforderten Stellenschlüssel lässt sich ja jonglieren“, erklärt sie. Wenn in manchen Kitas Praktikanten als volle Stelle angerechnet würden, verzerre das das Bild von der Betreuungsqualität, nennt sie ein Beispiel. Vielerorts übliche Zeitverträge oder fehlende Fortbildungsangebote fürs Personal seien bei ihnen zum Glück kein Thema. „Wir wollen uns hier nicht als die Besten darstellen. Aber die Stadt nimmt den Bildungsplan und die Kinderbetreuung sehr ernst“, so Joachim Sproß, Fachbereichsleiter Jugend, Schulen, Sport. „Kinder sind unser höchstes Gut und ihre Betreuung und deren Qualität ein wichtiger Standortfaktor.“ So werde eine Ausweitung der städtischen Betreuungsplätze in der Zuzugsstadt Lörrach geplant. Entscheiden muss der Gemeinderat. In Lörrach große Herausforderungen Hier in Lörrach seien die Herausforderungen besonders hoch, so Sproß. „Das Problem ist die Schweiz. Unsere Aufgabe ist es, qualifiziertes und motiviertes Personal zu bekommen – und es dann auch zu halten. Bisher ist uns das in Lörrach gut gelungen.“ Das hat laut Sproß und Blum auch seine Gründe: Fortbildung, Pflege des guten Teamgeists, das Eingehen auf individuelle Mitarbeiter-Wünsche, Mitsprache und Verantwortung – lauten hier die Zauberworte. „Fördern und fordern ist das Prinzip“, so die Tagesstätten-Leiterin. Außerdem versuche man, sich bereits über Praktikantenstellen qualifizierten Nachwuchs heranzuziehen. Dass für die vielen Erzieher, die in die Schweiz abwandern, dort auch nicht alles Gold ist, was glänzt, davon weiß Birgit Heitz, Bereichsleiterin Kindergarten, aus eigener Erfahrung zu berichten. „Die Stellen dort entsprechen oft nicht dem Niveau, das ich von deutscher Seite her kenne. Schließlich möchte man nach entsprechender Ausbildung auch als Fachkraft eingesetzt werden. Zudem ist die Betreuungsphilosophie eine andere.“ Sproß ergänzt: „Es geht ja nicht nur ums Gehalt. Die hohen Standards, geringere Arbeitszeiten als in der Schweiz, teambildende Maßnahmen: Das alles ist für den Arbeitnehmer doch enorm wichtig.“ Dass Lörrach mit seinen städtischen Betreuungsangeboten auf dem richtigen Weg ist, davon sind er, Blum und Heitz überzeugt. Dafür sprechen auch die langen Wartelisten, vor allem im Kindergarten. „Die Tagesstätte im Innocel Quartier ist bis 2020 belegt, bei den Krippenplätzen sind erst ab Oktober 2016 einzelne frei“, listet Gabriele Blum auf. Und keiner weiß, ob angesichts wachsender Flüchtlingszahlen der Bedarf nicht noch schneller steigen könnte. „Wir als Stadt müssen rechtzeitig tätig werden“, so Sproß. Auch das Thema längere Öffnungszeiten wurde und wird wohl diskutiert werden. „Die Ansprüche der Eltern steigen.“ Parallel zu diesen Herausforderungen wächst die Erwartungshaltung der Eltern. „Manche denken, dass die Kita für alles verantwortlich ist, alles richten muss“, weiß Birgit Heitz aus Erfahrung. Dabei versuche man stets, die Eltern mit ins Boot zu holen. „Die Ansprüche steigen“, ergänzt Gabriele Blum. Und somit auch die Forderungen ans Personal. Daher steht sie auch voll hinter den von Verdi geforderten Lohnerhöhungen. Bei allem Verständnis für die Situation der betroffenen Eltern: „Wenn Verdi zum Streik aufruft, sind wir dabei. Darüber herrscht beim Personal Einigkeit.“ Das könnte dann in Lörrach auch ein längerer Streik werden als die zwei Schließungs-Tage vor den Sommerferien. Verständnis für diese Forderungen zeigt auch Fachbereichsleiter Sproß. Die Gesellschaft habe sich stark verändert, Bildung werde institutionalisiert. Und angesichts der heutigen hohen Mobilität – gerade in Lörrach – seien die berufstätigen Eltern mangels Familie vor Ort auf die Betreuung besonders stark angewiesen. Die Eltern als Teil der Gesellschaft sollten hinter der Forderung nach einer adäquaten Bezahlung des Erzieher-Personals stehen. „Meiner Meinung nach ist da aber auch das Land gefordert.“ Zumal die Aufgaben der Erzieher eher noch anwachsen dürften – Stichwort Inklusion. So ist die Kita im Innocel Quartier die einzige im Landkreis, die in Kooperation mit der Karl-Rolfus-Schule ab September sieben behinderte Kinder ab zwei Jahren aufnehmen wird. Sechs Fachkräfte, darunter drei Therapeuten, werden bei der Betreuung helfen. „Inklusion ist für beide Seiten ein Gewinn.“ Joachim Sproß ist sich sicher: „Inklusion ist immer und für alle ein Gewinn. Wenn „normale“ und behinderte Kinder gemeinsam aufwachsen, entwickeln beide Seiten mehr Kompetenzen.“ „Unsere Kollegen stehen voll hinter dem Inklusionsmodell – auch wenn das neue Aufgaben bedeutet“, so Gabriele Blum. Neue Herausforderungen an die Erzieher, die weiter darauf hoffen, dass dies von der Gesellschaft endlich honoriert wird.