Lörrach Klimaschutz beflügelt die Geister

Peter Ade
Ein sichtbares Beispiel für aktiven Klimaschutz ist die Solaranlage auf dem Feuerwehrgerätehaus im Ortsteil Hauingen. Foto: Peter Ade

Beirat: Bestreben nach Neutralität bis 2040 / Wärmenetz ausbauen / Forderung: Ziele klar formulieren

Politik und Verwaltung der Stadt bekennen sich übereinstimmend zu dem Ziel, die Stadt bis 2040 klimaneutral zu machen. Der Klimabeirat unterstrich in seiner jüngsten Sitzung einmal mehr die Dringlichkeit des Vorhabens und fordert ambitioniertes Engagement auf dem gemeinsamen Reduzierungspfad.

Von Peter Ade

Lörrach. Als Zielvorgabe wurde vom Gemeinderat vor geraumer Zeit bereits eine Reduzierung der CO2-Emissionen um etwa 83 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 beschlossen, was einer jährlichen Verringerung um 3,5 Prozent entspricht. Neben Einsparungen beim Energieverbrauch von über 50 Prozent soll im Jahr 2050 die Energieversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Energien aus dem Stadtgebiet und der Region erfolgen.

Wesentliche Schwerpunkte sind die Sanierung im Gebäudebestand sowie die konsequente Nutzung von Solarenergie, Biomasse und Geothermie. Damit das Ziel erreicht werden kann, muss die Stadt deutlich mehr tun als im Bundestrend. Dafür wurden zuletzt an die 30 Einzelmaßnahmen aufgezeigt, die zunächst bis 2030 umgesetzt werden sollen.

Im Rahmen des Projekts „Klimaneutrale Kommune“ haben Klimaschutzmanager mit der Umsetzung begonnen und erste Projekte abgeschlossen. Bürgermeisterin Monika Neuhöfer-Avdic sieht der großen Aufgabe mit Optimismus entgegen: „Der Weg zur klimaneutralen Stadt ist eine ehrgeizige und anspruchsvolle Aufgabe, die großes Engagement und Investitionen erfordern – nicht nur von der Stadtverwaltung, sondern insbesondere auch von Bürgern und Unternehmen.“ Damit dies gelingt, wolle man gemeinsam mit allen Akteuren Strategien entwickeln und Projekte umsetzen.

Bilanz wird überarbeitet

Die absoluten CO2-Emissionen betragen bezogen auf das Jahr 2012 derzeit rund 400 000 Tonnen. Das bedeutet im Vergleich zu 1990 einen Rückgang um 33 Prozent. Damit liegen die Einsparungen deutlich über dem Bundesdurchschnitt mit circa 24 Prozent und sind mehr als doppelt so hoch wie im Land (15 Prozent). Derzeit wird die CO2-Bilanz überarbeitet.

Vor diesem Hintergrund soll dem Gemeinderat empfohlen werden, den Energieverbrauch auf Gemarkung Lörrach bis 2040 so zu verändern, dass die hervorgerufenen Treibhausgasemissionen einschließlich vorgelagerter Prozessketten das Klimasystem der Erde nicht mehr verändern. Der noch verbleibende (klima-)verträgliche Ausstoß von Treibhausgasen soll in Lörrach ab 2040 maximal 1,2 Tonnen CO2 pro Einwohner betragen.

Außerdem schlägt die Verwaltung als Zielpfad vor, ab dem Bilanzjahr 2019 bis 2030 die Treibhausgasemissionen (CO2) in jedem Jahr um 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu reduzieren, danach – bis 2040 – jährlich um zehn Prozent.

Der städtische Energieberater Jörg Bienhüls verwies im Übrigen darauf, dass der Begriff „Klimaneutralität“ nicht eindeutig definiert sei und viel Spielraum für individuelle Interpretation gebe. Einige Experten gingen von bis zu 30 unterschiedlichen Definitionen aus, die derzeit verwendet würden.

Im täglichen Sprachgebrauch wäre laut Bienhüls der Begriff „Treibhausgas-Neutralität“ vermutlich passend. Gemeint sei damit, das Klimasystem der Erde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr durch den Ausstoß von Treibhausgasen zu verändern. Dafür müsse deren Ausstoß nicht komplett eingestellt werden. Die passende Größe, an der sich die Bilanzen orientieren, ist in diesem Fall das CO2-Äquivalent. Für den noch verbleibenden (klima-)verträglichen Ausstoß gebe es ebenfalls unterschiedliche Angaben, die zwischen ein und zwei Tonnen CO2 pro Einwohner lägen.

Geht man vom Ziel des Landes Baden-Württemberg aus, bis 2040 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent zu reduzieren und überträgt dies auf die Stadt Lörrach, ergeben sich verbleibende Emissionen von rund 60 000 Tonnen, was bei rund 50 000 Einwohnern „pro Kopf“ 1,2 Tonnen CO2 entspricht.

Mittelweg als Zielpfad

Zukünftiger Zielpfad der Stadt Lörrach bis 2040 könnte aus Sicht der Verwaltung ein Mittelweg zwischen dem Zielpfad des Landes und einem konstanten jährlichen Reduzierungsfaktor von 7,5 Prozent sein. Gründe hierfür sind unter anderem, dass verschiedene Maßnahmen Vorlaufzeiten für die Planung brauchen: zum Beispiel die zukünftige Wärmeversorgung.

Auf Letztere wurde in der Diskussion im Klimabeirat besonderer Wert gelegt – vor allem von den Grünen-Stadträten Fritz Böhler und Thomas Hengelage, der dazu aufforderte, das Netz auszubauen. „Schnelles Handeln“ unter Einbeziehung von Bevölkerung und Industrie forderte der Energiefachmann und Unternehmer Ulrich Leibfried. „Klare Formulierungen und Ziele, mit denen jeder etwas anfangen kann“, empfahl Lutz Knakrügge (Initiative FairNETZt). Britta Staub-Abt, Fachbereichsleiterin Umwelt und Mobilität, brachte aus Sicht der Stadt auf den Punkt: „Wir würden gerne vieles tun, aber wir können uns im Moment nicht alles leisten.“

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