Lörrach Kompetente Pflege für zarte Wesen

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Welt-Frühchen-Tag: Hubert Fahnenstich und Cathrin Faschian sprechen im Interview über Risiken und Behandlungsmöglichkeiten.

Statistisch gesehen kommt jedes zehnte Kind in Deutschland zu früh auf die Welt. Am heutigen Freitag ist Welt-Frühchen-Tag. Im Foyer des Elisabethen-Krankenhauses informieren Mitarbeiter von 9 bis 14 Uhr über die Frühchenstation Däumling. Im Vorfeld hat sich Susann Jekle mit Prof. Hubert Fahnenstich, Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin, und Cathrin Faschian, Teamleiterin des Intensiv-Pflegedienstes, unterhalten.

Wie viele Babys werden im Eli pro Jahr geboren und wie viele davon sind Frühchen?
FAHNENSTICH: Wir haben insgesamt circa 2300 Neugeborene, in diesem sowie im letzten Jahr. Die Zahl der Kinder, die hier geboren werden, ist ansteigend – das entspricht dem bundesweiten Trend. Sie haben sicherlich davon gehört, dass im Jahr 2016 in Deutschland 792 000 Babys geboren wurden.
Von den 2300 Neugeborenen haben etwa 400 größere und kleinere Probleme und von diesen sind rund 35 pro Jahr extrem Frühgeborene mit einem Gewicht von unter 1500 Gramm. Frühgeborene sind unter den 400 etwa 200 bis 250.

Bis zu welcher Schwangerschaftswoche gilt ein Baby eigentlich als Frühchen?
FAHNENSTICH: Die Frühgeborenheit endet mit der abgeschlossenen 37. Woche. Unsere frühesten Frühgeborenen kommen mittlerweile aus der 23. Schwangerschaftswoche. Das sind dann wirklich extrem Frühgeborene. Auch in der 24. und 25. Woche Geborene sind sehr zarte Wesen, die ständiger Aufmerksamkeit und kompetenter Pflege bedürfen.

Welche Probleme und Risiken bringt eine Frühgeburt mit sich?
FAHNENSTICH: Eines der Probleme, die wir bei den extrem Frühgeborenen haben, ist die Atmung, da die Lunge eine Unreife aufweist und die Kinder deshalb aufgrund eines möglicherweise ungenügenden Austauschs von Sauerstoff ins Blut und ungenügender Entfernung des Kohlendioxids entsprechend unterstützt werden müssen. Andere Problemkreise sind der Aufbau der Ernährung und die Herz-Kreislauf-Stabilisierung. Die Haut der Frühgeborenen ist extrem verletzlich und zart – das heißt, Bakterien können von außen in die Haut dringen. Es gibt Pilzinfektionen durch die Haut. Umgebungstemperatur und -feuchtigkeit müssen beachtet werden. Es ist klar, dass diese kompetente Aufgabe nur von einem hoch spezialisierten Team aus Pflegenden und Ärzten geleistet werden kann.

Welches sind die größten Gefahren für die Kinder?
FAHNENSTICH: Die größten Gefahren für Frühgeborene sind Entzündungen, die sie häufig schon im Mutterleib mitbekommen. Es kommt zu einer frühzeitigen Wehentätigkeit und nachfolgend zur frühen Geburt, dies betrifft etwa 60 Prozent aller Fälle bei Frühgeborenen. Manchmal kann es auch   eine Plazentaschwäche sein, aber die Infektion steht an erster Stelle. Durch die Verletzlichkeit und Zartheit der Frühchen kann es zum Beispiel auch zu Hirnblutungen mit den entsprechenden Folgen kommen. Die meisten auftretenden Probleme sind jedoch bekannt und wir können entsprechend reagieren.

Wie wirkt sich eine Frühgeburt auf die Entwicklung des Kindes aus? Wie lange merkt man ihnen an, dass sie in der Entwicklung hinterher sind?
FAHNENSTICH: Bei extremen Frühgeborenen merkt man es manchmal drei bis vier Jahre lang, manchmal sogar noch länger. Bei den nicht so extremen Frühgeborenen – zum Beispiel ab der 32. Woche – ist es so, dass fast immer mit dem zweiten Geburtstag Folgen nicht mehr zu erkennen sind. Wir sagen den Eltern „Rechnen Sie so, als wäre Ihr Kind am eigentlich ausgerechneten Termin geboren.“ So zieht man keinen falschen Vergleich mit am selben Termin reif geborenen Kindern und entlastet Kinder und Eltern, denn häufig gibt es falsche Rückschlüsse auf die Entwicklung.

Wie intensiv ist die Betreuung eines Frühchens auf der Station? Was ist dort besonders wichtig im Umgang und der Pflege von Frühgeborenen?
FAHNENSTICH: Diese Fragen kann Cathrin Faschian, Teamleiterin des Intensiv-Pflegedienstes, beantworten. Die Pflege hat gerade in diesem Bereich Großartiges zu leisten.

FASCHIAN: Für uns ist es ganz wichtig zu sehen, dass wir die Frühchen mit ihren Eltern angemessen und behutsam betreuen. Problembereiche wie Unreife der Haut, der Lunge oder der Verdauungsorgane, Umstellungen von Herz-Kreislauf müssen wir beachten. Für die pflegerische Arbeit ist es wesentlich, dass wir von Anfang an auf den Wärme- und Feuchtigkeitshaushalt der Frühgeborenen achten.
Dazu kommt bei uns die Arbeit mit den Eltern, die in dieser Situation besonders belastet sind, da die Schwangerschaft nicht wie erwartet verläuft. Die Bindung zwischen Kind und Eltern muss aufgebaut und gestärkt werden. Viele Eltern sind irritiert von den Abläufen auf einer Intensivstation, zum Beispiel der hohe Aufwand, der dem Kind zuteil wird, um es gut zu begleiten.

FAHNENSTICH: Zur Pflegeintensität möchte ich noch ergänzen: Es gibt viele Kinder, die benötigen eine Schwester rund um die Uhr. Es gibt manchmal sogar die Situation, dass zwei Schwestern für ein Frühgeborenes zuständig sind. Häufig ist es so, dass wir nach zwei bis drei Wochen ruhigere Tage bekommen, dann pflegt eine Intensivschwester, die meisten mit einer speziellen Zusatzausbildung, auch schon einmal zwei oder drei Kinder.

Wie belastend ist es für die Eltern, wenn ihr Kind zu früh geboren wird und sie es nach der Geburt nicht dauerhaft bei sich haben können?

FASCHIAN: Das ist sehr belastend für die Eltern, an erster Stelle für die Mutter, weil die Schwangerschaft abrupt zu Ende geht. Die Wochen zur Vorbereitung auf das neue Familienmitglied, die der werdenden Mutter eigentlich noch zur Verfügung gestanden hätten, sind einfach weg. Andere Belastungen sind die tiefe Sorge um das Kind, wie es ihm geht und ob es möglicherweise Einschränkungen für sein weiteres Leben mitnimmt.

FAHNENSTICH: Mütter haben sehr häufig das Gefühl, sie seien mitschuldig, dass ihr Kind zu früh geboren wurde. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben, aber es liegt nicht an den Müttern selbst, sondern verläuft schicksalhaft.

FASCHIAN: Noch dazu ist es wichtig zu sagen, dass die Eltern manchmal viele, viele Tage und Wochen auf die Entlassung ihres Kindes aus dem Krankenhaus warten müssen. Wenn dieser Tag dann erreicht ist, freuen sich die Eltern und wir gleichermaßen.

Wie sieht der Kontakt mit dem Kind aus, während es auf der Station ist?
FASCHIAN: Die Eltern dürfen bei uns rund um die Uhr zu ihrem Kind. Sobald es der Zustand des Kindes erlaubt, und die Mutter fit genug ist, wird das Kind zunehmend von den Eltern gepflegt und unser Team der Pflege übernimmt eher die anleitende Funktion. Unsere Aufgabe liegt dann darin, die Kompetenz der Eltern zu stärken.

FAHNENSTICH: Uns ist wichtig, dass die Kinder, egal wie alt, also die Schwangerschaftswoche bei Geburt, und schwer sie bei Geburt sind, die Milch der eigenen Mutter bekommen. Dies ist sicherlich die allerbeste Ernährung, die es gibt. Manchmal sind die Kinder am Anfang zu schwach, um selbst an der Mutterbrust zu trinken, dann muss man abpumpen. Eltern auf der Station sind für uns einerseits ein Muss, andererseits völlige Normalität. Wir favorisieren zu jedem Zeitpunkt den Hautkontakt zwischen Eltern und Kind. Damit die Eltern auch räumlich nahe bei den Kindern sind, stellen wir kostenfrei Begleitzimmer den Eltern zur Verfügung.

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