Lörrach Kompromisslos, kraftvoll, virtuos

Die Oberbadische
Foto: Dorothee Philipp Foto: Die Oberbadische

Tanz: Die Danza Contemporánea de Cuba im Lörracher Burghof

Von Dorothee Philipp

Lörrach. „Man geht zum Schluss mit dem kubanischen Feeling heim“, hatte Miguel A. Iglesias Ferrer, seit 1987 Leiter der Danza Contemporánea de Cuba im Künstlergespräch vor der Aufführung angekündigt. Der Abend zeigte: Das ist etwas ganz andres als bunte Lebhaftigkeit, dicke Zigarren und Mambo. Auch darauf hatte Ferrer, seit 52 Jahren mit der 1959 gegründeten Kompanie zunächst als Tänzer, dann als Ensembleleiter verbunden, mit schelmischem Augenzwinkern hingewiesen.

Ohrfeigen, Nackenschläge und Tritte in den Hintern als Elemente einer Tanzaufführung? Die erste Choreografie „Coil“ von Julio César Iglesias Ungo, des Sohnes von Ferrer, handelt von zwischenmenschlichen Interaktionen, vom Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe, lässt die Tänzer wie Herbstlaub über die Bühne wirbeln, unerhörtes Tempo und Temperament halten den Zuschauer in Atem. Die lose sitzenden weißen Hosen und Hemden verwischen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Dennoch: Zwischen der wie elektrisch aufgeladenen Explosivität bricht sich in aggressiv-lasziven Gesten auch die Sexualität ihre Bahn, als Naturgewalt, nicht als romantisches Gefühl. Die „Spule“, wie der Titel des Stücks heißt, schafft ein Kraftfeld, in dem sich die Tänzerinnen und Tänzer wie Eisenfeilspäne in Gruppen oder einzeln anordnen, wechselnd in einem stetigen Puls, den der durchweg bedrohlich klingende Soundtrack – in dem sogar ein riesiges Untier knurrt – wie eine unsichtbare Gewalt steuert. Ur-Instinkte und Gruppenrituale beschwören diese Bilder, deren Faszination man sich nicht entziehen kann.

Von düster und bildgewaltig bis zur großen Fete

Noch düsterer und bildgewaltiger wird es in „Equilux“, einer Choreografie der jungen Britin Fleur Darkin, die der perfekten Balance von Licht und Dunkelheit nachspürt und das kosmische Phänomen der Tag-und-Nachtgleiche auf die innere Disposition der Menschen überträgt. Auch hier schafft ein in Infraschall-Tiefen reichender Sound mit dumpfen, in den Solarplexus treffenden Pulsen von Torben Lars Sylvest eine Atmosphäre der Beklemmung. In dieser entfaltet sich das Geschehen auf der Bühne wieder in rasanten Wirbeln, die Kostüme sind dieses Mal schwarz und umflattern die Körper, dass sich die Konturen in ein fast abstrakt wirkendes schwarz-weißes Schachbrett auflösen, dessen Felder in rasendem Tempo durcheinandergewirbelt werden. Diese Pixelwirkung verstärken noch die schwarzen Binden um die Knie der Tanzenden, ein genialer Kunstgriff! So glaubt man zeitweise, fremde Schriftzeichen als Punkte, Flächen und Kommas auf der Bühne zu sehen. Auch hier geht es um die Interaktion zwischen Einzelnen und der Gruppe, um die Dynamik von Anziehung und Abstoßung, um Parteienbildung, alles in einer rauen, kompromisslosen Direktheit, die keinen Platz für hübsche Schnörkel lässt.

Die Faszination einer komplizierten Maschine vermittelt der Choreograf George Céspedes mit „R=V“, bei der sich die Tanzenden nach exakt ausgerichtete Bewegungsmuster im Kollektiv bewegen, gebündelte, gelenkte und beherrschte Kraft.

Und schließlich doch noch die „große Fete“, die Ferrer angekündigt hat mit dem Stück „Mambo 3XXI“, einer kraftvoll-experimentellen Fortführung der Tradition dieses ur-kubanischen Tanzes. Jetzt zeigen bunte Tops und strahlende Gesichter eine neue, fröhliche Seite, das Leben brandet wie Meereswogen über die Bühne. Ein Glücksgefühl flutet das Publikum, das mit stehenden Ovationen seiner Begeisterung Luft macht.

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