Lörrach Kooperation statt Parallelgesellschaft

Markus Greiß
Michael Hoffmann (v. l.), Moshe Flomenmann, Yavuz Hallac und Thorsten Becker bei der Diskussion mit dem Publikum. Foto: Markus Greiß

Diskussionsabend: Verhältnis von Kirche und Staat in den Weltreligionen. Frage nach Rolle der Ditib.

Lörrach - Die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland ist 100 Jahre alt. Mit der Abdankung des badischen Großherzogs Friedrich II. im November 1918 verlor die evangelische Kirche Badens ihr Oberhaupt. Die Weimarer Verfassung von 1919 stellte dann klar: „Es besteht keine Staatskirche.“

Mit diesem historischen Exkurs in den Räumen der Ausstellung „Zeitenwende 1918/19“ des Dreiländermuseums führte Museumsleiter Markus Moehring in das Thema des Diskussionsabends ein. Eingeladen hatte die Lörracher Gruppe Abraham, in der Juden, Christen und Muslime den Dialog suchen.

„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“

Im Hebelsaal diskutierten Badens Landesrabbiner Moshe Flomenmann, der Sprecher der Fatih-Moschee in Lörrach, Yavuz Hallac, der katholische Pfarrer Thorsten Becker und sein evangelischer Kollege, Pfarrer Michael Hoffmann, mit einem interessierten Publikum. „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“, zitierte Hoffmann aus dem Matthäusevangelium. Aus diesem Jesuswort lasse sich die Unabhängigkeit von Kirche und Staat begründen. Heute spiele die Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, und die Kooperation mit dem Staat sei garantiert. Gleichzeitig sei die Anerkennung der staatlichen Autorität für die Kirchen kein Problem, und natürlich müssten sich die Gläubigen an das gesetzte Recht halten.

„Diene dem Gesetz des Landes, in dem du lebst“, beschrieb Landesrabbiner Moshe Flomenmann die Maxime für Juden in Deutschland. Eine Parallelgesellschaft dürften Gläubige nicht errichten und müssten auswandern, wenn sie Regeln nicht akzeptierten. Flomenmann skizzierte die Situation in Israel. Dort seien „alle religiösen Aspekte Teil des Staats“. Das spiegele sich unter anderem in der Ruhe am Sabbat wider, an dem beispielsweise keine öffentlichen Busse führen. Eine Theokratie sei Israel aber nicht.

Islam: Religion universell und unveränderlich

Auch im Islam gebe es keine Trennung zwischen Moschee und Staat, führte Yavuz Hallac aus. Er zitierte aus dem Koran (42/13): „Er hat euch von der Religion verordnet, was er Noah aufgetragen hat […] Haltet die Religion ein.“ Somit sei die Religion universell und unveränderlich, die davon abgeleiteten Rituale, Institutionen und Gesetze könnten sich hingegen unterscheiden.

Angesprochen auf die Säkularisierung der Türkei durch Atatürk in den 1920er Jahren meinte Hallac, diese habe damals in den religiösen Teilen der Bevölkerung ein Trauma ausgelöst. Die Hinwendung zum Religiösen unter Präsident Erdogan fällt daher auf fruchtbaren Boden.

Im Anschluss an die Kurzreferate entwickelte sich eine kontroverse Diskussion um die Rolle der Ditib, die Zusammensetzung der jüngsten Islamkonferenz und moralische Fragen. „Wie gehen religiöse Menschen um mit Menschen, die den Moralvorstellungen nicht entsprechen?“, wollte ein Besucher wissen.

Pfarrer Becker warb darum, sich anzuhören, was die Kirchen zu sagen haben – um sich dann gegebenenfalls „in Freiheit gegen etwas zu entscheiden.“

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