Lörrach Lörrach – damals und heute

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Das erste Erinnerung-Foto hängt und zeigt die zerstörte Lörracher Synagoge. Foto: Gabriele Hauger

Auf der neu gestalteten Läuger-Fassade am Neuen Marktplatz hängt nun die erste Fotografie. Damit wird die Wandarbeit „Wohnzimmer Lörrach“ des Künstlers Wolfgang Krell fortgeführt.

Man muss schon genau hinschauen, um das Schwarz-Weiß-Foto zu identifizieren. Es ist ein Motiv aus einer wenig rühmlichen Zeit der Stadt und zeigt Überreste der Lörracher Synagoge, die nebenan stand. Diese war 1938 in der so genannten Reichspogromnacht zerstört worden. Rußgeschwärzte Mauerreste zeugen von Hass und Zerstörungswut. Zu sehen ist auf der Fotografie auch ein Teil der Läuger-Wand, was dem Betrachter die räumliche Einordnung erleichtert. Es ist die einzige bekannte Aufnahme, die nachweislich die Wand und die zerstörte Synagoge zeigen – ein mahnendes Motiv, das aber auch von zukunftsweisenden Gedanken begleitet sein dürfte, in dem Wissen, dass einen Steinwurf entfernt nun eine neue Synagoge steht.

Aufwendige Hängung

Angebracht wurde die historische Aufnahme in einem aufgrund der Beschaffenheit der Bruchsteinwand diffizilen, mehrmals überarbeiteten Arbeitsprozess von dem aus Dortmund stammenden Künstler Wolfgang Krell, einem Pionier der deutschen Graffiti-Szene. Ausgesucht worden war das Motiv gemeinsam vom Künstler, vom Fassaden-Eigentümer, Auftrag- und Ideengeber Läuger, der sich finanziell stark für das Projekt engagiert, sowie vom Lörracher Historiker Hubert Bernnat.

Rückblick

Wolfgang Krell hatte die Fassaden-Neugestaltung übernommen, nachdem er einen von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte. Zunächst hat Krell die gesamte Fassade mittels Schablonen mit Motiven aus alten KBC-Musterstoffen versehen. Inspirieren ließ er sich davon vom umfassenden KBC-Archiv. In der Mitte der so entstandenen Tapetenmauer prangt eine Pfaff-Nähmaschine, ebenfalls ein Symbol für den früher bedeutende Textilstandort Lörrach. Diese hat am Donnerstag vom Künstler einen barockgoldenen Rahmen verpasst bekommen.

Prägendes aus Lörrach

Entsprechend dem Arbeitstitel „Wohnzimmer Lörrach“ wird die gesamte Fassade an ein solches erinnern und sukzessive mit insgesamt sechs historischen Fotografien bestückt werden, die Charakteristika der Lerchenstadt aufgreifen oder auf prägende Persönlichkeiten verweisen.

Nach dem jetzigen Auftakt werden weitere folgen: ein Porträt von Amalie Struve, Ehefrau von Gustav Struve, radikaldemokratische deutsche Revolutionärin der Märzrevolution von 1848/49, zudem frühe Frauenrechtlerin und Schriftstellerin; eine historische Marktsituation im Herzen Lörrachs; ein Bild von Erwin Gugelmeier, 1906 bis 1927 erster Oberbürgermeister von Lörrach; eine KBC-Büste.

Dabei werden unterschiedliche Formate gewählt, das größte ist 2,30 auf 1,50 Meter plus Rahmen, erzählt Krell. Der aktuell noch etwas verloren wirkende Eindruck dürfte sich also schnell ändern. Und gerade dieser schrittweise Entstehungsprozess macht auch den Reiz des Kunstprojekts aus, findet der Künstler. Die Bilderrahmen können und sollen in Zukunft wechselnd neu bespielt werden. So wie man auch in seinem Zuhause neue Erinnerungsbilder aufhängen kann.

Bürger miteinbeziehen

Damit könnte hier ein Ort der Erinnerungskultur entstehen – für Alteingesessene sowie für Neubürger, die sich so vielleicht mehr für die Geschichte ihrer neuen Heimatstadt interessieren.

Welche Motive künftig noch installiert werden, das wird mit der Stadt und dem Wand-Eigentümer Läuger genau besprochen werden, erklärt Wolfgang Krell. „Mein Wunsch wäre es, die Stadtgesellschaft in diesen Prozess miteinzubeziehen. Vielleicht durch eine Umfrage in der Zeitung.“ Die Lörracher könnten dann selbst Vorschläge machen und so ihre Stadt mitgestalten. „Die Wand soll dauerhaft Gesprächsthema in der Stadt sein“, wünscht sich Krell. Gerne soll deren Gestaltung auch immer wieder für Überraschungen sorgen, vielleicht auch für Kontroversen. „Wie eine Art Pinnwand soll die zum Diskutieren und Nachdenken anregen.“

In der Zukunft

Auf einer eigenen Internetseite lassen sich im übrigen die historischen Hintergründe der jeweiligen Motive nachlesen. Ein an der Wand angebrachter QR-Code wird darauf verweisen. Interaktive Info-Tafeln vor Ort zur Recherche wären natürlich toll – sind aber eine Frage der Finanzierung. Krell hofft diesbezüglich auf Sponsoren. „Ich kann mir für diese Wand im Herzen der Stadt noch viel vorstellen. Zum Beispiel Kooperationen mit Vereinen wie der der Narrenzunft, die dann mittels Beamer Beiträge zur Stadtgeschichte auf die Wand projizieren.“

Angesichts von Krells Ideenreichtum dürfte das Projekt spannend bleiben.

https://wohnzimmer-loerrach.de

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