Lörrach Markus Moehring: ein Berufsleben für das Dreiländermuseum

Von Bernhard Konrad
Markus Moehring: „Museen müssen Orte der Bildung und der Begegnung sein. Ich denke, da sind wir in Lörrach auf einem sehr guten Weg. Die Fülle an Formaten ist vorhanden, auch wenn sie immer wieder weiterentwickelt werden müssen.“ Foto: Bernhard Konrad

Markus Moehring, langjähriger Leiter des Dreiländermuseums, geht Ende des Monats in den Ruhestand.

Markus Moehring, langjähriger Leiter des Dreiländermuseums, geht Ende des Monats in den Ruhestand. In mehr als drei Jahrzehnten hat er die Einrichtung von einem ehrenamtlich geführten Haus zu einer bedeutenden und bestens im Dreiland und der Oberrhein-Region vernetzten Größe der Museumslandschaft entwickelt. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt er zurück und skizziert Perspektiven der Museen in der Stadtgesellschaft.

Herr Moehring, wie war das Museum am Burghof Anfang der 90er personell und konzeptionell aufgestellt?

Es wurde von einem ehrenamtlichen Team geführt, dem mein Vater als Kustos vorstand – und zwar von zuhause aus. Im Museum waren lediglich der Hausmeister, der in einer Hausmeisterwohnung lebte, und zwei Senioren, die als Aushilfskräfte angestellt waren. Anfangs hatte ich kein Büro. Meinen Schreibtisch habe ich im Ausstellungsraum aufgestellt und immer mittwochs wieder abgebaut, weil an diesem Tag die Ausstellung öffnete. Die Verwaltung musste erst nach und nach aufgebaut werden.

Wie viele Mitarbeiter hat das Dreiländermuseum heute und wie hat sich das Haus in der Regio positioniert?

Wir haben ein sehr gutes und engagiertes Team aus elf fest angestellten, überwiegend in Teilzeit beschäftigten Mitarbeitern, zudem Honorarkräfte und ehrenamtlich tätige Mitarbeiter.

Positioniert haben wir uns mit einem trinationalen Profil. Anfangs mussten wir darum kämpfen, von den großen Museen ernst genommen zu werden, obwohl wir schon damals auf eine bemerkenswerte Sammlung zurückgreifen konnten. Das ist uns mit den Jahren gelungen, auch wenn wir natürlich etwa von den Besuchszahlen her nicht mit einem Museum wie der Fondation Beyeler mithalten können.

Inwiefern ist das Dreiländermuseum Teil der hiesigen Museumslandschaft geworden, in der etliche Häuser weltweit bekannt sind?

Wenn es darum geht, Kultur aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland zusammenzubringen und in gemeinsame, grenzüberschreitende Projekte zu gießen, dann sind wir der Motor und in dieser Hinsicht sogar ein führender Teil dieser Landschaft. Andere Häuser haben größere Kunstschätze: in Gold und Silber oder in moderner Kunst. Wir haben weder Picassos noch den Isenheimer Altar – beide bringen den Museen zahlreiche Besucher. Aber im Netzwerk der Museen haben wir mit unserem Profil dennoch eine besondere Stellung.

Ein Netzwerk, das auf Initiative des Dreiländermuseums entstanden ist.

Wir haben es konzeptionell entwickelt und auf den Weg gebracht. Es gibt keine andere Region in Europa, in denen Museen so kontinuierlich und intensiv zusammenarbeiten. Ich bin sehr froh, dass dies in Zukunft so weitergeführt wird.

Wie profitieren das Dreiländermuseum und die Stadt Lörrach von diesem Netzwerk?

Ich kann das am Beispiel des Rhein-Projekts erläutern: Es handelt sich um das größte grenzüberschreitende Kulturprojekt am Oberrhein in diesem Jahr. Noch nie haben sich so viele Museen zusammengetan, um den Fluss aus so vielen Perspektiven zu beleuchten. Das Dreiländermuseum koordiniert die Reihe und bietet die Überblicksausstellung dazu. Wir haben einen Katalog zur Lörracher Ausstellung publiziert, der in allen 38 beteiligten Museen verkauft wird. Alle Informationen über diese Ausstellungen sind auf der Homepage des Dreiländermuseums gebündelt. Hier informieren sich Besucher, die zwischen Mannheim, Straßburg und Basel in eine Ausstellung des Projekts gehen möchten. Dadurch werden viele Interessenten auf das Dreiländermuseum aufmerksam. Aber der Benefit ist insbesondere ideell: dass wir voneinander lernen und mehr Informationen über die Identität unserer Nachbarländer erhalten. Das ist auch ein Beitrag zur gegenseitigen Verständigung – und letztlich auch Friedensarbeit. Das ist wichtiger als alles andere.

Wird das nach Ihrer Einschätzung in Lörrach wahrgenommen?

Wenn man von außen auf solche Projekte schaut, befindet sich Lörrach im Zentrum. Tatsächlich wird das in Lörrach selbst gar nicht so wahrgenommen. Da erscheint es eher selbstverständlich. Von außen betrachtet, sind diese Projekte und die Funktion des Dreiländermuseums dagegen eher etwas Besonderes.

Wie groß ist das Interesse der Bevölkerung in Stadt und Umland am Dreiländermuseum? Steht das Haus mit Blick auf die Besucherzahlen unter Druck?

Ich bin froh, dass bislang keine Debatte in Lörrach stattfindet, die uns unter Druck setzt. Dass die Qualität unserer Arbeit wahrgenommen und nicht ausschließlich auf Zähllisten geschaut wird. Vor der massiven Corona-Delle haben wir mit rund 20 000 Besuchern im Jahr zum ersten Viertel der bestbesuchten deutschen Museen gehört. Wir arbeiten uns langsam wieder in diese Richtung vor, können aber natürlich nicht mit den Besucherzahlen der großen Kunstmuseen mithalten. Geschichtsmuseen haben in dieser Hinsicht immer einen schwierigen Stand. Wir haben rund 400 Führungen jährlich angeboten – die Hälfte davon Schulklassen, interessanterweise viele aus Frankreich, weil der französische Staat diese Exkursionen ins Dreiländermuseum finanziert. Durch Corona ist das stark eingebrochen. Wir sind nun dabei, auch dies nach und nach wieder aufzubauen. Wenn wir die große Pandemie-Delle bei den Schulen ausklammern, bin ich mit der Entwicklung sehr zufrieden.

Sind die großen Sonderausstellungen wichtiger als die Dauerausstellung?

Beides ist wichtig. Wir haben in der Dauerausstellung viel kontinuierlichen Besuch, weil zahlreiche Leute aus generellem Interesse ins Museum gehen – unabhängig von Sonderausstellungen. Letztere setzen uns auf die aktuelle Agenda. Wir müssen an beidem weiterarbeiten.

Mit der Rhein-Ausstellung ist es uns gelungen, erstmals auch Freiburger Publikum für das Dreiländermuseum zu interessieren. Bislang fuhren diese Museumsbesucher direkt durch nach Basel. Wir haben bislang mehr Besucher aus der Nordwestschweiz und dem Elsass wie aus der Region nördlich von Müllheim. Das ist ein Marathonlauf: Lörrach gilt für viele Freiburger nach wie vor als Provinz.

Ein Charakteristikum des Dreiländermuseums ist das facettenreiche Rahmenprogramm der Ausstellungen, mit dem die Einrichtung auch als Forum der gesellschaftlichen Debatte auftritt. Welche Relevanz messen Sie dem bei?

Eine sehr große. Das Rahmenprogramm beleuchtet Themen aus unterschiedlicher Perspektive und es vernetzt und verankert uns in der Bevölkerung. Es ist immer wieder begeisternd, was andere gesellschaftliche Gruppierungen zu den Ausstellungen beitragen. Ich freue mich über die Tour der IG Velo ebenso wie über Vorträge, Theater- und Musikveranstaltungen oder einen Beitrag der Gruppe Abraham, in dem ein Thema aus christlicher, jüdischer und islamischer Sicht beleuchtet wird.

Das führt bei den Besuchern auch zu einer intensiveren und nachhaltigeren Beschäftigung mit dem Thema der Ausstellung: Und das ist mir wichtiger als die reine Fokussierung auf Besucherzahlen.

Ist die Gestaltung und Präsentation der Dauerausstellung im Dreiländermuseum noch zeitgemäß? Wie müsste sie gegebenenfalls weiterentwickelt werden?

Die Themen und die Grundkonzeption sind nach wie vor zeitgemäß. Mit Blick auf die Exponate haben wir uns in den vergangenen Jahren nochmals deutlich verbessert. Die Art und Weise der Präsentation müsste tatsächlich erneuert werden. Insofern wünsche ich mir natürlich, dass die Stadtverwaltung die Notwendigkeit dieser Weiterentwicklung ebenfalls sieht.

Wie könnte diese Weiterentwicklung aussehen?

Wir sollten jedenfalls kein digitales Feuerwerk in der Dauerausstellung entfachen. Wenn das richtig professionell gemacht wird, ist es ohnehin zu teuer. Entscheidender ist: Wir bieten das historische Original. An diesem unverwechselbaren Erkennungsmerkmal sollten wir festhalten. Aber wie man dieses Original in die Zusammenhänge einbaut, darüber sollten wir nachdenken. Auch darüber, wie wir das digital ergänzen und bereichern können.

All diese Originale sind Teil der Museumssammlung. Welche Bedeutung hat sie für die Einrichtung?

Die Sammlung, die sich zu 95 Prozent im Depot befindet, ist das Herz des Dreiländermuseums und unserer Arbeit. Sie bewahrt Kulturgut unserer Region für die Zukunft. Wir sind mit dieser Sammlung immer in der Lage, Sonderausstellungen aus dem eigenen Bestand zu bieten und müssen keine teuren Leihgaben finanzieren. Wir haben zwar auch wertvolle Objekte, aber das Bedeutendere sind die vielen Objekte der Alltagskultur der Dreiländerregion. Immer wieder kommen große Museen auf uns zurück, wenn sie Exponate zu diesen Themen für Ausstellungen benötigen. Zu Themen wie Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg kann kein anderes großes Museum am Oberrhein auch nur annähernd diese Objektvielfalt präsentieren.

Vor dem Bau des neuen Museumsdepots entstand im Vorfeld mitunter der Eindruck, das Konzept des Museums-Teams habe auf europäischer Ebene mehr überzeugt als in Lörrach. Warum ist das neue Depot so wichtig?

Dieses Depot war unbedingt notwendig, weil die Sammlung dort zusammengeführt, erhalten und weiter erschlossen werden kann. Eine Sammlung, die nicht professionell betreut wird, ist nicht viel wert. Die Objekte müssen konservatorisch und inhaltlich betreut werden. Wir haben derzeit fast 50 000 Objekte in der internen digitalen Datenbank erfasst, 16 000 davon sind in einer Kurzversion online verfügbar. Objekte ohne Hintergrundinformationen haben im Grunde keine Bedeutung.

Wie hat sich unterdessen das museumspädagogische Angebot entwickelt?

Wir müssen in Lörrach viel tun, damit Publikum ins Haus kommt. Unsere Angebote müssen quasi maßgeschneidert sein: für Kinder, Schulen oder Erwachsenengruppen. Auch die inklusiven Projekte mit Menschen mit Behinderung sind sehr spannend. Die Museumspädagogik ist ein ganz wichtiges Standbein unserer Arbeit.

Wie könnten Museen der Zukunft aussehen? Und warum sollten Menschen auch künftig ins Museum gehen?

Museen müssen Orte der Bildung und der Begegnung sein. Ich denke, da sind wir in Lörrach auf einem sehr guten Weg. Die Fülle an Formaten ist vorhanden, auch wenn sie immer wieder weiterentwickelt werden müssen. Und: Wir dürfen uns nicht nur vom Zeitgeist treiben lassen. Das Unverwechselbare und Besondere der Museen sind ihre Original-Objekte. Noch wichtiger als reine Klick- und Besuchszahlen ist die Frage, wie wir auch in Zukunft mit unserer Arbeit nachhaltig bei den Menschen und damit in der Gesellschaft Wirkung entfalten können.

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