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Lörrach Mehr als nur dumme Sprüche

Kristoff Meller

Antisemitismus an Schulen: Lörracher berichtet von Erlebnissen. Online-Podiumsdiskussion am Dienstag als Live-Stream.

Lörrach - Im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ laden die Israelitische Kultusgemeinde und die Stadt am 9. März um 10.30 Uhr zur Online-Podiumsdiskussion „Antisemitismus an Schulen – nicht ausreichend wahrgenommen“ ein. Neben Vertretern aus Politik, Bildung und Religion wird auch ein Lörracher Schüler über seine Erfahrungen berichten.

Beleidigungen wie „Du Jude!“ auf dem Schulhof oder einen Hitlergruß auf dem Flur verortet man vermutlich eher an Schulen in Berlin-Neukölln, doch Leo Grossmann hat solche Erfahrungen in Lörrach gemacht. Der Zwölftklässler geht auf das Hans-Thoma-Gymnasium, trägt im Alltag keine Kippa und sieht aus wie ein ganz normaler Jugendlicher. Dennoch wird er immer wieder mit Sprüchen und Vorurteilen konfrontiert: „Für die meisten Mitschüler bin ich der erste Jude, den sie treffen“, erzählt Grossmann, der bereits Schulen in Amerika und England besucht hat. Er findet: „Schulen sollten ein sicherer Ort sein, ein Ort, an dem man seine Religion offen zeigen kann.“

Dumme Sprüche vermeiden

Das ist aktuell aber nicht der Fall, nicht nur in Berlin, sondern eben auch in Südbaden, sagt Moshe Flomenmann, Badischer Landesrabbiner und Rabbiner der Lörracher Synagoge. Er beklagt: „Die Schüler wollen sich nicht outen, um dumme Sprüche zu vermeiden.“ Denn der Antisemitismus trete in jüngster Zeit wieder stärker und offener zu Tage.

Man erlebe ihn in der Schule, aber auch in Sportvereinen, im Fitnessstudio oder einfach an einem Gebäude, so der Rabbiner. Erst am Montag wurde ein Mann beobachtet, wie er „absichtlich an die Synagoge gepinkelt hat“, berichtet Flomenmann. Dazu entferne er regelmäßig Aufkleber mit Nazi-Symbolen.

Es gibt Handlungsbedarf

Die Veranstaltung soll zeigen, dass es Handlungsbedarf gibt: „Die Lösung beginnt damit, dass man versteht, dass es ein Problem gibt.“ Oftmals sei die Ursache für das Verhalten „das Umfeld oder fehlende Bildung“, mutmaßt Grossmann. Denn das Judentum werde im Schulunterricht nur im Zusammenhang mit dem Holocaust behandelt. „Ich habe zudem das Gefühl, dass viele Jugendlichen das Thema nicht so ernst nehmen.“

Physisch attackiert wurde der Gymnasiast nach eigener Aussage noch nie, die Beleidigungen und das Verhalten der anderen Jugendlichen bezeichnet er darum als „Grauzone“. Anfangs sei da kein Antisemitismus zu spüren, bei manchen Jugendlichen verfestige sich aber über die Zeit eine „politische Meinung“. Lehrer, Schulen und die Gesellschaft dürften jedoch nicht erst eingreifen, wenn das Verhalten eskaliere. „Dann ist es zu spät.“

Indes erfahren Lehrer oder die Schulleitung oftmals nichts von einzelnen Beleidigungen, weil sich die Betroffenen nicht wegen eines Witzes an die Lehrer wenden, um weitere Probleme zu vermeiden. Grossmann: „Die Lehrer wissen oft auch nicht, wie sie reagieren sollen, da fehlt die Ausbildung.“

Keine Nachahmer produzieren

Gleichzeitig werde von den Schulen versucht, das Thema „klein zu halten, um keine Nachahmer zu produzieren“, ergänzt Lars Frick, städtischer Fachbereichsleiter Kultur und Tourismus. Für ihn ist entscheidend, ob die Lehrkräfte die Vorfälle mitbekommen und wie sie damit umgehen.

„Verdrängen ist keine Lösung, Antisemitismus und Rassismus dürfen nicht geduldet werden“, betont Flomenmann. Zumal „niemand als Antisemit oder Rassist geboren“ werde. Entscheidend sei oftmals das Elternhaus und das Unwissen der Bevölkerung. Denn meist werde das Judentum auf den Holocaust reduziert, dabei gebe es seit 1700 Jahren jüdisches Leben in Deutschland. Flomenmann: „Das Judentum gehört nicht zum Museum sondern zur Gegenwart.“

Info: Online-Podiumsdiskussion
Es diskutieren Michael Blume (Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung), Rami Suliman (Vorsitzender des Oberrats der israelischen Religionsgemeinschaft Baden), Hans-Joachim Friedemann (Schulamtsleiter Lörrach), Michael Hermann (Stabsstellenleiter für Religionsangelegenheiten im Kultusministerium) und Leo Grossmann.

Die Veranstaltung ist für Schüler ab der 9. Klasse ausgerichtet. Der Live-Stream ist aber auch öffentlich zugänglich unter www.loerrach.de/Wochen-gegen-Rassismus und im Nachgang als Aufzeichnung abrufbar.

Schüler, die sich mit Fragen aktiv beteiligen möchten, können über eine passwortgeschützte Chat-Funktion teilnehmen. Hierfür ist eine vorherige Anmeldung per E-Mail an kultur@loerrach.de erforderlich.

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