Lörrach „Meine Eltern hatten Angst vor mir“

Gerhard Breuer
Philip Schlaffer berichtete im SAK, wie er für rechtsradikales Gedankengut empfänglich geworden ist. Foto: Gerhard Breuer

Rassismus: Ehemaliger Neo-Nazi berichtet im SAK über sein Leben und wie ihm der Ausstieg gelingt

Nicht viele seiner „Kameraden“ äußern sich so offen und vor einem großen Publikum. Philip Schlaffer, einst Führer der „Wismarer Werwölfe“ und gewaltbereiter Radikaler, zeigt mit seiner Biografie, wie es zu dieser Entwicklung kam und was daraus wurde. Am Donnerstag berichtete der ehemalige Rechtsradikale über seine aktive Zeit und den Ausstieg aus der Szene.

Von Gerhard Breuer

Lörrach. Als er zehn Jahre alt war, zog seine Familie nach Nordengland um. Philip verlor Freunde und, wie er sagt, seine Heimat. Nach zwei Jahren die Rückkehr nach Deutschland. „Ich konnte kaum noch Deutsch, meine Schulnoten sanken“, berichtet er. Dann kommt die Radikalisierung, vor allem durch die Musik, auch durch Freunde. Er findet alles schlecht, lernt Juden hassen, obwohl er nie einen getroffen hat, außerdem Ausländer, die Polizei, die Politik und so weiter. Ihn traf die Botschaft der rechtsradikalen Kreise „komm zu uns“ mitten ins Herz. Er entfremdete sich von seiner Familie. Seine Ersatzfamilie wird seine erste kleine Gruppe, die er mit 16 Jahren führt. „Ich war gewalttätig. Meine Eltern und meine Schwester hatten Angst vor mir.“ Die erste Strafe wegen Körperverletzung beim Fußball wird zur Bewährung ausgesetzt.

Lange fehlt ihm die Kraft für den Ausstieg

In seinem Denken gibt es nur noch den „Tag X“, den Tag, an dem die Macht im Staat mit Waffengewalt übernommen wird. „Wenn das Volk nicht will, zwingen wir es einfach.“

Philip Schlaffer lernt eine rechtsradikale Ausländerin kennen. Ein Ausstieg wäre möglich, aber: „Ich war nicht stark genug dafür.“ Der gelernte Außenhandelskaufmann eröffnet einen Laden für Neonazi-Ausstattung, verkauft in Wismar und an drei anderen Stellen Fahnen und andere Ausrüstung, fertigt Tattoos an. Seine „Kameraden“ sind nun ausnahmslos vorbestrafte Gewalttäter. Sein Engagement im Drogenmilieu und in der Rotlichtszene ruft die „Konkurrenz“ aus Berlin auf den Plan, und er entgeht mit knapper Not einem Mordanschlag.

Der zunehmende Polizei- und Fahndungsdruck zeigt gesundheitliche Wirkungen. Er leidet an Migräne und schwächt damit seine Stellung als Gruppenführer. „Wenn der Wolf hinkt, hat er als Alphatier ausgedient.“ Nach Verbüßung einer zweijährigen Haftstrafe in Stralsund steigt er aus. Als Wendepunkt für diese Entscheidung nennt er seine Eltern, die zu ihm gehalten haben.

Philip Schlaffer sieht sich heute in der Position des Mahners. „Ich bin kein Heiliger geworden, aber ich kann sagen, was mit mir passiert ist.“ Er ist Gastreferent für die Friedrich-Ebert-Stiftung und betreibt seinen eigenen YouTube-Kanal.

Zur Ausstellung

Die Ausstellung zum Thema „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ wurde vom SAK-Jugendbüro unter Leitung von Eric Bintz organisiert. Die Begleiter der neun Schulklassen und mehr als 200 Schüler waren Sidney Senftleben, Annika Flamm, Martin Rupp, Hedda Bortchen, Ibrahim Önen, Ahmed Adnan, Engin Kaya und Lea Steinebrunner sowie als Betreuer vom SAK der Sozialarbeiter Jakob Rubner.

Eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema Rassismus gastierte vom 21. September bis 6. Oktober beim Sozialen Arbeitskreis (SAK) im Alten Wasserwerk. Bei der Abschlussveranstaltung am Donnerstagabend wurden die jugendlichen Begleiter geehrt.

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