^ Lörrach: Mit animierender Präzision - Lörrach - Verlagshaus Jaumann

Lörrach Mit animierender Präzision

Die Oberbadische

Stimmenfestival: New York Polyphony in der Evangelischen Stadtkirche

Von Willi Vogl

Lörrach. Die multikulturell brodelnde Weltstadt New York und getragene geistliche Polyphonie der Renaissance: Geht das zusammen? Ja, wenn man ein Konzert eines so hervorragenden Gesangsquartetts wie der New York Polyphony hört.

Das 2006 gegründete Ensemble mit Geoffrey Williams (Countertenor), Steven Caldicott Wilson (Tenor), Christopher Dylan Herbert (Bariton) und Craig Phillips (Bass) konzentrierte sich anfänglich auf die Vokalpolyphonie der Renaissance. Zunehmend erweiterten sie das Repertoire um Werke der Romantik, knüpften Kontakte zu zeitgenössischen Komponisten und vergaben auch Kompositionsaufträge. So entstanden vor allem zum zehnjährigen Jubiläum 2017 Werke wie die „Vesper Sequence“ von Ivan Moody. Inzwischen ist die international gefragte Gesangskunst von New York Polyphony auf zehn CDs dokumentiert.

Das polyglotte Konzert zum Stimmenfestival in der Stadtkirche bot Werke aus vier Jahrhunderten in Englisch, Französisch, Deutsch und Latein. Eröffnet wurde das knapp 80-minütige Programm mit Richard Rodney Bennetts Choralmeditation „A Colloquy with God“. Aus dem polyhonen Ursprungsrepertoire gab es Orlando Lassus „La nuit froid et sombre“ zu genießen. Mit Camile Saint-Saëns „Serenade d`hiver“ erlebte man szenisch angedeutet charmante Theatralik und mit Franz Schuberts „Liebe“ und Johannes Brahms „Ich schwing mein Horn“ lockte das Ensemble das Publikum in den romantischen Zauberwald des deutschen Strophenliedes.

Die Vorliebe zur vornehmen Kantabilität der englischen Salons des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts war dem Quartett Anliegen und Lust gleichermaßen. So erfreuten sie mit zwei Gesangspreziosen von Gerald Finzi und Arthur Sullivan. Bei Joseph Barnbys „Sweet and Low“ lugte gar ein Stück Selbstironie hervor. Wie man im Programmheft erfuhr, diente Barnbys Titel einem rosa verpackten – auch in Deutschland erhältlichen – Süßstoff als Logo. Dies solle dem Publikum „einen Aspekt von Vertrautheit in die sonst etwas düsteren Programme“ bringen.

Gar nicht düster, sondern beschaulich ging es bei Michael Haydns „Abendlied“ Gregory Browns „Abschied vom Leser“ und Wilhelm Nagels „Schöne Nacht“ zu. In Franz Schuberts lautmalerischen „Grab und Mond“ überzeugte das Ensemble nicht nur mit mondheller Innigkeit, sondern auch mit feinziselierter Intonation auf den modulatorisch kühnen Wegen zwischen Licht und Dunkelheit. Wenngleich man sich an die leichte amerikanische Einfärbung deutscher Vokale und die extrem weiche Klangwerdung hiesiger Konsonanten etwas gewöhnen musste, war die Verständlichkeit bei solchen Texten in keinem Moment gefährdet. Darüber hinaus konnte man feine Differenzierung bei den klanglichen Charakteristika der unterschiedlichen Sprachen feststellen.

Mit welch animierender Präzision das Ensemble dynamisch und artikulatorisch aufeinander abgestimmt war, durfte man etwa in den makellos präsentierten Oktavkoppeln zwischen Countertenor und Bariton in Ivan Moodys Canticum Canticorum II bewundern. Das Canticum Canticorum I dieses Komponisten darf gar als Entdeckung wahrgenommen werden. Fantasievolle Deklamation vor dem Hintergrund leerer Klänge und packende unaufgelöste Dissonanzen lassen aufhorchen – hier werden sogar Pausen zum nachhaltigen musikalischen Erlebnis. Klanglich weich gebettet war das Publikum bis in die Zugabe mit Stephen Fosters „Hard Times Come Again No More“.

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