Lörrach Mit einem Schlag zum Volkssport

Michael Winzer

Tennis: Michael Winzer, Vorsitzender des TC Haagen, erinnert sich an Beckers Wimbledon-Sieg vor 35 Jahren

Lörrach - Vor 35 Jahren gewann Boris Becker zum ersten Mal Wimbledon und löste damit in Deutschland einen Tennis-Boom aus. Der Vorsitzende des Tennisclub Haagen, Michael Winzer, erinnert sich.

Vielleicht war er damals wirklich noch zu jung, um zu wissen, dass er zu jung war, um Wimbledon zu gewinnen.

Mit gerade mal 17 Jahren, als bisher Jüngster, besiegte er am 7. Juli 1985 den leicht favorisierten Kevin Curren, der Stefan Edberg, John McEnroe und Jimmy Connors ausgeschaltet hatte, in vier aufregenden Sätzen mit 6:3, 6:7, 7:6 und 6:4. Boris Becker stand im Laufe des Turniers immerhin in zwei Spielen am Rande einer Niederlage und gewann diese dann noch in fünf Sätzen.

Als damals ebenfalls 17-Jähriger interessierte ich mich noch nicht so sehr für Tennis. Meine Leidenschaft galt dem Fußball. Nur in diesen zwei Wochen von Wimbledon war es selbstverständlich, dass man sich die Spiele von „Bum-Bum-Boris“ anschaute. Becker faszinierte vor allem durch seine Unbekümmertheit und den absoluten Siegeswillen. Während des Finales bangte man vor allem nach dem verlorenen Tiebreak, im zweiten Satz, um ihn. Faszinierend war, mit welcher Zielgerichtetheit er danach weiterspielte – immerhin führte er zu Beginn des Tiebreaks mit 3:0 und verlor ihn trotzdem noch. Diese Entschlossenheit prägte das ganze Finale. Auch Curren merkte später an, dass er das Gefühl hatte, nach dem zweiten Satz das Spiel „gedreht“ zu haben – jedoch: unser „German Wunderkind“ wollte diese Einschätzung offensichtlich nicht bestätigen.

Beckers Wimbledon-Sieg veränderte die Tennisszene in ganz Deutschland. Viele Zuschauer verfolgten die Spiele, wie auch ich, vor dem Fernseher. Tennis entwickelte sich zum populärsten Zuschauersport nach Fußball, die Tennisvereine verzeichneten Mitgliederrekorde. Im Laufe seiner Karriere gewann Becker immerhin noch sechs Grandslam-Titel, 1986 und 1989 noch einmal in Wimbledon. Den Centre Court nannte er fortan: „mein Wohnzimmer“.

Bei mir dauerte es noch eine ganze Weile bis ich endgültig vom Fußball zum Tennis „konvertierte“. Eine Verletzung „half“ hierbei. Tennis ist der ideale Familiensport. Es gibt wohl kaum Sportarten, bei denen man über drei Generationen hinweg miteinander spielen kann. Wo kann man schon zu zweit Wettspiele austragen? Oder auch zu viert? Viel Spaß macht es auch in einer Mannschaft. Die Mannschaftsmedenrunde in unserem Breitensportbereich im Sommer erstreckt sich auf vier bis sieben Wochenenden. Neben dem sportlichen Wettstreit ist auch immer das gesellige Miteinander nach den Einzeln und Doppeln in Form eines gemeinsamen Essens sehr schön.

Heute bin ich leidenschaftlicher Tennisspieler und froh, dass nach dem Corona-Lockdown nun auch endlich wieder gespielt werden kann.

Alexander Zwerev und Angelique Kerber heißen heutzutage die Aushängeschilder des deutschen Tennissports. Von einem Tennisboom kann sicherlich keine Rede mehr sein. Die Zeiten von Aufnahmegebühren und Aufnahmestopps sind momentan vorbei. Die Tendenz geht zunehmend zur Meldung von Spielgemeinschaften bei Mannschaften. Die Gruppengrößen bei den Team-Spielen können nun auch nur noch durchgängig aus vier statt sechs Spieler bestehen. Die Vereine versuchen über Kooperationen mit den Schulen neue Mitglieder zu gewinnen, Schnupperkurse werden an einzelnen Tagen angeboten. In absehbarer Zeit wird es wohl zu vermehrten Zusammenschlüssen von Tennisvereinen kommen. Daran würde wohl auch ein neuer „Bobbele“ nichts ändern.

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