Als in der NS-Zeit die Jungen in ein anderes, grenzferneres Heim verlegt wurden, war die Einrichtung existenziell bedroht. Wenngleich es in diesem Zusammenhang nicht zur Euthanasie kam, wurden einige der weiterhin auf der Tüllinger Höhe lebenden Mädchen zwangssterilisiert. „Das Heim hatte sich jedoch mit dem Nationalsozialismus nicht gemein gemacht“, konnte Bernnat nach akribischen Recherchen in den Protokollbüchern feststellen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Finanzierung durch den Staat übernommen und die Einrichtung konnte sich perspektivisch stabilisieren. Die pädagogischen Herausforderungen im Umgang mit oft traumatisierten Kindern oder aggressiven Jugendlichen sind jedoch nach wie vor immens. Gerade hierfür sind charismatische Pädagogen wie etwa Walter Haebler, der trotz seiner Erblindung 1942 zum Heimleiter berufen wurde, unverzichtbar.
In den Kapiteln etwa zu den Gründungsjahren, dem Ausbau der Rettungsanstalt, dem Weg zum Kinderheim, zur Bedrohung der Mädchen in der NS-Zeit und dem Umbau zum Fachdienst für Kind und Familie wird lokale Zeitgeschichte lebendig. „Es ist kein pädagogisches Fachbuch, sondern die bislang erste umfassende Dokumentation zur Einrichtung“, beschreibt Christof Schwald, der Mitherausgeber und Einrichtungsleiter das 33. Lörracher Heft. Sie könne den Respekt vor der Lebensleistung früherer Mitarbeiter befördern, die sich damals neben den pädagogischen Herausforderungen fern garantierter Urlaubsansprüche und lediglich für Gottes Lohn auch kreativ um die wirtschaftliche Absicherung der Einrichtung kümmern mussten. Das 33. Lörracher Heft ist für 14,80 Euro im Dreiländermuseum und im Buchhandel erhältlich.