Lörrach Muse und Mutmacherin

Veronika Zettler

Stimmen-Festival: Gaye Su Akyol wird im Burghof gefeiert

Von Veronika Zettler

Lörrach. Zum Schluss soll jeder seine Wünsche wünschen: „Schließt die Augen und träumt eure Träume“, sagt Gaye Su Akyol auf Englisch und auf Türkisch. Die Scheinwerfer gehen aus. Nach einem treibenden und druckvollen Konzert wird es eine Minute lang dunkel und mucksmäuschenstill im Burghof. Danach gibt es noch einmal begeisterten Beifall für die 37-jährige Singer-Songwriterin aus Istanbul. Für viele ist sie Muse und Mutmacherin.

Am Dienstag trat Gaye Su Akyol beim Berliner Kultursommerfestival vor 2200 Besuchern auf, in Lörrach waren es am Freitagabend nur rund 80 Fans, die sich in den Burghof aufmachten. Ein eher ungewöhnliches Erlebnis für die – unter anderem von Iggy Pop – gefeierte und mit dem Songlines Music Award ausgezeichnete Künstlerin, die zwischen den Songs mehrfach über die „familiäre Wohnzimmeratmosphäre“ scherzte. Das Publikum indes, zu einem guten Teil aus Basel angereist, versammelte sich vor der Bühne, um zu tanzen, zu feiern und mitzusingen.

Vier Musiker in dunklen Mönchskutten und mit Panzerknacker-Augenbinden, die Sängerin mit knappem Dress, Overknee-Stiefeln und Goldglitzerjacke – schon optisch präsentiert sich die Band als ein comic-affines Gesamtkunstwerk, das Interpretationsspielraum lässt. Musikalisch durchquerten die Songs von Gaye Su Akyol zwischen Orient und Okzident, Tradition und Moderne so viele Stilrichtungen und Musikepochen, dass Aufzählungen kaum Sinn machen. Eine Hauptlinie sei aber erwähnt: Geleitet von wabernden Hammond- und funkigen Wah-Wah-Gitarren-Klängen führte sie immer wieder zum psychedelischen und progressiven Anadolu-Rock der 60er- und 70er-Jahre und zu legendären Rock-Urvätern wie Erkin Koray oder dem 1999 verstorbenen Barış Manço. Dessen Klassiker „Hemşerim Memleket Nire“ – als Coverversion auch auf Gaye Su Akyols jüngstem Album zu finden – singen die Konzertbesucher so textsicher wie lautstark mit: „Bu dünya benim memleket“ – Diese Welt ist meine Heimat – eine der wichtigsten Botschaften auch von Gaye Su Akyol.

In und zwischen den Songs äußert sich die Sängerin und studierte Sozialanthropologin nachdenklich-kritisch über die politische Gemengelage in der Türkei und anderswo. „Sie kleidet ihre Kritik in viele Anspielungen und Metaphern“, erklären zwei befragte Konzertbesucherinnen nach dem Konzert. „Gaye Su Akyol fordert zu Stärke, Mut und Selbstbestimmung auf, gerade auch uns Frauen“, fasst eine andere Besucherin die Aussagen zusammen. Freilich können auch die (eher wenigen) im Publikum, die des Türkischen nicht mächtig sind, die Musik genießen: Ihre Tanzbarkeit und die Vielschichtigkeit der Klänge, Rhythmen und Arrangements reißen mit.

Ein genresprengendes Programm hatte Burghof-Geschäftsführer Timo Sadovnik eingangs angekündigt und in der Tat: Wie Gaye Su Akyol und ihre Mitstreiter tauchte auch die Support-Band Saitün aus Basel das Publikum in ein Crossover west-östlicher Musikgefilde. In Songs wie „4 Matches on Tinder“ oder „Show me what you got“ legte ihr pulsierender „Psychedelic-World-Rock“ ordentlich vor. Studierenswerte Texte, kraftstrotzende Gitarren und ein energiegeladener Sound hinterließen bleibenden Eindruck.

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