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Lörrach Netzwerker mit Tatdendrang

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Sieht seiner neuen Aufgabe mit Spannung entgegen: Timo Sadovnik Foto: Gabriele Hauger

Interview: Der neue Geschäftsführer des Lörracher Burghofs Timo Sadovnik über Potenziale, Ziele, Stimmen und Lörrach

Frage: Herr Sadovnik, seit März sind Sie Geschäftsführer des Burghofs. Was hat Sie so sehr an dieser Aufgabe gereizt, dass Sie von Wien in die „Provinz“ kommen?

Ach, für die Wiener ist eigentlich alles außer ihrer Stadt Provinz! Mich hat dieser Veränderung und Herausforderung sehr gereizt, nicht nur von der Größe der Stadt, sondern auch von den kulturellen Bedingungen her. Ich möchte projektieren und gestalten – und das ist hier möglich. Ich habe zuvor auf vielen Feldern gearbeitet: bei den Rote-Nasen-Clowndoctors in der Programmleitung für ganz Österreich, im Wiener Kulturmanagement bis in den Sozial- und Bildungsbereich hinein. Jetzt wollte ich gerne wieder in den Kunstbetrieb zurückkehren. Und dann hat sich diese Chance in Lörrach aufgetan: Ich wurde angesprochen. Stimmen-Festival – das hatte ich irgendwie im Hinterkopf. Aber ich musste ehrlich gesagt erst mal nachschauen, wo Lörrach genau liegt. Mir wurde schnell klar, dass das hier eine wahnsinnig interessante Aufgabe ist.

Frage: Wie gefällt Ihnen das Haus, was bietet es?

Die Institution und das Haus an sich sind bemerkenswert, erstaunlich für eine Stadt von der Größe Lörrachs. Mutig! In der Beschäftigung mit dem Burghof erfuhr ich natürlich auch von dem konfliktreichen Entwicklungsprozess rund um diese Institution. Nicht alle Bürger fühlten und fühlen sich offenbar mitgenommen und überzeugt von deren Konzeption. Aber man hat sich diesen Konflikten gestellt und versucht, einen möglichst guten Konsens zu finden für eine zukunftsorientierte Kulturinstitution. Ich finde das sehr spannend, ​und daran möchte ich gerne in Zukunft aufbauen.

Frage: Und der Burghof?

Die Kombination Architektur, Klang und die vielen Möglichkeiten des Hauses. Als künstlerischer Leiter finde ich besonders die Vielfalt beeindruckend, das große Potenzial, das nicht nur im Burghof an sich, sondern auch in seiner Umgebung liegt. Damit meine ich nicht nur die Stadt und die Einbettung in den Skulpturenweg, den insgesamt mutigen Weg der Kulturpolitik in der Stadt, sondern auch die Region mit ihrer Vielfalt und Diversität. Die Nachbarschaft zu Basel sehe ich zudem als Bereicherung, keineswegs als Konkurrenz. Ein spannender Boden.

Frage: Das Programm ist traditionsgemäß in Sparten aufgeteilt. Wollen Sie dies beibehalten?

Ich befinde mich noch in einem Prozess, bringe aber natürlich viele Ideen mit. Ich möchte mir jetzt ansehen, ob sich meine Visionen mit den Gegebenheiten hier gut verknüpfen lassen. Grundsätzlich möchte ich an Bestehendes anknüpfen. Ich denke, das ist ein sinnvoller Zugang, wenn man neu in eine Führungsposition kommt. Es mag Fälle geben, wo ein kompletter Neuanfang sinnvoll ist – das sehe ich weder beim Burghof, noch beim Stimmen-Festival so. Hier wurde viel Gutes aufgebaut. Das möchte ich bereichern, vielleicht auch stellenweise verändern.

Frage: In welche Richtung gehen diese neuen Ideen?

Meine Vorstellung von einer Kulturinstitution wie dem Burghof ist es, in Netzwerken zu arbeiten, die Ressourcen aus dem Umfeld zu nutzen. Eine solche Institution sollte den Menschen dienen – wie jeder Kulturbetrieb. Kultur muss einen Bezug zur Örtlichkeit herstellen, an der sie stattfindet, weil sie davon auch getragen wird. ​Das Haus hat so viel Potenzial und bietet so viele Möglichkeiten. Diese möchte ich gerne auch programmatisch ausschöpfen. Durchaus auch Experimente wagen und Neues zulassen. Schrittweise ist es mein Ziel, den Kulturstandort Lörrach gemeinsam mit den lokalen und regionalen Akteuren zu entwickeln, auf- und auszubauen.

Frage: Es gab bei Ihren Vorgängern „No Gos“– Stichwort Volksmusik. Wie stehen Sie dazu, beispielsweise einen Andreas Gabalier auftreten zu lassen?

Ich bin grundsätzlich in alle Richtungen offen. Natürlich ist es eine Frage des Kontextes. Wenn sie Gabalier als Beispiel nehmen: Der hat einen gewissen Ruf, gerade in Österreich, und seine spezielle Geschichte, die ich grundsätzlich problematisch finde. Um solche Themen geht es aber: Was für Gedankengut holt man in den Burghof? Das kann im übrigen völlig genreunabhängig problematisch werden. Es gibt nämlich genau so Metalbands, die inhaltlich in politisch problematische Bereiche gehen. Das bedeutet aber nicht, dass ich generell kein Metal oder keine Volksmusik hier sehe. Auch diese Genres haben in ihrer Vielfalt, Qualität und ihrem künstlerischen Ausdruck durchaus ihre Berechtigung ​und können bereichernd wirken.

Frage: Sicher haben Sie die Querelen zwischen Ihrem Vorgänger und Teilen der Stadtgesellschaft wahrgenommen. Haben Sie sich im Vorfeld mit Herrn Muffler ausgetauscht?

Nein, wir hatten keinen Kontakt. Mir liegt jedenfalls am Herzen, in der Stadtgesellschaft anzukommen. Ich bin mit meiner Frau und meinen zwei kleinen Töchtern nach Lörrach gezogen. Das war mir ein großes Anliegen, den Ort, die Menschen hier kennenzulernen, Dialoge und Begegnungen vor Ort zu haben, um auch ein Gefühl für die Gegend zu bekommen.

Frage: Vom Dialekt her hört man bei Ihnen wenig Wienerisches durch. Müssen Sie sich zusammennehmen?

Nein, meine Eltern sind beide lustigerweise in Baden-Württemberg aufgewachsen, obwohl sie aus Kärnten beziehungsweise Slowenien stammen. Sie haben beide nur dezent Österreichisch gesprochen. Außerdem habe ich einen Hang dazu, mich relativ schnell in den Örtlichkeiten zu spiegeln.

Frage: Wie sind Sie vom Team empfangen worden?

Super! Da bin ich sehr dankbar, dass hier ein motiviertes und absolut professionelles Team vor Ort ist, das mich sehr herzlich empfangen hat. Das ist gerade in so einem Veränderungsprozess wichtig ​und ermöglicht es uns, direkt ins gemeinsame Schaffen zu gehen. Die Zeiten sind auch überaus dynamisch und erfordern zügiges und professionelles Handeln in allen Bereichen der Organisation und Institution.

Frage: Ihr Start fällt in keine leichte Zeit: Stichwort Corona. Wie glauben Sie, können Sie die Menschen wieder für einen Burghof-Besuch begeistern?

Zukunftsprognosen sind grundsätzlich schwierig. ​Besonders eben in diesen Zeiten. Man merkt aber, dass die Pandemieerfahrungen grundlegenden Einfluss darauf haben, wie Kunst gelebt und erlebt wird. Der Kulturbetrieb musste sich hinterfragen, was ich an sich durchaus gut finde. In dieser Krise sind viele dazu gezwungen worden, sich zu reflektieren, für wen sie eigentlich ihr Programm anbieten und in welcher Form. Kulturinstitutionen müssen sich auch ein Stück weit neu definieren. Dass das nicht nur mit den Corona-Maßnahmen zusammenhängt, merkt man jetzt, wo diese Maßnahmen fallen: Es ist nämlich keineswegs so, dass wir jetzt von den Zuschauern überrannt werden, die große Sehnsucht nach Kulturveranstaltungen haben. Viele Menschen haben zudem noch Angst vor großen Veranstaltungen. Ob sich das wieder auf das Maß vor der Pandemie einpendelt, das wird sich zeigen. Man wird sehen, ob sich das Kultur​nutzungsverhalten grundsätzlich geändert hat. Ich versuche, in solchen Veränderungen eher etwas Positives zu sehen und mit ihnen mitzugehen. Vielleicht funktionieren nicht alle Inhalte wieder so wie vor Corona. ​Das kann aber auch Raum und Ressourcen für Neues freisetzen.

Frage: Und die Künstler?

Natürlich sind viele Künstler hart getroffen, auch Institutionen müssen schließen – sehr traurig. Nicht alle haben den gleichen Rückhalt von Verwaltung und Politik erhalten. Das muss man nicht schönreden. Denn es hat oft gerade spannende und nicht-kommerzielle Projekte getroffen.

Frage: Jeder Burghof-Chef hat seine eigene „Lieblinge“ in der Kultur. Welcher oder welche sind es bei Ihnen?

Ich habe selbst früher Gitarre gespielt, einen Jazz-Gitarristen als Lehrer gehabt. Das hat mich massiv geprägt. Als Jugendlicher hörte ich viel Jazz. Dann habe ich mich in alle Richtungen entwickelt: Rock, Blues, Reggae, Klassik und irgendwann auch Hip Hop und Rap für mich entdeckt, die sich beide aus Jazz, karibischer Musik und amerikanischen musikalischen Strömungen entwickelt haben. Ich gründete eine Organisation, mit der wir im Hip Hop und StreetArt-Bereich die größte in Österreich wurden mit internationalen Projekten.

Das Schöne an dieser Richtung: Da ist alles drin. Musik, Tanz, Performance, Darstellung, Bildende Kunst – eine globale Strömung, die längst nicht mehr nur die Jugend anspricht und viele Mischformen hat. Generell bin ich aber ganz offen für alle Genres und habe Freunde und Kontakte in allen Sparten: Da ist auch Neue Musik dabei, extrem spannend, auch wenn ich sie mir vielleicht nicht Zuhause anhören würde.

Frage: Das Stimmen-Festival steht vor der Tür. was freuen Sie sich besonders?

Die Top Acts sind durch die Bank spannend. Deep Purple finde ich als Gitarren-affiner Mensch natürlich top. Aber auch jenseits der Headliner freue ich mich auf Vieles. Vor allem, dass es gelungen ist, trotz des problematischen und gebeutelten Marktes ein sehr stimmiges Programm zu entwickeln, musikalisch in sehr unterschiedlichen Bereichen. So wird es im Rosenfelspark einen Latino-Schwerpunkt geben, das passt ja da perfekt rein: Lebensfreude – aus der Pandemie kommend. Aber auch die Kirchenkonzerte mit spannenden Mischformen aus Kirchenmusik und Klassik​, Pop, Gospel und R’n’B sind besonders reizvoll.

Frage: Sie haben ja auch in Österreich Festivals organisiert. Was schwebt Ihnen künftig bei Stimmen vor?

Die Kombination hier ist extrem stimmig. Der Burghof mit seiner Strahlkraft über Lörrach hinaus, gepaart mit diesem Festival und seinem trinationalen Anspruch – das kann sich gegenseitig schön beflügeln. Man sollte sich nicht in Konkurrenz zu anderen Anbietern positionieren. Es geht darum, den Menschen und der Region etwas zu bieten, ​ein authentisches Profil zu entwickeln und einen Akzent zu setzen, der überregional wirkt und auch international andockt. Das ist bisher sicher​ phasenweise sehr schön gelungen, und ich möchte das weiterführen, natürlich mit meinem Verständnis und meiner Färbung.

Frage: Wie gefällt Ihnen Lörrach?

Super. Wir haben eine schöne Wohnung in Tumringen gefunden, in der Nähe der Fluss, Grün, Spielplätze vor der Tür. Und trotzdem hat die Stadt in ihrer überschaubaren Größe alles, was man für das Leben braucht. Das Kulturprogramm machen wir ja zu einem Teil selbst (lacht). Wir fühlen uns willkommen. ​Das fühlt sich sehr schön an und stimmt mich sehr zuversichtlich.

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