Lörrach Neun Lichter in dunkler Zeit

Regine Ounas-Kräusel
Andreas Nagy (v. l.) , Jörg Lutz und Moshe Flomenmann am Chanukka-Leuchter Foto: Regine Ounas-Kräusel

Religion: Israelitische Kultusgemeinde feiert „Chanukka“ / Oberbürgermeister entzündet erste Kerze

Vom 10. bis zum 18. Dezember begeht die Israelitische Kultusgemeinde Lörrach Chanukka, das jüdische Lichterfest. Am Donnerstag entzündete Oberbürgermeister Jörg Lutz bei einer kleinen Feierstunde in der Synagoge die erste Kerze am Chanukkaleuchter.

Lörrach. „Chanukka steht für Hoffnung“, sagte Rabbiner Moshe Flomenmann, bevor er Oberbürgermeister Jörg Lutz und den Leiter des Polizeireviers Andreas Nagy als Gäste begrüßte. Lutz dankte für die Ehre, die erste Chanukka-Kerze entzünden zu dürfen. Er erinnerte daran, dass seit 350 Jahren Juden in Lörrach gelebt haben und betonte: „Jüdisches Leben gehört zu Deutschland, auch in Zukunft. Menschen jüdischen Glaubens gehören zu Lörrach.“

Mit Chanukka feiern die Juden die Wiedereinweihung ihres Tempels in Jerusalem, nachdem die seleukidischen Herrscher den Tempel im zweiten Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung entweiht hatten.

Ein kleiner Junge habe im Tempel ein Fläschchen mit geheiligtem Lampenöl für einen Tag gefunden, das dann aber im Tempelleuchter acht Tage brannte, erzählt die Vorsitzende Hanna Scheinker die Überlieferung. Der Leuchter im Foyer der Synagoge hatte neun Kerzen: Zu den acht Lichtern, die das Ölwunder symbolisieren, kommt noch eine Hilfskerze hinzu, die zum Anzünden dient. Diese steckte Andreas Nagy an.

Wegen Corona nahmen im diesem Jahr nur wenige Frauen, Männer und Kinder aus der Gemeinde an der kleinen Feier teil, während in normalen Jahren der Festsaal mit bis zu 120 Menschen gefüllt ist. Diesmal nahm der Rabbiner die Feier für die Daheimgebliebenen per Video auf.

Corona habe das Gemeindeleben zum Erliegen gebracht, berichtet Hanna Scheinker. Am Freitagabend und am Samstag finden keine Schabbat-Gottesdienste mehr statt, auch das gemeinsame Essen danach fällt aus. Stattdessen kocht Towa Flomenmann, die Frau des Rabbiners, für alte und kranke Menschen jede Woche zwei Schabbatmahlzeiten, die dann verteilt werden.

Hanna Scheinker erzählt vom Leben in der Gemeinde, die sie 1995 zusammen mit anderen jüdischen Menschen in Lörrach neu gründete. Sie erinnert sich daran, wie sie zu Beginn den Mitgliedern, die aus der ehemaligen Sowjetunion neu zuzogen, half, hier Fuß zu fassen.

Wer in ein neues Land komme, müsse zunächst beobachten und lernen, wie die Menschen in diesem Land leben, gibt sie ihre Lebenserfahrung weiter. Sie erzählt von ihrer Kindheit in Litauen und Kirgisien, ihrer Zeit als Lehrerin in Sowjetzeiten und ihrer Verwurzelung in der deutschen Kultur, bevor sie wieder auf die Gemeinde zu sprechen kommt. „Wir sind eine orthodoxe Gemeinde“, sagt sie. „Wir halten Schabbat und begehen die Feiertage.“ Doch wenn junge Leute am Wochenende lieber ins Theater gingen, müsse man das respektieren. Aktuell hat die Gemeinde rund 500 Mitglieder. Kinder und Jugendliche unterrichtet Rabbiner Flomenmann in der Samstagsschule im Glauben, gibt am Hans-Thoma-Gymnasium Religionsunterricht.

Hanna Scheinker redet vom Antisemitismus, der stark zugenommen habe. Während der kleinen Feier bewachte daher auch ein bewaffneter Polizist die Synagoge. Trotzdem betont Scheinker: „Wir sind eine offene Gemeinde.“ Vor den Corona-Einschränkungen habe man Führungen für Schulklassen angeboten, die vor allem von der Freien evangelischen Schule und den Lörracher Gymnasien gerne genutzt werden, erzählt sie. Auch wer einen Gottesdienst besuchen wolle, könne sich jederzeit im Sekretariat melden. Nur eines stellt sie klar: Gegenseitiger Respekt sei wichtig. „Ich gratuliere Ihnen zum Weihnachtsfest und Sie gratulieren mir zu Chanukka.“

So könne gute Nachbarschaft funktionieren.

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