Lörrach Nicht alt aussehen

Guido Neidinger

Stadtentwicklung: Fit machen für alternde Gesellschaft. Senioren wollen selbstbestimmt leben.

Lörrach - Die Zahl der älteren Menschen steigt unaufhörlich – auch in Lörrach, von heute knapp 26 auf über 30 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre. Damit Lörrach auch für Senioren lebenswert bleibt, muss die Infrastruktur frühzeitig angepasst werden.

Sowohl die Stadtverwaltung als auch die im Gemeinderat vertretenen Fraktionen haben die Zeichen der Zeit erkannt. „Entwicklung der Infrastruktur für Senioren in der Stadt Lörrach“ lautet ein Thema, das im Hauptausschuss am Donnerstag beraten wird. Zu dieser Problematik haben mit SPD, CDU und Grünen gleich drei Fraktionen einen Antrag gestellt.

Die Entwicklung

Im Jahr 2016 lebten in Lörrach 9721 Bürger, die 65 Jahre und älter waren. Diese Zahl wird bis zum Jahr 2030 auf knapp 12 000 steigen (plus 22 Prozent).

Die Zahl der Hochaltrigen (85 plus) wird sich von 1413 im Jahr 2016 auf 1754 Personen in zehn Jahren erhöhen. Das Durchschnittsalter der Lörracher steigt damit von 41,4 Jahren im Jahr 2001 auf 45,7 Jahre im Jahr 2035. Soziologen sprechen von dreifacher Alterung der Gesellschaft:

Die absolute Zahl an älteren Menschen über 60 Jahren nimmt zu, ihr relativer Anteil an der Gesamtbevölkerung steigt, es ist insbesondere ein Zuwachs an hochbetagten Menschen zu verzeichnen.

Pflegebedürftigkeit

In Lörrach stehen derzeit 400 Langzeitpflegeplätze in fünf Pflegeheimen zur Verfügung. Das Evangelische Altenwerk bietet 183, die Gevita 80, das Haus der Altenpflege 56 und das Seniorenzentrum St. Fridolin 81 Plätze. Die Nachfrage liegt schon heute deutlich über dem Angebot. Bereits jetzt wird die Situation als „dramatisch“ bezeichnet. Pflegebedürftige müssen zunehmend auf das Umland ausweichen. Die Planung des Landkreises bis 2030 geht für Lörrach von einem oberen Bedarf von 747 Plätzen aus. Das bedeutet nach derzeitigem Planungsstand: Es gibt in zehn Jahren fast 300 Plätze zu wenig.

Auch mehr Kurzzeitpflegeplätze werden benötigt. In Lörrach stehen momentan nur eine Handvoll dieser Plätze zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Baustein in der Versorgung älterer Menschen ist die Tagespflege (Montag bis Freitag von 8.30 bis 16.30 Uhr), vor allem, um Angehörige zu entlasten. In Lörrach stehen 27 Plätze dafür zur Verfügung. Auch hier gibt es jetzt schon längere Wartezeiten.

Ambulant betreute Wohngemeinschaften ersetzen zwar keine Pflegeplätze, können aber die Nachfrage entlasten. In Lörrach entstehen mit der Bebauung des Areals Conrad zwei solche Wohngemeinschaften mit 24 Plätzen.

Wohnen im Alter

Nahezu alle älteren Menschen wollen so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben. Allerdings sind 95 Prozent der Wohnungen älterer Menschen nicht barrierefrei.

Alternativen zum Pflegeheim werden immer mehr gewünscht. An erster Stelle steht das Wohnen mit Service und Betreuung. Das Ev. Altenwerk bietet 90 Wohnungen am Karl-Herbster-Platz mit Service an, im Adlergässchen gibt es zehn und im Martinshof 22 Wohnungen für Senioren. Durch Umbau sollen im Martinshaus weitere 34 Wohnungen entstehen. Gewährleistet sind dort Betreuung und Pflege rund um die Uhr.

Eine Wohnanlage des Evangelischen Altenverwerks mit 33 Wohnungen in der Pestalozzistraße in Stetten bietet seniorengerechtes Wohnen mit Betreuung und Pflege an. Da die Anlage mit Fördergeldern errichtet wurde, ist es die einzige in Lörrach, die sich auch Senioren mit kleiner Rente leisten können. Bis zu einem gewissen Grad an Pflegebedürftigkeit ist die Wohnresidenz am Engelplatz mit 41 Wohnungen geeignet. 101 Service-Wohnungen mit eigenem Pflegedienst bietet die Gevita in Tumringen an. In der Wohnanlage Siegmeer in Hauingen gibt es in der Stiftung Kunz 41 Wohnungen, die aber allen Generationen offenstehen.

Berechnungen zufolge sollten bis zum Jahr 2030 in Lörrach 360 Wohnungen mit entsprechender Betreuungs- und Pflegemöglichkeit zur Verfügung stehen.

Aufgaben der Stadt

Nach den Zielen des Teilhabeplans für Senioren, der vom Kreistag 2017 beschlossen wurde, ist es ein zentrales Anliegen, älteren Menschen eine möglichst selbstständige Lebensführung im Alter zu ermöglichen. Der Teilhabeplan umfasst die Bereiche Wohnen, hauswirtschaftliche Versorgung, Alltagsgestaltung, soziale Kontakte, Mobilität, Gesundheit, Medizinische Versorgung, Pflege und Beratung. Auch für die Stadt Lörrach bedeutet es eine enorme Herausforderung, diesen Zielen nachzukommen.

In Lörrach werden neben ambulant betreuten Wohnformen dringend weitere stationäre Pflegeplätze benötigt. Im nördlichen Stadtgebiet sowie in Haagen, Hauingen und Brombach gibt es bisher keine stationäre Versorgungsmöglichkeit für Senioren. Geplant ist eine solche Einrichtung sowie weitere Wohnformen mit Serviceleistungen im geplanten Wohngebiet Neumatt-Brunnwasser (zwischen Haagen und Hauingen).

Der Bau immer weiterer größerer Pflegeeinrichtungen kann laut Stadtverwaltung aber „nicht die Lösung des demografischen Wandels sein“, zumal dies auch nicht den Wünschen der Senioren entspräche. Auch finanziell wäre das für die Stadt auf Dauer nicht zu leisten.

Vielmehr sollen Sozialräume so entwickelt werden, „dass ältere und auch pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben können. Ein ’Weiter so wie bisher’ kann es nicht geben – vielmehr ist ein Umdenken von einer Versorgungsgesellschaft hin zu einer Mitwirkungsgesellschaft erforderlich“, heißt es in der Sitzungsvorlage der Stadtverwaltung.

Geplant sind Veranstaltungen zu Themen des Älterwerdens. Sie sollen Diskussionen anstoßen und mehr Bürger für die Mitgestaltung und für den Ausbau von Unterstützungsleistungen gewinnen.

Wohnen und Umgebung

Senioren verbringen häufig vier Fünftel des Tages in ihrer Wohnung. Von zentraler Bedeutung ist hier neben der Ausstattung der eigenen Wohnung das Wohnumfeld wie barrierefreie Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs, Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum, wohnungsnahe Einkaufsmöglichkeiten sowie Versorgung mit Arzt und Apotheke.

Die Lebensphase „Alter“ umfasst heute mindestens zwei bis drei Jahrzehnte. Das macht deutlich, dass ältere Menschen ganz verschiedene Bedürfnisse haben. Diese Vielfalt gilt es bei allen Planungen zu berücksichtigen.

„Um Strukturen für ein gutes Älterwerden zu schaffen, braucht es das Zusammenwirken von politischen Entscheidungsträgern, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und den Bürgerinnen und Bürgern selbst“, schreibt Geraldine Dannecker, Fachbereichsleiterin Bürgerdienste, in der Vorlage zur Sitzung des Hauptausschusses am Donnerstag.

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