Diese Frage blieb offen gestanden meist unbeantwortet, oder sie hat sich erst im Verlauf des Gesprächs entwickelt. Am ehesten gab es dieses Bewusstsein noch bei produzierenden Unternehmen, deren Produkte auch in der Region verkauft werden. Aber tatsächlich spielte meine Leitfrage bei vielen Menschen eine untergeordnete Rolle. In vielen Gesprächen haben mir Bürger gesagt: „Was soll 2050 anders sein als heute? Es wird mehr oder weniger so bleiben.“
Sofern Sie die Frage im Dialog entwickeln konnten: Inwieweit haben sich die Antworten von Bürgern in Stadt und Land unterschieden?
Neben dem Tour-Auftakt in Rheinfelden waren Zell und Schönau die beiden vergleichsweise größeren Orte auf meiner Route. Das Hauptthema in Schönau war die Aufrechterhaltung der Industrie. In kleineren Ortschaften dominierten die Themen Landwirtschaft, Wirtschaft allgemein, Tourismus und Kultur. Interessant war, wie facettenreich in der Summe das kulturelle Angebot und die Bevölkerung auf den Dörfern ist. Ich habe dort etliche junge Leute gesprochen, die zum Beispiel aus Südamerika, aus Holland oder aus England zugezogen sind.
Gab es Unterschiede in der Gesprächsbereitschaft zwischen Männern und Frauen, Jungen und Alten, Städtern und Leuten vom Dorf?
Tatsächlich hat keiner die Tür zugemacht. Niemand hat mein Gesprächsangebot abgelehnt. Tendenziell habe ich mehr Frauen als Männer gesprochen. Beim Alter waren keine Unterschiede in der Gesprächsbereitschaft auszumachen. Eine ältere Dame fragte mich, ob ich Hartz IV bekomme: Sie konnte nicht glauben, dass ich aus eigenem Antrieb von Lörrach nach Rheinfelden gewandert bin.
Kamen auf Ihrer Tour bestimmte Themen mehrfach zur Sprache, mit denen Sie ursprünglich nicht gerechnet hatten?
Auffällig war, wie oft die Themen „Schule“ und ärztliche Versorgung genannt wurden – beides gibt es in vielen Dörfern nicht mehr. Viele Schüler gehen bereits in der Grundschule in andere Orte. Als weitere große Sorge habe ich die Abwanderungstendenzen wahrgenommen. Die Bevölkerung hat offenbar die Befürchtung, dass die Jugend nicht mehr in die Dörfer zurück kommt.
Haben Sie selbst solche Tendenzen in den Dörfern wahrgenommen?
Einerseits ja, andererseits scheint es immerhin auch eine gegenläufige Bewegung zu geben. Ich habe einige junge Leute getroffen, die gerne auf dem Land leben, oder später bewusst zurückkommen möchten. In Kürnberg gibt es beispielsweise das Start up-Unternehmen Sotop, das aus gebrauchtem, geschreddertem Plastik Handy-Hüllen herstellt. Die Leute sagen mir: Wir wollen bleiben.
Andere wiederum möchten auf dem Land leben, müssen aber im Tal oder in der Schweiz arbeiten. Manche arbeiten unter der Woche in der Schweiz und kommen am Wochenende zurück – es gibt etliche Varianten.
Wurde der Klimawandel thematisiert?
Absolut, vor allem von Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Ich habe mit Landwirten gesprochen, denen die Trockenheit sehr große Sorgen bereitet. Sie haben mir versichert: drei solche Sommer wie im Jahr 2018 hintereinander – und die Landwirtschaft ist weg. Dieses Jahr sei zwar besser als das vergangene, aber die Wasserspeicher seien nach dem Jahr 2018 noch immer nicht richtig gefüllt.
Welches Fazit würden Sie nach Ihrer Tour ziehen? Wie blicken Sie auf die Begegnungen zurück?
Ich kann sagen: Das macht Lust auf mehr. Diese Reise hat sich auch zur Vernetzungs-Tour entwickelt. Mir wurde in etlichen Orten Flyer und Info-Material in die Hand gedrückt mit der Bitte: „Gib das doch einfach mal in anderen Ortschaften weiter.“ Ich bin allein auf drei Mobilitätsprojekte gestoßen, die bislang nichts voneinander wussten: Die konnte ich zusammenbringen. Mit diesem Vernetzungsimpuls hatte ich zu Beginn meiner Reise nicht gerechnet. In Fragen der Mobilität, aber auch der wirtschaftlichen und kulturellen Vernetzung sehe ich Potenzial.
Das wäre sicher auch ein Thema, bei dem das Landratsamt unterstützend tätig werden könnte.
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