Lörrach Plädoyer fürs „Verfühlen“

Die Oberbadische
Foto: Martina Proprenter Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Timo Wopp auf der Suche nach dem verlorenen Witz

Von Martina Proprenter

Lörrach. Worüber kann man noch Witze machen, wenn sich Politiker weltweit beim Niveau des Sagbaren stets weiter unterbieten? Kabarettist Timo Wopp macht sich in seinem dritten Abendprogramm daher „Auf die Suche nach dem verlorenen Witz“. Vor etwa 90 Zuhörern witzelte er sich am Samstag im Burghof selbstironisch durchs fehlende Opfernarrativ, tief hinein in die Abgründe der menschlichen Gefühle.

„Es sind ja trotz Corona noch welche gekommen… euch ist auch alles scheißegal, oder?“, freute sich der Niedersachse über den ungewohnt leeren Großen Saal des Lörracher Burghofs. Mitleid müsse man mit ihm deswegen aber keines haben, versicherte er, denn er werde pro Wort bezahlt, nicht pro Gast. Als würde es wirklich stimmen legte Wopp in gewohnt stakkatoartigem Redeschwall los, hangelte sich dabei linguistisch geschickt von Thema zu Thema.

Pointiert eingeworfene Grenzüberschreitungen

Für jemanden wie ihn – weiß, männlich, heterosexuell – sei es schwierig, ein Humorthema zu finden, Minderheiten und Opfer von Diskriminierung hätten es da viel leichter. Man schämt sich dafür, zu lachen, als er den Ausweg aus diesem Dilemma erklärt: Laut seiner Frau solle er sich vergewaltigen lassen, damit er auch ein Trauma habe, über das er sprechen könne. Solch pointiert eingeworfenen Grenzüberschreitungen weiß Wopp geschickt aufzubauen, und dabei auf gesellschaftliche Probleme hinzuweisen. So ist ihm das pädagogische Totschlagargument für die Erziehung seiner Kinder abhandengekommen, bemängelt er, da er ja schlecht sagen könne: „Mir ist egal, was der amerikanische Präsident macht“, etwa Menschen mit Behinderung nachäffen oder Frauen bewusst in den Schritt zu greifen.

Feinsinnig geht er aber auch der Frage nach den „Bauchgefühlen“ nach, und fragt sich, warum es so schwer ist zu sagen, dass man sich „verfühlt“ habe, was allein schon sprachlich nicht machbar sei. Zur Entspannung der aktuellen Situation würde es aber beitragen, versicherte er, im privaten wie politischen Bereich: Einfach mal zugeben, dass das Bauchgefühl vielleicht gar nicht zutrifft, man also gar nicht Opfer einer aktuellen Situation sei.

So ganz weiß das Publikum nicht, wie man reagieren darf auf den Satz: „Wie viele MeToos, Kränkungen und Konflikte würde es weniger geben, wenn wir zugeben könnten, dass wir uns einfach mal verfühlt haben?“ Den nervösen Lachern schickt Wopp geschickt den sarkastischen Satz „Der ist ja eingeschlagen wie ne Bombe nach.“

Mit der bewusst provozierten unangenehmen Situation lässt er das Publikum aber nicht lange allein, statt moralisch erhobenem Zeigefinger, der ist geschickt impliziert, führt Wopp seine Gedanken zu verschiedenen Kommunikationsstrategien lieber jonglierend vor, für den einstigen Weltklassejongleur ein leichtes und trotzdem umso beeindruckender.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading