Lörrach Prager High-Speed-Jazz

Die Oberbadische
Klaviervirtuose und Multitalent: Milan Svoboda im Lörracher Jazztone Foto: Veronika Zettler Foto: Die Oberbadische

Konzert: Milan Svoboda begeisterte mit seinem Quartett im Lörracher Jazztone

Von Veronika Zettler

Lörrach. „Die spielen, als ginge es ums Überleben“, kommentierte ein Zuhörer die extreme Schnelligkeit, die das Milan Svoboda Quartett bei dem zweieinhalbstündigen Konzert im Jazztone ohne Ermüdungserscheinungen an den Tag legte. Schon die Vorstellungrunde, in das Stück „Next Day“ gepackt, beeindruckte das Publikum mit einer Rasanz, die abwechselnd aufwühlende und beruhigende Sogwirkung ausübte.

Mit dem Konzert des Prager Pianisten ist der Lörracher Jazzclub am Freitag hochkarätig ins neue Jahr gestartet. Svobodas Name fehlt in keinem Lexikoneintrag über den tschechischen Jazz. Ab 1974 sorgte die von ihm gegründete Prager Big Band mit modernen Kompositionen aus seiner Feder für Furore. Der 66-jährige Jazz-Professor, selbst Absolvent des Prager Konservatoriums, der Prager Karls-Universität, der Prager Akademie der musikalischen Künste und zudem Berklee-College-Stipendiat, agiert seit vielen Jahren in zahlreichen Stilrichtungen und Ausdrucksformen. Er komponierte klassische Orchesterwerke, Filmmusiken, Musicals, er leitet und spielt in etlichen Formationen. Und er macht einen Jazz, der in seiner vielschichtigen Virtuosität eine Sonderstellung einnimmt.

Fast vom Stuhl gefegt

Das Quartett vervollständigen drei weitere Meister ihres jeweiligen Fachs: Milan Krajic an Tenor- und Sopransaxofon, Filip Spaleny an der Bassgitarre sowie Schlagzeuger Ivan Audes zeigten im Jazztone technische Brillanz. Schon zwei Schlagzeugsoli von Ivan Audes bleiben dem Zuhörer als spektakulär im Gedächtnis.

Im Programm sind (bis auf die Coltrane-Zugabe) mit Titeln wie „Mud“ und „Summer Whimsy“ ausschließlich Sachen von Svoboda. Wie das zweite Stück mit dem bezeichnenden Titel „Conversation“ zelebrieren alle weiteren eine intensive, dichte und bildreiche musikalische Kommunikation. Im zweiten Set präsentiert das Quartett die Nummern der 2016 aufgenommenen CD Pozdni Sber/Late Harvest, die laut Svoboda von der Wahrheitssuche via Weingenuss erzählt: „Ich hoffe, dass in meinen Stücken etwas Wahrheit drin steckt“, schmunzelt er.

Trotz vieler hörbarer Einflüsse, darunter klassische, rockige und folkloristische, ist Svobodas Handschrift immer unverkennbar. Seine Stücke sind komplex, rhapsodisch verschachtelt und in der Verschachtelung weitverzweigt. Prägend sind abrupte Brüche in Harmonien, Metrik und Stimmungen innerhalb eines übergeordneten Motivs, das sich oft erst nach und nach abzeichnet. Zudem definieren Bass und Schlagzeug in ungewöhnlich wuchtigen Rollen diese zwischen lyrischen Läufen und freien Exzessen, zwischen perlenden Klangteppichen und expressiven Improvisationen oszillierenden Gesamtkunstwerke. Musikalische Verwandtschaften, etwa zu Chick Corea oder Keith Jarrett, lassen sich viele entdecken.

Auch das Zuschauen macht Spaß: Die Musiker wirken geradezu manisch ins Spiel vertieft. Mitunter scheint Milan Svoboda von der eigenen Schnelligkeit fast vom Stuhl gefegt zu werden.

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