Lörrach Kinderärzte schlagen Alarm

Bernhard Konrad
Die Kinderarztpraxen im Landkreis sind gut ausgelastet, indes sehen sich die Mediziner durch Impfungen, PCR-Tests und den Folgen der Corona-Pandemie mit weiteren Belastungen konfrontiert. Foto: zVg/Karl-Josef Hildenbrand

Kinder- und Jugendmediziner weisen eindringlich auf Belastungen und Engpässe hin/Qualität der Versorgung gefährdet

Lörrach - In einem Brief an Landrätin Marion Dammann weisen Bettina Volkmer und Gesa Kellner eindringlich auf Versorgungsengpässe in der Pädiatrie hin. Die beiden Lörracher Kinderärztinnen betonen ausdrücklich im Namen aller niedergelassenen Pädiater im Kreis: „Auf Dauer werden wir die hohe Qualität der kinder- und jugendärztlichen Versorgung im Landkreis nicht aufrechterhalten können.“

Die Mediziner haben mit mehreren Problemlagen gleichzeitig zu kämpfen: Die Schließung der Impfzentren sei für niedergelassene Kinder- und Jugendärzte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt gekommen.

Viele Anfragen für Impfungen und PCR-Tests

Denn: Seit die STIKO die Corona-Impfung für Jugendliche ab zwölf Jahren empfohlen hat, sehen sie sich mit zahlreichen Impfanfragen konfrontiert. Dabei sei nicht nur zu berücksichtigen, dass die Impfung selbst in den Alltag der ohnehin schon ausgelasteten Praxen eingebunden werden muss, sondern auch die damit einhergehende Organisation, die Bürokratie sowie die intensiven Aufklärungsgespräche mit Eltern und Kindern. Diese Situation werde sich nochmals verschärfen, wenn die Impfung für fünf- bis elfjährige Kinder zugelassen wird.

Hinzu kommt, dass die Kinderarztpraxen bei Corona-positiven Schnelltests von Schülern das Ergebnis möglichst rasch mit einem PCR-Test bestätigen oder widerlegen sollen: Auch dies bindet Kapazitäten.

Mehr Jugendliche mit Depressionen und Essstörungen

Und: Während die Infektwelle in der vergangenen Herbst- und Wintersaison wegen der allgemeinen Maskenpflicht weitgehend ausfiel, würden nun wieder eine Vielzahl erkälteter Kinder bei den Fachärzten vorstellig, oftmals verbunden mit der Bitte um einen PCR-Test: Zum einen, weil die Eltern verunsichert seien, zum anderen auch darum, weil etwa Kitas eine Corona-Infektion ausschließen wollen, bevor sie die Kinder wieder in die Einrichtung aufnehmen. Hierdurch wird der Druck und die Arbeitsbelastung in den Praxen abermals erhöht.

Die Pandemie zeige sich bei den jungen Patienten darüber hinaus auch in anderer Hinsicht auf gravierende Weise: „Die Anzahl Jugendlicher mit Depressionen, Essstörungen bis hin zu Suizidalität hat zugenommen. Schüler leiden unter den Beschränkungen in Pandemiezeiten, entwickeln chronische Schmerzsyndrome oder eine Adipositas“, so die Kinderärztinnen wörtlich in dem Schreiben, das sich neben Dammann unter anderem auch an Elke Zimmermann-Fiscella, Dezernentin für Soziales und Jugend, sowie an Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg richtet.

Entwicklungsdefizite bei Kindern im Vorschulalter häufiger festzustellen

Sie betonen weiter: „Bei Kindern im Vorschulalter zeigen sich Entwicklungsdefizite, da sie nicht zeitgerecht und regelmäßig in den Kindergarten gehen konnten. Ergotherapie, Logopädie und Heilpädagogik konnten zeitweise nicht oder nur eingeschränkt erfolgen, das Gesundheitsamt war nicht in der Lage, die Einschulungsuntersuchungen in den Kindergärten durchzuführen. Diese Kinder und ihre besorgten Eltern sehen und behandeln wir täglich und intensiv in unseren Praxen.“

Versorgung im Landkreis schon jetzt „alles andere als gesichert“

Unterdessen sei die kinder- und jugendärztliche Versorgung im Landkreis schon jetzt „alles andere als gesichert“. Eltern hätten ohnehin schon Probleme, einen Kinderarzt für ihren Nachwuchs zu finden. Bei Praxisschließungen müssten die jungen Patienten von Kollegen mitversorgt werden. Volkmer: „Dazu kommt eine hohe Dienstbelastung an den Wochenenden in der Notfallpraxis sowie unter der Woche in der eigenen Praxis.“

Jetzt schon würden Wartelisten geführt, aber mitunter hätten Eltern wenig Verständnis dafür, wenn ihr Anliegen nicht zeitnah berücksichtigt werde. Unter anderem auch deshalb, so Vollmer im Gespräch mit unserer Zeitung, sei dieser Brief geschrieben worden: Um der Elternschaft die angespannte Situation in den Praxen zu erläutern. „Mitunter sehen wir uns verbalen Anfeindungen ausgesetzt, wenn Eltern lange Wartezeiten erleben oder zusätzliche Untersuchungen aus Zeitmangel abgelehnt werden müssen“, so die beiden Medizinerinnen im Namen ihrer Kollegen.

Gleichzeitig nähere sich der Altersschnitt der Fachärzte allmählich 60 Jahren an – und Nachwuchs sei kaum in Sicht, auch deshalb, weil jenseits der Grenze bessere Verdienstmöglichkeiten locken.

Die Kassenärztliche Vereinigung zeige als Standesvertretung wenig Verständnis für die Situation: „In Form von Rundbriefen erhalten wir Lob, Durchhalteparolen, und das verbunden mit der Bitte, noch mehr Impfungen durchzuführen.“

Was die Kinderärzte dagegen tatsächlich bräuchten, wäre mehr Unterstützung. So wäre ihnen schon deutlich geholfen, wenn das Thema Impfungen und PCR-Tests so weit wie möglich aus den Praxen herausgenommen werden könnte.

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