Lörrach Scharfer Beobachter

Tonio Paßlick
Matthias Deutschmann seziert die deutsche Politik. Foto:  

Kabarettist Matthias Deutschmann hielt dem Burghof-Publikum den Spiegel vor.

Matthias Deutschmann ist der Intellektuelle unter den deutschen Kabarettisten. Mit seinem aktuellen Programm „Mephisto Consulting“ ist er auf Tour.

Triggerwarnung

Wie am Freitag in Lörrach. Hier gibt er gleich eine „Triggerwarnung“ vor den „Mikro-Aggressionen“ seines Programms heraus. Bei den Fallstricken von Wokeness und Gender-Projektionen ist schließlich Vorsicht geboten. Der scharfe Beobachter findet immer noch jede Menge Missstände im Personal aus Politik und Gesellschaft in den„Sternstunden des Parlamentarismus“, die er mit feiner Klinge und anspruchsvoller verbaler Sezierkunst zerlegt und mit hintersinnigem Humor räsoniert.

Verbale Sezierkunst

„Kommen die Leute noch, oder streamen sie sich einen?“ hatte er sich während der Pandemie oft gefragt. Deshalb hat er sich dem zweitältesten Gewerbe zugewandt, dem „Consulting“. Im Gepäck natürlich – süffisante Pause – Resilienz, die zu systemrelevanter Renitenz weiterverarbeitet wird. Über das Absurdistan der Deutschen Bahn, der Bundeswehr mit dem Wumms als neuer sozialdemokratischer Währung und der Riege der verschlissenen Verteidigungsminister bis zum möglichen Wagenknecht-Syndrom bei Alice Weidel oder den Reichsbürgern arbeitet er sich mit herber Ironie durch das Personal der möglichen Beratungskandidaten.

Und wenn er mal ausführlicher vom Besuch einer Höcke-Veranstaltung im bayrischen Kaufbeuren erzählt, wird die Angst vor der Zukunft greifbar, auch wenn er noch mal leise darauf hinweist, dass er mit seinem Nachnamen ja Spezialist für deutsche Fragen sei. Und nach dem Wegzug nach Berlin und der Rückkehr nach Freiburg gewissermaßen mit „Migrationsvordergrund“. Aber vielleicht könne man ja die nächsten Wahlzettel mit einem Kästchen unter den Namen ausstatten, hinter dem „Keiner von denen“ steht, statt einer Protest-Willkür Tür und Tor zu öffnen.

Mentaler Rollator

Das Cello-Spiel - „mein mentaler Rollator“ - führt immer wieder zu Szenenapplaus. Etwa wenn er den schottischen Dudelsack der Begräbnisfeier der Queen imitiert oder Beethovens schönen Götterfunken in orientalische Klänge verfremdet. Der Mond scheint finster drein, singt Deutschmann. Eine düstere Dystopie, die er ohne Ironie oder Sarkasmus an vielen aktuellen Entwicklungen ausmacht.

Von der Realität überholt

Denn jede satirische Überspitzung wird von der Realität überholt, wie Deutschmann an nur wenigen Beispielen aus der aktuellen Fernseh-Show von Putin zeigt. Und wo sind die Kommentare zum „Gaza-Konflikt“? fragt sich der Kabarettist. Es gibt vom Respekt gezogene Grenzen der satirischen Beschreibung, wird in Haltung und Kommentierung gerade in seinem Schluss-Auftritt deutlich, als er empfiehlt, sich für das Bewusstsein historischer Hintergründe im Nahen Osten den Klassiker „Lawrence von Arabien“ anzuschauen, „während die anderen feiern“.

Ein „Kabarettologe“ weiß dennoch Rat. Wie wäre es mit einer „Sündensuchmaschine“ als KI-Projekt, aber es gäbe ja keine Sünden, die die katholische Kirche nicht schon begangen hätte. Oder bei Verschwörungsmythen-Anhängern, denen mit noch absurderen Behauptungen begegnet werden könne.

Rhetorisch in Fahrt gekommen werden die satirischen Bilder immer prägnanter: „Der Merz hat das Zeug zum Zombie. Der ist doch tot – oder eher untot“. Und „Wer rettet die Welt?“, fragt sich Deutschmann und wird beim Blick in die f Zukunft von Evolutionsbiologen beschwichtigt: die Geilheit sei das Hintergrundrauschen der Evolution“.

Aber die Quintessenz des Programms lautet: Die Satire wird links wie rechts von einer zynischen Realität überholt, die das Lachen im Keim ersticken lässt. Und so reagiert Deutschmann auf manche betroffene Stille im Publikum keineswegs beruhigend. „Ja, wir denken alle das Gleiche, nur - ich kann es auswendig.“

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